
Harndrang und Schmerzen beim Wasserlassen − da erscheint die Sache klar: Zystitis. Wenn die Symptome trotz Antibiotika nicht zurückgehen und immer häufiger auftreten, lautet die Diagnose „Psychogene Reizblase“. Helfen auch hier die üblichen Medikamente nicht, fängt für die meist weiblichen Patienten eine Ärzte-Odyssee an.
Im Schnitt vergehen neun Jahre, viele schmerzhafte Blasenspiegelungen und der Besuch bei 20 verschiedenen Ärzten bis zur Diagnose Interstitielle Zystitis (IC), so Professor Dr. Andreas Wiedemann, Chefarzt der Klinik für Urologie im Evangelischen Krankenhaus Witten und Inhaber eines Lehrstuhls für Geriatrie an der Universität Witten/Herdecke. Seine Klinik wurde jetzt zusammen mit der Gynäkologie und der Neurologie des Schwesterkrankenhauses in Herne als Zentrum für Interstitielle Zystitis und Beckenschmerz zertifiziert. Sie ist erst die neunte Einrichtung im deutschsprachigen Raum, die die hohen Anforderungen des Vereins ICA Deutschland – Förderverein für Interstitielle Zystitis erfüllt [1].
Ursachen der IC nicht geklärt
Die Interstitielle Zystitis ist eine Autoimmunerkrankung, die Ursachen sind ungeklärt. Offenbar spielt die Schleimhaut der Harnblase eine wichtige Rolle in der Pathogenese. Man vermutet, dass die schützende Glykosaminoglykan-(GAG)-Schicht auf dem Urothel defekt ist. So können aggressive Säure-Ionen und Nahrungsbestandteile, die sich im Urin befinden, in die Blasenwand eindringen und dort chronische Entzündungsprozesse anstoßen. Vor allem das Eindringen von Kalium in das Interstitium der Harnblase durch das defekte Urothel führt zu den oben genannten Symptomen der IC [2].
Hohe Dunkelziffer
Deutschlandweit sind pro Jahr etwa 25.000 Menschen betroffen, vor allem Frauen zwischen 40 und 50 Jahren. Frauen erkranken neun Mal häufiger als Männer. Die Prävalenz für weibliche Patienten liegt bei 52-500/100.000 und die für männliche Patienten bei 8-41/100.000. In Deutschland ist die IC/BPS eine selten diagnostizierte Erkrankung, von einer hohen Dunkelziffer ist allerdings auszugehen.
Der IC auf der Spur
Zentrale Untersuchung zur sicheren Diagnostik sei eine spezielle Blasenspiegelung, bei der die Blase überdehnt wird, berichtet Wiedmann. Beim Ablassen des Füllmediums bricht die Blasenschleimhaut auf und es kommt zu Blutungen aus der sonst gesunden Blasenwand, Mucosal cracking genannt. Außerdem werden bei diesem Eingriff Gewebeproben aus der Harnblase entnommen, die vom Pathologen speziell untersucht werden.
Vielfältige Therapiestrategien
„Wir kombinieren beispielsweise morphinhaltige Schmerzmittel, bestimmte Antidepressiva und Pentosanpolysulfat. Dieser Wirkstoff stellt die Isolationsschicht der Blasenschleimhaut wieder her und schützt sie vor schädlichen Urinbestandteilen“, erläutert Wiedmann die Therapiemöglichkeiten. Auch eine spezielle Diät kann Linderung verschaffen, da beispielsweise Gewürze die Blasenwand reizen können. Wenn diese Maßnahmen nicht ausreichen, kommen weitere Verfahren zur Anwendung, die auch bei der Behandlung der Harninkontinenz eingesetzt werden. Dazu gehören die Injektion von Botulinum-Toxin in die Blase, Reizstrom und die sakrale Neuromodulation.