Die postpartale Depression (PPD) ist nicht das Gleiche wie der „Baby Blues“, auch wenn beides häufig unter dem Begriff „Wochenbettdepression“ subsumiert wird. Unter „Post partum blues“ versteht man die Stimmungsschwankungen in den ersten Tagen nach der Entbindung, die 50-80% aller frischgebackenen Mütter durchleben. Doch auch die echte postpartale Depression, die meist abrupt innerhalb eines Monats nach der Entbindung beginnt, ist nicht so selten: ihre Prävalenz wird auf 1–2 pro 1.000 geschätzt [1].
Die Hälfte der PPD beginnen bereits in der Schwangerschaft
Übrigens: die Bezeichnung „postpartal“ ist etwas irreführend, denn bei etwa der Hälfte der Betroffenen beginnen die Depressionen schon während der Schwangerschaft. Allerdings handelt es sich bei antepartalen Depressionen häufiger um Rezidive früherer Episoden, während postpartale Depressionen vermehrt Ersterkrankungen darstellen.
Ohne Behandlung kann Suizid drohen
Unabhängig vom Beginn der Depression, müssen die Mütter behandelt werden, um schwerwiegende Folgen der Erkrankung nicht nur für sie, sondern auch das Kind abzuwenden. Denn sowohl bei der antepartalen Depression als auch bei der postpartalen Form drohen dem Kind Wachstumsstörungen und Entwicklungsverzögerungen. Depressionen nach der Geburt können für das Kind Vernachlässigung, eine verzögerte Entwicklung und Verhaltensstörungen bedeuten. Die schlimmste Konsequenz wäre der erweiterte Suizid - d.h. die Mutter nimmt ihr Kind mit in den Tod.
Bisher waren die Therapieoptionen unbefriedigend. Das liegt auch daran, dass randomisierte-kontrollierte Studien in der Peripartalzeit aus ethischen Gründen nicht durchgeführt werden können. Noch am besten untersucht sind Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und Trizyklika.
Im Fokus: Allopregnanolon-Analogon Brexanolon
Auf der Suche nach besonders für die postpartale Depression geeigneten Pharmaka haben US-amerikanische Wissenschaftler auch den endogenen Botenstoff Allopregnanolon ins Visier genommen. Denn verminderte Allopregnanolon-Spiegel sollen unter anderen in Zusammenhang mit der Entstehung von Depression stehen. Also testeten die Forscher, ob sich mit einer Zufuhr von Allopregnanolon die Depression bessern lasse. Dazu benutzen sie Brexanolon, das chemisch dem endogenen Allopregnanolon – einem Metaboliten des Progesteron – entspricht. Wie genau das funktioniert, ist noch nicht vollständig geklärt. Offenbar hat Allopregnanolon Einfluss auf die GABA (Gamma-Amino-Butter-Säure)-Rezeptoren. Es gilt als potenter positiver allosterischer Modulator am GABAA-Rezeptor.
Mit Brexanolon signifikant weniger Depression
Die Tests waren so erfolgreich, dass klinische Studien aufgelegt werden konnten, die letztlich zur Zulassung durch die FDA (amerikanische Zulassungsbehörde Food and Drug Administration) geführt haben [2].
In den zwei randomisierten Zulassungsstudien – Studie 1, 138 Probanden mit schwerer PPD, Studie 2, 108 Probanden mit moderater PPD – erhielten die Teilnehmerinnen entweder eine Infusion mit Brexanolon über 60 Stunden oder ein Placebo-Infusion. Die Patientinnen wurden während der zweieinhalb Tage dauernden Infusion überwacht und noch 30 Tage danach begleitet. Ergebnis: die Brexanolon-Infusionen verbesserten den Score in der Hamilton-Depressions-Skala signifikant im Vergleich zu Placebo [3].
Risiko Bewusstlosigkeit
Jedoch keine Wirkung ohne Nebenwirkung. Die Nebenwirkungen waren während der Infusionsphase erheblich: Es kam zu exzessiver Sedierung und plötzlichem Bewusstseinsverlust. Daher hat die FDA die Zulassung von Brexanolon (Handelsname Zulresso®, Hersteller Sage Therapeutics) nur unter strengen Auflagen erteilt [2]. So müssen die Patientinnen während der 2,5 Tage dauernden Infusionszeit in entsprechend zertifizierten Einrichtungen streng überwacht werden. Dabei geht es um die Vigilanz-Kontrolle und auch um eine dauerhafte Überwachung des Sauerstoffgehalts im Blut. Während dieses Zeitraums dürfen sich die Patientinnen auch nur unter Beobachtung mit ihren Kindern beschäftigen.
Auflagen für die Verordnung
Einfach verordnen kann man die Brexanolon-Infusionen auch nicht. Die FDA hat Zulresso® nur mit einer „Risk Evaluation and Mitigation Strategy“ (REMS) zugelassen. Zudem ist Brexanolon nur innerhalb eines begrenzten Verteilungsprogrammes an zertifizierten Einrichtungen erhältlich: dem „Zulresso REMS Program“. Nur Patientinnen, die sich in den USA für dieses Programm registrieren lassen, darf Brexanolon verabreicht werden.