Zystitis ist eine Entzündung der Harnblase und gehört zu den Infektionen der unteren Harnwege. Frauen leiden aufgrund der anatomischen Verhältnisse häufiger darunter. Leitsymptome der Zystitis sind Miktionsbeschwerden wie Algurie, Dysurie, Nykturie und Pollakisurie.
Zystitis ist eine entzündliche Erkrankung der Harnblase. Sie zählt wie die Urethritis (Harnröhrenentzündung) und Urozystitis (gemeinsame Entzündung von Harnblase und Harnröhre) zu den Infektionen der ableitenden Harnwege bzw. unteren Harnwegsinfektionen. Als obere Harnwegsinfektion wird die Pyelonephritis bezeichnet.
Frauen sind aufgrund der unmittelbaren Nähe von Harnröhreneingang und Analregion eher prädestiniert, an einer Zystitis zu erkranken. Ursächlich werden die bakterielle und abakterielle Form unterschieden, eine Sonderform stellt die interstitielle Zystitis dar. Zu den klinischen Symptomen zählen imperativer Harndrang mit Pollakisurie, Dysurie, Algurie, Nykturie, Hämaturie, Dranginkontinenz und Blasentenesmen. Daneben gibt es noch die asymptomatische Bakteriurie. Der ältere Begriff der asymptomatischen Harnwegsinfektion gilt heute als obsolet. Eine Zystitis kann als unkomplizierte, komplizierte und rezidivierende Harnwegsinfektion verlaufen. Die Diagnose erfolgt über einen Urinstreifentest des Mittelstrahlurins sowie einem Urinsediment. Bei komplizierten Verläufen kommen sonographische Verfahren zum Einsatz. Die Therapie der Zystitis richtet sich nach der Ursache. Eine unkomplizierte Blasenentzündung heilt in der Regel folgenlos aus.
Epidemiologie
In der Mehrzahl der Fälle erkranken Frauen an einer Zystitis. Männer sind aufgrund der anatomischen Verhältnisse wie der längeren Harnröhre und der fehlenden unmittelbaren Nähe von Anal- und Genitalregion seltener davon betroffen. Patienten mit Diabetes mellitus haben insgesamt eine höhere Prävalenz für eine Zystitis als Patienten ohne diese Stoffwechselerkrankung.
Zystitis ist einer der häufigsten Gründe für einen Arztbesuch. Viele Frauen warten jedoch ab, bis die Blasenentzündung von selbst wieder vergeht. Deshalb fehlen auch verlässliche empirische Zahlen zur Krankheitshäufigkeit. Das Universitätsklinikum Münster geht davon aus, dass jede zweite Frau einmal in ihrem Leben an einer unkomplizierten Harnwegsinfektion erkrankt. Etwa 5 Prozent der Frauen haben eine asymptomatische Bakteriurie.
Einen Einblick über Zystitisfälle in Deutschland gibt eine Routinedatenanalyse für die Versicherten der Barmer GEK Krankenkasse. Insgesamt wurde 2012 bei 8,7 Prozent und 2013 bei 9 Prozent aller Frauen ab zwölf Jahren eine akute Zystitis/Harnwegsinfektion diagnostiziert. Die Häufigkeit unterscheidet sich je nach Altersgruppen. Mit zunehmendem Alter steigt auch die Prävalenz von Harnwegsinfektionen. Die höchsten Erkrankungsraten sind bei den über 80-Jährigen zu verzeichnen. Das kann bei Frauen auf die durch Östrogenmangel bedingten Schleimhautveränderungen in der Postmenopause zurückgeführt werden. Bei Männern wird die zunehmende Häufigkeit mit dem alterungsbedingten Anstieg der Erkrankungsrate von benigner Prostatahyperplasie und damit verbundenen Prostatitiden und Obstruktionen erklärt.
Im Jahr 2012 erhielten 61 Prozent den Frauen mit Zystitis und 56 Prozent derjenigen mit Harnwegsinfektionen, die einen Arzt aufsuchten, ein Antibiotikum. Im Folgejahr erhöhte sich diese Zahl um 3 Prozent in jeder Gruppe. Am häufigsten wurden primär – entgegen der damaligen Leitlinienempfehlung – Fluorchinolone (48 Prozent) verordnet, gefolgt von Fosfomycin und Cotrimoxazol (je 19 Prozent) sowie Nitrofurantoin (10 Prozent).
