Seltener kardiovaskuläre Ereignisse durch Diabetes

Diabetikerinnen und Diabetiker haben ein hohes Risiko für Komorbiditäten. Dazu zählen auch die Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Assoziation zwischen Diabetes und dem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse ist jedoch in den letzten 30 Jahren gesunken.

Rückgang

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind häufig. Sie stellen in Deutschland die häufigste Todesursache dar. Aber auch Erkrankungen wie Diabetes mellitus können kardiovaskuläre Ereignisse verursachen, ohne dass zuvor eine Herz-Kreislauf-Erkrankung vorlag.

Der Einfluss von Diabetes auf das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse ist so groß, dass zwischen 1982 und 2000 das Risiko für Menschen mit Diabetes genauso hoch war wie für Menschen mit einer Herz-Kreislauf-Erkrankung. Diabetes wurde deshalb als „cardiovascular risk equivalent“ angesehen.

Seitdem sind jedoch mehr als zwei Jahrzehnte vergangen. Die Gesundheitsversorgung hat sich verändert und mir ihr das Risiko für verschiedene Erkrankungen und Gesundheitsereignisse. Deshalb hat sich ein kanadisches Forschungsteam näher mit der Frage beschäftigt, ob die starke Assoziation zwischen Diabetes und kardiovaskulären Ereignissen heute immer noch gilt. Die Daten wurden im Journal »JAMA« veröffentlicht.

Zielsetzung

Im Vergleich zu früheren Jahrzehnten hat es sich grundlegend verändert, wie wir Diabetes heutzutage managen. Deshalb ist unklar, ob Diabetes heute immer noch als „cardiovascular risk equivalent“ angesehen werden kann. Diese Frage hatte die kanadische Datenauswertung zum Kern.

Methodik

Die retrospektive und populationsbasierte Studie wurde anhand von administrativen Gesundheitsdaten aus Ontario in Kanada durchgeführt. Dort werden die Arzt- und Krankenhauskosten für Menschen, die in Ontario wohnen, durch den Ontario Health Insurance Plan (OHIP) abgedeckt, wodurch gleichzeitig Daten erfasst werden.

Aus den Daten wurden fünf populationsbasierte Kohorten mit Erwachsenen zwischen 20 und 84 Jahren kreiert. Diese Erwachsenen mussten in den Indexjahren 1994, 1999, 2004, 2009 und 2014 in Ontario leben und mindestens seit fünf Jahren vor dem kohortenspezifischen Indexdatum für OHIP qualifiziert sein. Der Follow-up Zeitraum betrug jeweils fünf Jahre. Aus allen Daten wurden zufällige Stichproben von 25% der jeweiligen Kohorte ausgewählt und weiter analysiert.

Diabetesdiagnosen wurden mittels eines Algorithmus mit 99,1%iger Spezifität identifiziert. Alle Daten wurden in drei separate Kategorien unterteilt: Diabetes, frühere Herz-Kreislauf-Erkrankung oder beides. Die übrigen Personen, die weder Diabetes noch eine Herz-Kreislauf-Erkrankung hatten, wurden der Kontrollgruppe zugeordnet.

Als primäres Outcome galten kardiovaskuläre Ereignisse oder die Gesamtmortalität. Unter kardiovaskulären Ereignissen wurden Hospitalisierungen aufgrund eines akuten Myokardinfarktes oder Schlaganfalls zusammengefasst. Aus den Daten wurden relative Risiken berechnet.

Ergebnisse

In die fünf Kohorten wurden 1.870.791 Menschen für 1994, 2.028.663 für 1999, 2.227.576 für 2004, 2.331.593 für 2009 und 2.512.790 für 2014 eingeschlossen. Das durchschnittliche Alter stieg von 44,4 Jahren im Jahr 1994 auf 47,5 Jahre im Jahr 2014, was die alternde Bevölkerung von Ontario widerspiegelt. Etwa 51% der eingeschlossenen Personen war weiblich, und der Großteil wohnte in der Stadt.

