DMP für Diabetes mellitus Typ 2

Die Wissenschaftler identifizierten vor allem für die Aspekte „Blutglukosesenkende medikamentöse Therapie“ sowie „Begleit- und Folgeerkrankungen“ Kernaussagen, die in die Überarbeitung der Anforderungsrichtlinie des Disease-Management-Programms eingehen sollten.

Disease-Management-Programm (DMP)

Hintergrund

In Deutschland waren in den Jahren 2015/2016 etwa 7,5 Millionen Menschen von Diabetes mellitus betroffen. Mehr als 95% waren an einem Diabetes mellitus Typ 2 (T2DM) erkrankt.

Disease-Management-Programme (DMPs) sind strukturierte Behandlungsprogramme für chronisch kranke Menschen, die auf den Erkenntnissen der evidenzbasierten Medizin beruhen. Im Rahmen der Programme werden vorrangig Behandlungsmethoden eingesetzt, die dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechen.

Im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) hatte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zuletzt im Jahr 2012 geprüft, ob für die Anforderungsrichtlinie des Disease-Management-Programms (DMP-A-RL) ein Aktualisierungsbedarf vorliegt.

Zielsetzung

Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, aktuelle evidenzbasierte Leitlinien zu identifizieren, deren Empfehlungen zu extrahieren, zu Kernaussagen zusammenzufassen und diejenigen Kernaussagen zu spezifizieren, die einen Aktualisierungsbedarf des bestehenden DMP Diabetes mellitus Typ 2 begründen können. Folgende Fragestellungen sollten beantwortet werden:

  • Welcher Aktualisierungsbedarf besteht für einzelne Versorgungsaspekte?
  • Zu welchen weiteren Versorgungsaspekten können Kernaussagen identifiziert werden?

Methodik

In die Untersuchung wurden spezifisch für T2DM entwickelte, evidenzbasierte Leitlinien eingeschlossen, die auf das deutsche Gesundheitssystem übertragbar sind, von Juli 2013 an publiziert wurden und gültig waren.

Die für die Fragestellung relevanten Leitlinienempfehlungen wurden extrahiert und zu Kernaussagen zusammengefasst. Die Kernaussagen wurden mit den in der DMP-A-RL enthaltenen Vorgaben inhaltlich abgeglichen und bezüglich ihrer Relevanz zur Feststellung des Aktualisierungsbedarfs beurteilt.

Die vorläufigen Ergebnisse hatte das IQWiG im Mai 2019 veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Der Vorbericht wurde im Rahmen eines Stellungnahmeverfahrens überarbeitet und als Abschlussbericht im Oktober 2019 an den Auftraggeber versandt. Die eingereichten schriftlichen Stellungnahmen wurden in einem eigenen Dokument zeitgleich mit dem Abschlussbericht [1] publiziert.

Ergebnisse

Die systematische Recherche ergab nach Titel- und Abstractscreening 189 potenziell relevante Leitliniendokumente, die im Volltext gesichtet wurden. Nach Prüfung der Einschlusskriterien konnten 37 relevante Leitlinien berücksichtigt werden. Aus diesen wurden für den Bericht Kernaussagen zu den Gliederungspunkten der DMP-A-Richtlinie generiert und 1963 Empfehlungen extrahiert.

Im Abgleich mit den Anforderungen der DMP-A-RL und basierend auf den Empfehlungsgraden der den Kernaussagen zugrunde liegenden Leitlinienempfehlungen ergab sich für den Versorgungsaspekt „Diagnostik (Eingangsdiagnose)“ kein Aktualisierungsbedarf. Für fast alle anderen Gliederungspunkte der DMP-A-RL sehen die Wissenschaftler des IQWiG Aktualisierungsbedarf. In einer Pressemitteilung [2] heben sie folgende Punkte hervor:

Aktualisierungsbedarf bei der medikamentösen Therapie

  • Trotz des Umstands, dass viele an T2DM Erkrankte Antidiabetika verordnet bekommen und mehrere behandlungspflichtige Begleiterkrankungen aufweisen, werden in den Leitlinien nur selten differenzierte Empfehlungen zum Umgang mit dem Problem der Multimedikation formuliert.
  • Aktuelle Empfehlungen lassen erkennen, dass insbesondere große Erwartungen an neuere Antidiabetika gelegt werden, deren Wirksamkeit im Hinblick auf harte Endpunkte erst teilweise belegt ist.

Aktualisierungsbedarf bei Unterzuckerungen

  • Hypoglykämien können vor allem bei älteren und gebrechlichen Patientinnen und Patienten das Sturzrisiko erhöhen und zu kognitiven Einschränkungen führen. In der DMP-A-RL ist dies bereits aufgenommen, aber noch wenig ausführlich dargestellt.
  • Nach den Leitlinien können auch bei Patienten mit T2DM mit sehr schwer kontrollierbaren Blutzuckerspiegeln technische Hilfsmittel zur Kontrolle und Regulierung des Blutzuckerspiegels, beispielsweise ein kontinuierliches Glukosemonitoring (CGM), empfohlen werden.

Aktualisierungsbedarf bei Begleit- und Folgeerkrankungen

  • Drei der vom IQWiG untersuchten internationalen Leitlinien empfehlen ein regelmäßiges Screening von Patienten mit T2D auf Depressionen.
  • Im Hinblick auf das Ziel der Vermeidung von Fußamputationen ist bei infizierten Fußwunden eine gezielte antibiotische Therapie sinnvoll.

Aktualisierungsbedarf bei Schulungen

  • Schulungen sollen an die Bedürfnisse, Lebenslagen und insbesondere an die kognitive Leistungsfähigkeit der älteren Menschen mit Diabetes angepasst sein.
  • Das schließt fortlaufende Schulungen zum Selbstmanagement ein, die geeignet sind, den HbA1c-Wert zu verbessern und ungeplante Klinikeinweisungen zu reduzieren, einschließlich Versorgung der Füße.

Ergänzende Themen und Empfehlungen

Ergänzend wurden Empfehlungen zu folgenden Themen, die bisher nicht in der DMP-A-RL angesprochen werden, identifiziert und Kernaussagen dazu in den Bericht aufgenommen:

  • Impfungen
  • obstruktive Schlafapnoe
  • sexuelle Dysfunktion
  • Tumorerkrankungen
  • Pflege

Fazit

Im Rahmen der systematischen Recherche wurden 189 potenziell relevante Dokumente im Volltext gesichtet. Aus 37 relevanten Leitlinien wurden 1963 Empfehlungen extrahiert und mit in der DMP-A-RL enthaltenen Vorgaben inhaltlich abgeglichen.

Aus dem Abschlussbericht ergibt sich, dass fast alle Aspekte des DMP überarbeitet werden sollten oder könnten. Es wurden ergänzende Themen und Empfehlungen identifiziert.

Quelle:
  1. IQWiG (2019) [V18-01] Leitliniensynopse für das DMP Diabetes mellitus Typ 2
  2. IQWiG, Pressemeldung, 05.12.2019
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