Einer prospektiven US-amerikanischen Studie zufolge liegt die Inzidenz einer Harnwegsinfektion bei Studentinnen in den USA bei 0,7 pro Patientin und Jahr. Bei krankenversicherten Frauen in der Prämenopause (HMO) beträgt die Inzidenz 0,5 pro Patientin und Jahr. Kohorten- und Fallkontrollstudien ergeben, dass das Infektionsrisiko bei jungen Frauen von einem zeitnahen Geschlechtsverkehr, dem Gebrauch von Diaphragmen und Spermiziden, von Harnwegsinfektionen in der Anamnese, einem jugendlichen Alter bei der ersten Harnwegsinfektion und Harnwegsinfektionen in der Familienanamnese abhängt. Durchschnittlich haben Patientinnen mit einer akuten unkomplizierten Zystitis 6,1 Tage klinische Symptome. Davon sind sie 2,4 Tage nur eingeschränkt aktiv, können 1,2 Tage weder einen Unterricht besuchen noch ihrer Arbeit nachgehen und müssen 0,4 Tage im Bett bzw. liegend verbringen.
Ursachen
Eine Zystitis wird in der Mehrzahl der Fälle durch bakterielle Erreger verursacht. Meist gehören die Bakterien der physiologischen Darmflora an. Dazu gehören vor allem Escherichia coli (bis zu 95 Prozent), Proteus mirabilis, Neisserien und Klebsiellen. Als weitere bakterielle Erreger kommen Enterokokken, Staphylokokken und Ureaplasma urealyticum in Frage. Bei Männern, vor allem bei Jüngeren, sind zuweilen Mykoplasmen und Chlamydien als für die Zystitis ursächlichen Erreger nachzuweisen.
Selten werden Zystitiden auch durch Hefen (vor allem Candida) oder Viren verursacht. Insbesondere bei Kindern können Adenoviren der Grund für eine Zystitis sein.
Zu den nichtinfektiösen Ursachen einer Zystitis zählen radiogene Einflüsse (Strahlenzystitis), chemische Reize (zum Beispiel Zytostatika wie Cyclophosphamid) und mechanische Irritationen.
Risikofaktoren
Zu den prädisponierenden Faktoren für die Entstehung einer Zystitis gehören vor allem:
Obstruktive Harnabflussstörungen im Bereich der Harnblase wie Urethrastriktur, Prostatahyperplasie, Urolithiasis oder Blasentumore
Katheterisierung, vor allem Blasenverweilkatheter (häufigste nosokomiale Harnwegsinfektion)
Instrumentierung wie Zystoskopie und Miktionszystourethrographie
Risikofaktoren komplizierter Harnwegsinfektion
Patienten mit besonderen Risikofaktoren sind prädestiniert für kompliziert verlaufende Harnwegsinfekte. Dazu zählen Schwangere, Kinder und Männer mit folgenden anatomischen und funktionellen Veränderungen:
Intraoperative und postoperative Situationen mit anatomischen Veränderungen
Einbringen von Fremdkörpern wie Nephrostomie, Harnleiterschienen und Harnblasenkatheter
Pathogenese
Eine Zystitis entsteht in der Regel als aszendierende Infektion aus der Urethra. In den meisten Fällen (> 80 Prozent) ist sie bakteriell verursacht. Die Erreger stammen zumeist aus dem fäkalen Reservoir. Die pathogenen Mikroorganismen lagern sich adhäsiv auf den Urothelzellen der epithelialen Grenzmembran an. Diese Kolonisation verursacht entzündliche Prozesse, die zu einer Schädigung der Epithelzellen und der darunter liegenden Zellverbände führt. Die Internalisierung der Erreger wird von Toxinen unterstützt, die von den Bakterien selbst gebildet werden. Bei Bakterien aus uropathogenen E. coli-Stämmen sind das zum Beispiel alpha-Hämolysin, der zytotoxisch nekrotisierende Faktor CNF1 und Serinproteasen. Zu den unspezifischen Bakterientoxinen zählen Endotoxin A, Proteasen und Ureasen. Alle Toxine haben gemeinsam, Gewebeschädigungen zu verursachen. Damit ermöglichen sie den Bakterien, Grenzbarrieren wie das Urothel zu überwinden und die zelluläre Immunantwort abzuwehren. Durch Adhäsine bleiben die Keime eng an ihre Wirtszelle gebunden, so dass die gebildeten Toxine diese direkt schädigen können. Diese enge Anhaftung verhindert auch, dass Bakterien mit dem Harn ausgeschieden werden. Bakterielle Flagellen begünstigen die Motilität der Erreger und ermöglichen ihnen von der Harnblase über die Harnleiter zu den Nieren aufzusteigen. Darüber hinaus sind deszendierende Infektionen möglich. Dabei breiten sich Infektionen der Nieren, zum Beispiel eine Pyelonephritis, über die Harnleiter auf die Harnblase aus.