Diabetesentwicklung

Die Prävalenz von Diabetes stieg im Beobachtungszeitraum deutlich an. Lag sie zu Beginn bei 3,1% (57.560), so waren zum Ende 9,0% (92.426) der Menschen betroffen.

Auch das diabetesassoziierte Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse veränderte sich. In der 1994-Kohorte war Diabetes mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse assoziiert mit 28,4 pro 1.000 Personenjahren bei Diabetespatienten und gerade einmal 12,7 pro 1.000 Personenjahren in der gesunden Kontrollgruppe. Der absolute Risikoanstieg betrug 4,4% (95%-Konfidenzintervall [KI] 4,2% bis 4,5%), das relative Risiko lag bei 2,06 (95%-KI 2,02 bis 2,10). Damit war es ähnlich dem durch vorbestehende Herz-Kreislauf-Erkrankungen entstandenen Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse mit 36,1 pro 1.000 Personenjahren. Der absolute Risikoanstieg betrug hier 5,1% (95%-KI 4,9% bis 5,2%), das relative Risiko 2,16 (95%-KI 2,12 bis 2,21).

Hatten Betroffene sowohl einen Diabetes als auch eine vorbestehende Herz-Kreislauf-Erkrankung, hatten sie das höchste Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse (74,0 pro 1.000 Personenjahre; absoluter Risikoanstieg 12.0% [95%-KI 11,5% bis 12,5%]; relatives Risiko 3,81 [95%-KI 3,69 bis 3,93]).

In der 2014-Kohorte war Diabetes weiterhin mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse assoziiert, wurden die Daten mit denen krankheitsfreier Menschen verglichen (14,0 vs. 8,0 pro 1.000 Personenjahren; absoluter Risikoanstieg 2,0% [95%-KI 1,9% bis 2,0%]; relatives Risiko 1,58% [95%-KI 1,56 bis 1,61]). Das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse war auch hier in der Gruppe der Menschen mit Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen am höchsten (51,3 pro 1.000 Personenjahren; absoluter Risikoanstieg 7,6% [95%-KI 7,3% bis 7,8%]; relatives Risiko 3,10 [95%-KI 3,04 bis 3,17]). Allerding sanken die Ereignisraten von der 1994-Kohort bis zur 2014-Kohorte. Das relative Risiko bei vorbestehendem Diabetes lag nur noch bei 0,49, das bei vorbestehender Herz-Kreislauf-Erkrankung bei 0,66 und das kombinierte bei 0,69. Jedoch lag auch das relative Risiko in der Kontrollgruppe bei 0,63.

Fazit

Diabetes ist mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse assoziiert. Die Schwere der Assoziation ist allerdings in den letzten dreißig Jahren gesunken, während das Risiko bei vorbestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen weiterhin stabil geblieben ist. Das bedeutet, Diabetes ist zwar weiterhin ein wichtiger kardiovaskulärer Risikofaktor, die Erkrankung ist jedoch für das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse nicht mehr äquivalent zu vorbestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das könnte möglicherweise Folge moderner und multifaktorieller Therapieansätze beim Diabetes sein.

Die vorliegende Studie hat jedoch einige Limitationen, die es unmöglich machen, genau zu sagen, warum das Risiko bei vorbestehendem Diabetes gesunken ist: Zum einen fehlen Daten dazu, wie sich andere Risikofaktoren wie beispielsweise der Blutdruck in den letzten dreißig Jahren entwickelt haben. Zum anderen geben die Daten keine Informationen zu protektiven Faktoren wie dem Einsatz von Statinen oder der Ursache der Mortalität. Dadurch lässt sich zwar der Trend beschreiben, die Ursache dafür ist jedoch unklar.

Autor:
Stand:
12.12.2022
Quelle:

Ke C. Et al. (2022): Trends in the association between diabetes and cardiovascular events, 1994-2019. JAMA. DOI: 10.1001/jama.2022.14914

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