Neuartige Erreger ursächlich für Darmkrebs

Ein neuartiger infektiöser Erreger in Rinderseren und Milchprodukten führt zu Entzündungen im Darm und erhöhten Konzentrationen an Sauerstoffradikalen. Die Nähe zu Stammzellen kann ursächlich für die Entstehung von Darmkrebs sein, wie eine wissenschaftliche Studie zeigt.

Rinderherde

Hintergrund

Virale und bakterielle Infektionen sowie die Zusammensetzung des Mikrobioms spielen eine Rolle bei der Entstehung von Darmkrebs. So weiß man heute, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Konsum von Rindfleisch bzw. Milchprodukten und dem Auftreten von Darmkrebs gibt. Verantwortlich sind neuartige Erreger in Rinderseren und Milchprodukten, die ringförmige DNA-Elemente enthalten die Sequenzen bakterieller Plasmide ähneln. Sie werden als „Bovine Meat and Milk Factors“ (BMMFs) bezeichnet. BMMFs kommen vorwiegend in eurasischen Milchkühen vor und können sich in menschlichen Zellen vermehren und ein Proteinprodukt, das sogenannte Rep, exprimieren, dass für ihre Vermehrung essentiell ist. Bis heute konnten mehr als 120 verschieden BMMF-Genome aus Rinderseren, Milch und Milchprodukten isoliert werden. Die Grundlage wie diese BMMFs zur Entstehung von Darmkrebs beitragen war bislang noch unklar.

Zielsetzung

Die vorliegende wissenschaftliche Studie untersucht die Rolle von BMMFs bei der Entstehung von Darmkrebs, indem sie die Präsenz von spezifischen BMMFs und Rep-Proteinen in entzündlichen Foci von peritumoralen interstitiellen Zellen des Kolons beschreibt.

Methodik

Der Nachweis der BMMFs als infektiöser Erreger in Darmkrebs-Gewebeproben erfolgte mittels Immunhistochemie. Die verwendeten Antikörper zur Färbung der Gewebeschnitte waren gegen Rep-Proteine gerichtet. Die Isolation von DNA erfolgte mittels Laser-Mikrodissektion von immunhistochemisch positiv-gefärbtem Geweben.

Ergebnisse

Nachweis von BMMF-Antigenen in Darmkrebsgewebe

In insgesamt 15 von 16 Darmkrebs-Gewebeproben konnten BMMFs erfolgreich mittels Western Blot und Immunhistochemie nachgewiesen werden. Dabei enthielten nicht die Tumorzellen selbst das Rep-Protein sondern Zellen des peripheren Tumorgewebes. Rep-Proteine zeigten sich insbesondere in der Lamina propria, der unteren Darmschleimhaut gelegenen Bindegewebsschicht und dort in der Umgebung von Darmkrypten. Die BMMF-DNA Isolation aus diesen Zellen zeigte, dass die vorkommenden BMMFs eng mit den aus Milchproben isolierten Erregern verwandt waren.

Zusammenhang zwischen der Anwesenheit von BMMFs und Darmkrebs

CD68+ Makrophagen sind ein Indiz für chronische Entzündungen im Darm. Diese konnten in direkter Umgebung der Tumore nachgewiesen werden und überlappten sich mit dem Signal für Rep-Proteine in Gewebeschnitten. Eine Doppelfärbung CD68+/Rep+ Zellen konnte in 1,7% interstitieller Zellen von gesunden Probanden nachgewiesen werden (4,8% aller CD68+ Zellen), während es 7,3% bei Darmkrebspatienten waren (14,7% aller CD68+-Zellen). Die Entzündungen waren in direkter Umgebung zu Darmkrypten lokalisiert.

Ein weiterer Hinweis für den Zusammenhang entzündlicher Prozesse durch BMMFs und Darmkrebs zeigte sich in erhöhten Konzentrationen an reaktiven Sauerstoffverbindungen in der Umgebung von Rep-positiven Zellen, da Sauerstoffradikale die Entstehung von Mutationen begünstigen. Die Färbung von Ki67+ Zellen (Nachweis stark proliferierender Zellen) zeigte, dass die Stammzellen in den Darmkrypten und die Entzündungen nahe beieinander lokalisiert sind. Die Nähe von Stammzellen und Entzündungen können Mutation von Vorläuferzellen fördern, was das Risiko der Krebsentstehung erhöht.

Fazit

Die Ergebnisse dieser wissenschaftlichen Studie lassen darauf schließen, dass BMMFs als indirekte Krebserreger fungieren. Somit könnte der Konsum von Milch und Rindfleisch ursächlich in Zusammenhang mit der Entwicklung von Darmkrebs stehen. Gleichzeitig stellt dieser Mechanismus eine Möglichkeit der frühzeitigen, präventiven Intervention dar, da ein frühzeitiger Nachweis von BMMFs Patienten identifizieren kann, die eine Darmkrebsvorsorge frühzeitig beginnen sollten.

Weiterhin könnte dieses Konzept vielversprechend für das Verständnis anderer Krebsarten und Krankheiten sein, die bisher mit dem Verzehr von Fleisch und Milchprodukten in Verbindung gebracht wurden. Hierbei sollte insbesondere an Brust-, Prostata- und Lungenkrebs gedacht werden.

Autor:
Stand:
14.04.2021
Quelle:
  1. Bund T. et al. (2021): Analysis of chronic inflammatory lesions of the colon for BMMF Rep antigen expression and CD68 macrophage interactions. PNAS; DOI: 10.1073/pnas.2025830118
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