Zystitis in der Schwangerschaft
Etwa 1 bis 2 Prozent aller Schwangeren leiden an einer symptomatischen bakteriellen Zystitis. Die auslösenden Erreger sowie die Empfindlichkeits- und Resistenzraten ähneln denen bei nicht-schwangeren prämenopausalen Frauen ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen.
In der Schwangerschaft wird eine Zystitis durch die anatomischen und physiologischen Veränderungen von Nieren und Harntrakt begünstigt. Beispielsweise nehmen die Nierendurchblutung und die glomeruläre Filtrationsrate um etwa 30 bis 40 Prozent zu. Der so verdünnte Urin beinhaltet weniger infektionshemmende Substanzen. Darüber hinaus scheint sowohl die Gefahr einer Erregeraszension durch einen verminderten urethralen Tonus als auch die mechanische Obstruktion durch den wachsenden Uterus die Zystitisrate zu fördern. Die Harnleiter erweitern sich oberhalb des kleinen Beckens (rechts mehr als links) und hemmen somit den Urinabfluss im Bereich der oberen Harnwege.
Individuelle Risikofaktoren, die eine symptomatische Harnwegsinfektion in der Schwangerschaft begünstigen, sind:
Harnwegsinfektionen in der Anamnese
Chlamydieninfektion in der Anamnese
Sichelzellanämie
Adipositas
Niedriger Sozial- und Ausbildungsstatus
Zystitis in der Postmenopause
In der Postmenopause sinkt die Östrogenproduktion. Das ist oft mit einer vaginalen Schleimhautatrophie assoziiert. Zudem verändern sich der pH-Wert und der Gehalt an Laktobazillen. Das führt zu einer vermehrten Besiedelung der Scheide mit Enterobacteriaceae und Anaerobiern – und somit zu Harnwegsinfektionen.
Einer amerikanischen epidemiologischen Studie zufolge ist bei postmenopausalen Frauen ohne Diabetes mit 6,7 Episoden einer Harnwegsinfektion pro 100 Personenjahre zu rechnen.
Die Prävalenz der asymptomatischen Bakteriurie liegt bei Frauen über 70 Jahren zwischen 16 und 50 Prozent. Bei bis zu einem Drittel der postmenopausalen Frauen verschwindet eine asymptomatische Bakteriurie spontan.
Zystitis bei jungen Männern
Eine Zystitis bei jungen Männern ist häufig mit Veränderungen der Prostata als parenchymatöses Organ assoziiert. Deshalb werden Blasenentzündungen bei Männern in der Regel auch als komplizierte Harnwegsinfektionen eingestuft, insbesondere bei älteren Männern. Bei jüngeren Männern gibt es gelegentlich akute Episoden unkomplizierter Harnwegsinfektionen. Dennoch müssen Harnwegsinfektionen bei Männern immer differenziert abgeklärt werden.
Einer älteren norwegischen Studie zufolge ist von einer Rate von 6 bis 8 Harnwegsinfektionen pro Jahr pro 10.000 Männer im Alter von 21 bis 50 Jahren auszugehen. Aktuelle holländische Registerdaten zeigen eine jährliche Inzidenz von 156 Fällen pro 10.000 Einwohner. Diese steigt im Alter (> 85 Jahre) deutlich an.
