
Personen mit Diabetes mellitus Typ 2 und Adipositas zählen zu den Risikogruppen für eine COVID-19-Erkrankung. Schwere Verläufe werden durch einen Zytokinsturm (Zytokin-Freisetzungssyndrom, CRS) verursacht, eine systemische Entzündungsreaktion, die mitunter tödlich verlaufen kann. Dabei spielen Makrophagen eine tragende Rolle, die als Teil der angeborenen Immunabwehr die Zytokine freisetzen. In einer amerikanischen Studie wurde nun eine mögliche Ursache dafür gefunden, warum Typ-2-Diabetiker häufiger an schwerem COVID-19 erkranken. Eine verminderte Bildung des Chromatin-modifizierenden Enzyms SETDB2 scheint zur verstärkten Expression proinflammatorischer Zytokine zu führen. Die Forschenden konnten bereits in früheren Untersuchungen zeigen, dass dieses Enzym in Diabetespatienten stärker reduziert ist. Eine Infektion mit SARS-CoV-2 könnte folglich die bereits verminderte SETDB2-Produktion eines Typ-2-Diabetikers weiter senken.
Mechanismus der Immunmodulation durch SETDB2
Die epigenetische Regulierung der Genexpression spielt eine wichtige Rolle für die Funktion von Immunzellen, indem sie die nachgeschalteten Proteinexpressionsmuster steuert. In Makrophagen regulieren Histonmodifikationen das Immunprofil und die Zytokinexpression als Antwort auf Verletzungen oder Infektionen. Histone dienen unter anderem der Kompaktierung der DNA. Durch Verschieben oder Lösen der Histone wird die Zugänglichkeit der DNA und damit die Genexpression reguliert. SETDB2 ist eine Histon-Methlytransferase, die durch Trimethlyierung von Histon 3 Lysin 9 (H3K9me3) zur Chromatin-Kondensation führt und so die Bindung von Transkriptionsfaktoren wie NFκB an die DNA blockiert. Daher kann eine verminderte Expression von SETDB2 zu einer erhöhten Expression proinflammatorischer Zytokine führen.
Coronavirus verringert SETDB2-Expression
Die Faktoren, die bei COVID-19 einen hyperinflammatorischen Zytokinsturm durch Makrophagen auslösen, sind noch nicht vollständig geklärt. Möglicherweise handelt es sich dabei um eine fehlerhafte Interferon-Antwort oder um spezifische Begleiterkrankungen des Patienten, die die Reaktionsfähigkeit der Makrophagen auf SARS-CoV-2 verändern. Auch der Grund aus dem Typ-2-Diabetiker öfter einen inflamatorischen Zytokinsturm entwicklen, ist bisher unklar.
Ein Forscherteam um Katherine Gallagher der Universität von Michigan in Ann Arbor hat daher den möglichen Einfluss von SETDB2 bei Diabetes und COVID-19 anhand von peripheren Monozyten und Seren menschlicher Patienten mit Coronavirus-Infektion und einem murinen SARS-Modell untersucht. Durch eine Infektion mit dem murinen Hepatitis-Virus A59 (MHV-A59), das zu den Coronaviren zählt, kann bei Mäusen ein Zytokinsturm ausgelöst werden. Die Forschenden kamen bei ihren Untersuchungen zu den folgenden Ergebnissen.
- Das murine Coronavirus reduzierte die SETDB2-Expression wodurch die Entzündungsreaktion gesteigert wurde
- In Makrophagen von Mäusen mit SETDB2-Deletion war die pathologische Entzündungsreaktion aufgrund der Coronavirus-Infektion verstärkt
- Der Verlust von SETDB2 in diabetischen Makrophagen führte ebenfalls zu einer verstärken Entzündungsreaktion
- Die inflammatorische Zytokinproduktion in diabetischen Makrophagen konnte mit IFNβ durch Hochregulierung von SETDB2/H3K9me3 an Promotoren von Entzündungsgenen umgekehrt werden
- Die IFNβ-Level waren in COVID-19-Patienten mit zusätzlichem Typ-2-Diabetes sowie in diabetischen murinen Makrophagen verringert im Vergleich zu Patienten ohne Diabetes
- SETDB2 wird in Makrophagen über Interferon beta (IFNβ) über den JAK/STAT-Signalweg reguliert
Interferon beta doch mögliche Therapieoption
Die Studienautoren erklären, dass die Ergebnisse zusammen genommen einen potenziellen Mechanismus für den erhöhten Makrophagen-vermittelten Zytokinsturm bei Patienten mit Typ-2-Diabetes als Reaktion auf COVID-19 beschreiben könnten. Weiterhin deuteten die Erkenntnisse darauf hin, dass die Anwendung von IFNβ bzw. ein Eingriff in den entsprechenden Signalweg bei Diabetes-Patienten die mit COVID-19 verbundene pathologische Entzündung verringern könnte.
In der Solidarity-Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeigte sich kein Einfluss von Interferon auf den Verlauf von COVID-19. Die Wirkung von IFN sei bei COVID-19-Patienten laut der Autoren aber vermutlich abhängig von Kinetik sowie zell- und patientenspezifischen Faktoren, wie Typ-2-Diabetes. In der vorliegenden Studie wurden die Makrophagen drei bis sieben Tage nach der Infektion untersucht, daher seien die Ergebnisse bei einer frühen Infektion wahrscheinlich klinisch am relevantesten sein und weiterführende Studien, die den klinischen Einsatz von IFNβ zu einem frühen Zeitpunkt der Infektion und unter Verwendung von zellspezifischem Targeting untersuchen, wünschenswert.