
Hintergrund
Hypoglykämie ist das größte Hindernis für eine strikte Blutzuckerkontrolle und eine der Hauptursachen für Ängste bezüglich der Insulinbehandlung bei Patienten. Die Entwicklung neuerer Basalinsuline zielt darauf ab, länger wirkendes Insulin mit geringerer Variabilität des Blutzuckers bereitzustellen.
Tresiba ist ein langwirksames Basalinsulin, das Insulin degludec enthält. Das Präparat war von NovoNordisk vom Markt genommen worden und ist in Deutschland seit Ende 2018 wieder auf dem Markt.
Zielsetzung
Ein Wissenschaftlerteam mit Professor Michael Feher, Prüfarzt in der praxisnahen nichtinterventionellen ReFLeCT-Studie in Großbritannien und beratender Arzt am Chelsea und Westminster Hospital, untersuchte die Sicherheit und die Wirksamkeit von Tresiba in der Routineversorgung. Die Ärzte dokumentierten dazu Hypoglykämien und unerwünschte Ereignisse sowie HbA1c- und Nüchternblutglukosewerte.
Zudem berichteten die Patienten mithilfe standardisierter Fragebogen über die Therapieergebnisse, einschließlich der Behandlungszufriedenheit und anderer Aspekte des täglichen Lebens bei der Behandlung ihres Diabetes mellitus [1,2].
Methodik
Im Rahmen der zwölfmonatigen, multizentrischen, prospektiven, nichtinterventionellen Studie beobachteten die Forscher an etwa 220 Standorten in Europa die Sicherheit und Wirksamkeit einer Gabe von Tresiba 100 Einheiten/ml oder Tresiba 200 Einheiten/ml einmal täglich nach Umstellung von einem anderen Basalinsulin.
In die Studie konnten Patienten mit Typ-1- (T1DM) oder Typ-2-Diabetes mellitus (T2DM) eingeschlossen werden, bei denen der betreuende Arzt beschlossen hatte, eine Behandlung mit Tresiba zu beginnen. Die Patienten durften weitere Antidiabetika gemäß der lokalen Anwendungsempfehlungen einsetzen.
Patienten mit T1DM und T2DM, die mit Insulin behandelt wurden, sollten mindestens vier Wochen vor und maximal zwölf Monate nach dem Umstieg auf Tresiba gemäß üblicher ärztlicher Praxis beobachtet werden. Außerdem wurden die Patienten gebeten, ein Studientagebuch zu führen und Fragebögen auszufüllen.
Ergebnisse
In die Studie wurden 556 Patienten mit T1DM und 611 Patienten mit T2DM im mittleren Alter von 47,4 und 65,2 Jahren eingeschlossen. Die Ausgangswerte des HbA1c lagen bei 8,1% und 8,2%.
Bei den Patienten mit T1DM zeigten sich während der zwölfmonatigen Nachbeobachtungsphase im Vergleich zum Ausgangswert vor der Umstellung auf Tresiba signifikant niedrigere Raten für Hypoglykämien insgesamt (Ratenverhältnis 0,80), für nicht schwerwiegende Hypoglykämien (0,81), für schwerwiegende Hypoglykämien (0,28) und für nächtliche Hypoglykämien (0,61).
Ein günstiges Ratenverhältnis wurde auch für Patienten mit T2DM ermittelt: für Hypoglykämien insgesamt (Ratenverhältnis 0,46), für nicht schwerwiegende Hypoglykämien (0,46) und für nächtliche Hypoglykämien (0,35). Das Ratenverhältnis für schwerwiegende Hypoglykämien konnte wegen der geringen Fallzahlen nicht bestimmt werden.
Innerhalb der Beobachtungsphase sanken bei Patienten mit T1DM die HbA1c- und Nüchternblutglukosewerte sowie die Dosis des Basalinsulins signifikant um –0,15%, –0,54 mmol/l und –2,21 Einheiten/Tag. Bei Patienten mit T2D sanken ebenfalls die HbA1c- und Nüchternblutglukosewerte signifikant um –0,32% und –0,84 mmol/l, während der Bedarf an Basalinsulin unverändert blieb.
Fazit
Die Umstellung von anderen basalen Insulinen auf Tresiba (Insulin degludec) reduzierte in der klinischen Routine sowohl bei Patienten mit T1DM als auch mit T2DM die Hypoglykämieraten signifikant und verbesserte die Blutzuckerkontrolle. Bei Patienten mit Typ-1-Diabetes sank auch die Basalinsulindosis, schließen die Autoren aus Daten der ReFLeCT-Studie.
Das klinische Studienprogramm hatte eine ähnliche glykämische Kontrolle unter Insulin degludec im Vergleich zu anderen Basalinsulinen gezeigt. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat 2019 anhand einer vom Hersteller vorgelegten verwertbaren Studie geprüft, ob Insulin degludec für Personen mit T2DM im Vergleich zu den Standardtherapien Vor- oder Nachteile hat [3].
Das IQWiG stellte fest: Es zeigten sich weder Vor- noch Nachteile von Insulin degludec im Vergleich zu Insulin glargin. Für erwachsene Patientinnen und Patienten mit T2DM, die durch die Behandlung mit Insulin, mit oder ohne ein anderes blutzuckersenkendes Arzneimittel, nicht ausreichend kontrolliert sind, gibt es keinen Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen von Insulin degludec + Insulin aspart ± Metformin gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Die beschriebene Einschätzung weicht von der des pharmazeutischen Unternehmers ab, der für diese Fragestellung einen Hinweis auf einen beträchtlichen Zusatznutzen beansprucht.
Die nichtinterventionelle ReFLeCT-Studie wurde von Novo Nordisk finanziert und ist unter der Nummer NCT02392117 bei ClinicalTrials.gov registriert.