Die unterschiedliche Prävalenz von Harnwegsinfektionen bei Männern im Vergleich zu Frauen ist auf unterschiedliche Faktoren zurückzuführen. Dazu gehören beispielsweise:
Abstand des Meatus urethrae vom Anus
Trockeneres Umfeld an der Urethraöffnung
Urethralänge
Antibakterielle Aktivität des Prostatasekrets
Die genauen Ursachen für eine Harnwegsinfektion bei Männern sind nicht abschließend geklärt. Als Risikofaktoren werden Geschlechtsverkehr mit einer infizierten Partnerin, Analverkehr und anatomische Veränderungen des Präputium gewertet.
Symptome
Die klassischen Symptome einer unkomplizierten Zystitis sind Dysurie, Algurie, Strangurie, imperativer Harndrang, Pollakisurie, Nykturie, Hämaturie, Dranginkontinenz, suprapubische Schmerzen und Blasentenesmen. Fieber tritt bei unkomplizierter Zystitis so gut wie nie auf und weist eher auf eine Beteiligung von Nieren oder Prostata hin.
Eine Blasen- bzw. Harnwegsinfektion wird als unkompliziert bezeichnet, wenn im Urogenitaltrakt keine relevanten funktionellen oder anatomischen Anomalien, keine relevanten Nierenfunktionsstörungen und keine relevanten Komorbiditäten vorliegen, die die Infektion selbst oder Komplikationen begünstigen.
Rezidivierende Harnwegsinfektion
Vor einer rezidivierenden Harnwegsinfektion spricht man bei einer Rezidivrate ab zwei symptomatischen Episoden innerhalb von sechs Monaten oder ab drei symptomatischen Episoden innerhalb von zwölf Monaten. In Deutschland geben etwa 3 Prozent aller prämenopausalen Frauen an, an rezidivierenden Harnwegsinfektionen zu leiden.
Die Inzidenz rezidivierender Harnwegsinfektionen beträgt bei jungen Frauen ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen etwa 1 bis 5 Prozent. In der Regel ist der Harntrakt morphologisch und funktionell unauffällig. Eine hohe Rate an Infektionsrezidiven ist nicht lebensbedrohlich. Sie kann aber den Alltag beeinträchtigen, das gilt insbesondere für körperliche Intimitäten, Sozialkontakten, Selbstwertgefühl und Arbeitsfähigkeit.
Diagnostik
Die Diagnose einer Zystitis basiert auf Anamnese, Klinik und Urinanalytik. Blutuntersuchungen und bildgebende bzw. apparative Verfahren sind bei unkomplizierter Harnwegsinfektion in der Regel nicht indiziert.
Methode der Wahl in der Urinanalytik ist die Untersuchung des Mittelstrahlurins. Unter Umständen kann dafür auch eine Blasenpunktion oder eine Einmalkatheterisierung erwogen werden – beispielsweise:
wenn Mittelstrahlurin nicht korrekt gewonnen werden kann
bei unklaren mikrobiologischen Befunden
bei einer rezidivierenden unklaren Leukozyturie
Der Urin sollte grundsätzlich vor Beginn einer antibakteriellen Therapie gewonnen werden. Für eine sachgerechte Urinanalyse wird möglichst der erste Morgenurin verwendet. Im Idealfall liegen zwischen der Gewinnung der Urinprobe und der letzten Miktion mindestens vier Stunden. Vor der Urinprobe sollte die Urogenitalregion ausschließlich mit Wasser gereinigt werden. Auf Seife oder Antiseptika ist zu verzichten, da diese Substanzen die Überlebensfähigkeit und Kultivierbarkeit der Erreger beeinträchtigen. Es wird empfohlen, eine gewonnene Urinprobe unverzüglich zu bearbeiten. Ist dies nicht möglich, muss diese bis zur Auswertung kühl bei 4 bis 6 Grad Celsius lagern.
Urinteststreifentest
Urinteststreifen gehören zu den häufigsten diagnostischen Hilfsmitteln in der Urinuntersuchung. Mit einem sogenannten Urin-Stix können beispielsweise Bakterien und Leukozyten schnell detektiert werden.
Verschiedene Faktoren können das Teststreifenergebnis verfälschen. Dazu gehören vor allem:
Viele Mikroorganismen sind in der Lage, im Urin ausgeschiedenes Nitrat mit Hilfe des Enzyms Nitrat-Reduktase zu Nitrit umzuwandeln. Aus diesem Grund fällt der Nitrittest bei etwa 20 Prozent der grampositiven und bei rund 92 Prozent der gramnegativen Erreger positiv aus. Somit verweist ein positiver Nitrittest auf einen Befall mit uropathogenen Erregern. Dazu sollten sich die Bakterien jedoch mehr als 4 Stunden in der Blase aufhalten.
Allerdings ist der Nachweis unspezifisch. Neben falsch-positiven Ergebnissen (z. B. bei Interaktion mit Farbstoffen wie Rote Beete) sind negative Ergebnisse trotz Harnwegsinfektion möglich. Beispielsweise bilden einige Pseudomonaden, Enterokokken oder Staphylokokken kein Nitrit und werden deshalb als Erreger auch nicht erfasst. Ferner können eine forcierte Diurese oder eine Pollakisurie sowie eine nitratarme Ernährung einen negativen Befund bedingen.
Leukozyten
Die Leukozytenesterase-Reaktion ist ein indirekter Hinweis auf das Vorhandensein einer entzündlichen Reaktion. Neben einer Zystitis können aber auch andere Infektionen im Genitalbereich (Kontamination mit Vaginalflüssigkeit) ein positives Testergebnis auslösen.
Erythrozyten und Proteine
Mit dem Nachweis von Erythrozyten kann auf eine Parenchymbeteiligung im Rahmen der Zystitis geschlossen werden. In Verbindung mit einer Proteinurie sind eine interstitielle Nephritis und/oder eine glomeruläre Erkrankung wahrscheinlich. Eine isolierte Mikrohämaturie kann auf eine Nephritis deuten, aber auch Anzeichen von Steinbefall oder Tumorbildung sein. Solche Befundkonstellationen müssen immer differenziert abgeklärt werden.
Urinmikroskopie
Ein mikroskopischer Nachweis von Bakterien ist nur sicher gewährleistet, wenn das Urinsediment unverzüglich untersucht wird. Deshalb muss für die Sedimentbeurteilung auch frischer Mittelstrahlurin genutzt werden. Die Sedimentbeurteilung ist nicht ganz einfach. Bei entsprechender Erfahrung hilft die Urinmikroskopie jedoch dabei, eine Harnwegsinfektion weitgehend sicher auszuschließen. Beurteilt werden können unter anderem:
Leukozyten
Erythrozyten
granulierte Zylinder
Bakterien
Nachweis von Rundzellen
Nachweis von Hyphenmyzellen und Trichomonaden
ggf. Ausmaß an Uroepithelzellen adhärenter Mikroorganismen
Die Färbung nach Gram verstärkt die visuelle Erkennbarkeit von Bakterien und erlaubt eine sehr grobe Zuordnung der Erreger.
Mikrobiologische Diagnostik
Eine bakteriologische Analyse ist mit universalen Eintauchnährböden (dipslides) möglich. Die Nährböden sind in erster Linie geeignet, um negative Befunde zu validieren oder ein signifikantes Wachstum von Escherichia coli zu beurteilen. Meist wird eine Kombination von Cled- und Mac-Conkey-Agar-Nährböden verwendet. Je nach Befund und differenzialdiagnostischer Überlegung können Selektivnährböden eine Alternative sein. Die Nährböden sind auf Plastikträgern aufgebracht. Diese müssen komplett in den frisch gewonnenen Urin getaucht werden. Cave: Erregerzahlen unter 104 KBE/ml werden nicht sicher erfasst. Bei positivem Befund folgt ein Antibiogramm. Nur damit ist eine gezielte Antibiotikatherapie gewährleistet.
Die Indikation für eine Urinkultur hängt vom klinischen Befund ab. Die klinische Bedeutung der Urinkultur nimmt aufgrund einer stark ansteigenden Prävalenz resistenter Erreger, zum Beispiel gegenüber Cotrimoxazol und zunehmend auch gegen Fluorchinolonen, zu.
Blutuntersuchung
Mittels Blutuntersuchung kann die entzündliche Aktivität eingeschätzt werden. Bei unkomplizierter Zystitis wird darauf aber in der Regel verzichtet. Bei kompliziertem Krankheitsverlauf sind folgende Methoden geeignet:
Messung der Blutsenkungsreaktion
Analyse des Blutbilds
Bestimmung des C-reaktiven Proteins (CrP)
Bei einer begleitenden Niereninsuffizienz und bei Verdacht auf eine interstitielle Nephritis ist ferner die Nierenfunktion zu überprüfen. Dafür sollten folgende Werte bestimmt werden:
glomeruläre Filtrationsrate (GFR)
Kreatinin
Harnstoff
Natrium
Kalium
Bei Hinweisen auf einen septischen Krankheitsverlauf wird die Bestimmung des Prokalzitonins (PCT) empfohlen. Nach individueller Beurteilung und differenzierter Therapieentscheidung sind Zytokinbestimmungen wie die Erfassung von Interleukin 6 (IL-6) und die Bestimmung des Anteils aktivierter Monozyten (CD14+, CD16+) möglich.
Ultraschalldiagnostik
Bei komplizierten Harnwegsinfektionen gilt die Sonographie als primäres bildgebendes Mittel der Wahl. Bei einer Zystitis kann so eine Harnstauung ausgeschlossen werden.
Bei Verdacht auf akute Pyelonephritis deuten ein homogen verdichtetes Parenchym mit einem eher echo-armen Rindenparenchym und eine aufgehobene Rindenmarkdifferenzierung auf die Erkrankung hin.
Ausscheidungsurographie
Die ableitenden Harnwege können mittels Ausscheidungsurographie (Pyelogramm) dargestellt werden. Typische charakteristische Befunde sind:
Füllungsdefekte
abgerundete Fornices
Kelchverplumpungen
fehlende Kelchhalsmotilität
Papillennekrosen
kerbige Einziehungen
unregelmäßiges Parenchymprofil
Die Ausscheidungsurographie ist bei Zystitis – abgesehen von der Stein- und Tumordiagnostik – nur sehr selten indiziert. Vorsicht ist insbesondere bei Patienten mit einer eingeschränkten Nierenfunktion, Proteinurie und Diabetes mellitus geboten. Hier besteht eine erhöhte Gefahr eines kontrastmittelinduzierten Nierenversagens.
CT- oder MRT-Diagnostik
Eine Bildgebung mittels Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) mit und ohne Kontrastmittel ist ausschließlich komplizierten Erkrankungsverläufen vorbehalten. Indikationen für diese diagnostischen Untersuchungen sind:
Pseudozysten
intrarenale/perinephritische Abszesse
emphysematöse oder xantogranulomatöse Nephritis
Transplantatpyelonephritis
DMSA-Szintigraphie
Eine DMSA-Szintigraphie ist bei Blasenentzündungen nur äußerst selten indiziert. Mit ihr können Veränderungen des Nierenparenchyms (insbesondere im Kindesalter) und Narbenbildungen dargestellt werden. Bei Erwachsenen hat diese Methode nur eine begrenzte Aussagefähigkeit. Deshalb sollte der Einsatz in dieser Altersgruppe auch kritisch überdacht werden.
Urodynamische Funktionsprüfungen
Bei rezidivierenden und chronischen Zystitiden können urodynamische Funktionsprüfverfahren wie die Zystometrie, Miktionszysturographie und die Elektromyographie zum Einsatz kommen. Dabei werden im Wesentlichen eine obstruktive oder dysfunktionelle Harnblasenentleerungsstörung sowie ein vesikoureteraler Reflux nachgewiesen oder ausgeschlossen.
Differentialdiagnose
Mögliche Differentialdiagnosen einer erregerbedingten Zystitis sind:
Interstitielle Zystitis
Tuberkulöse Zystitis
Medikamentös-induzierte Zystitis
Urethritis
Urolithiasis
Harnblasentumoren
bei Frauen Zervizitis, Kolpitis, Salpingitis und Adnexitis
bei Männern Prostatitis
Therapie
Eine unkomplizierte Zystitis mit leichten Beschwerden kann zunächst konservativ-symptomatisch behandelt werden. Mitunter reicht eine erhöhte Trinkmenge aus. Solange eine unkomplizierte Harnwegsinfektion auf die Harnblase begrenzt bleibt, ist – selbst bei rezidivierenden Episoden – nicht mit gravierenden Komplikationen zu rechnen.
In der Regel wird in der Praxis aber eine antibiotische Therapie empfohlen. Die Indikation einer Antibiotikagabe ergibt sich aus folgenden Erkenntnissen:
Mit einer Antibiotikagabe klingen die Symptome rascher ab als ohne Behandlung.
Empfindliche Erreger können schneller eliminiert werden.
Bei der Therapie mit Cotrimoxazol gibt es bei empfindlichen Escherichia coli etwa doppelt so hohe Heilungs- und Eliminationsraten (innerhalb einer Woche) wie bei resistenten Escherichia coli
Eine akute unkomplizierte Zystitis kann einer akuten unkomplizierten Pyelonephritis vorausgehen. Das kann durch eine rechtzeitige Antibiotikatherapie verhindert werden.
Bei der akuten unkomplizierten Pyelonephritis ist in jedem Fall eine frühestmögliche wirksame Antibiotikatherapie indiziert. Ansonsten werden mögliche, wenn auch eher seltene Nierenschädigungen durch die Zeitdauer, die Schwere und die Häufigkeit solcher Infektionen begünstigt.
Antibiotikatherapie
Bei einer Zystitis sollten Antibiotika vorzugsweise oral gegeben werden. Bei akuten unkomplizierten Verläufen (ohne Pyelonephritis) hat sich eine Kurzzeittherapie über 1 bis 3 Tage bewährt. Die Kurzzeittherapie bietet gegenüber der konventionellen Therapieform über 7 bis 10 Tage folgende Vorteile:
bessere Patientenadhärenz
geringere Rate an unerwünschten Arzneimittelwirkungen
geringerer Selektionsdruck für resistente Erreger der periurethralen, vaginalen und fäkalen Standortflora
ggf. Identifikation von Risikofaktoren
Bei der Auswahl des Antibiotikums sind folgenden Kriterien zu berücksichtigen:
individuelles Risiko des Patienten wie Allergien, Unverträglichkeiten gegenüber bestimmten Substanzgruppen, Alter, Geschlecht, Immunstatus und Schwangerschaft
vorherige Antibiotikatherapie
Erregerspektrum und Antibiotikaempfindlichkeit
Effektivität der antimikrobiellen Substanz
unerwünschte Arzneimittelwirkungen
Auswirkungen auf die individuelle Resistenzsituation beim Patienten (Kollateralschaden) und/oder die Allgemeinheit (epidemiologische Auswirkungen)
Einhaltung der Grundprinzipien des Antibiotic Stewardship (ABS)
Für die Therapie der unkomplizierten Harnwegsinfektion sind laut Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Urologie prinzipiell folgende orale Antibiotika bzw. Antibiotikaklassen zugelassen:
Aminopenicilline in Kombination mit einem Betalaktamase-Inhibitor
Bei unkomplizierter Zystitis sollten vorzugsweise Fosfomycin-Trometamol, Nitrofurantoin, Nitroxolin, Pivmecillinam und Trimethoprim (in alphabetischer Reihenfolge) eingesetzt werden.
Die antibiotische Therapie kann bei unkomplizierten Verläufen ohne Resistenzermittlung der verursachenden Erreger erfolgen. Für diese kalkulierte Therapie empfehlen sich bei ansonsten gesunden Frauen 1 x 3 g/d Fosfomycin oder 4 x 50 mg/d Nitrofurantoin bzw. 2 x 100 mg/d Nitrofurantoin RT über 7 bzw. 5 Tage.
Fluorchinolone und Cephalosporine bergen die größte Gefahr für mikrobiologische Kollateralschäden in Form von Selektion multiresistenter Erreger sowie ein erhöhtes Risiko für eine Clostridium difficile assoziierte Colitis. Deshalb werden Cefpodoxim-Proxetil, Ciprofloxacin, Cotrimoxazol, Levofloxacin, Norfloxacin und Ofloxacin auch nicht mehr als Standardantibiotika bei unkomplizierter Zystitis empfohlen. Ferner sind Aminopenicilline nicht mehr Mittel der ersten Wahl.
Bei komplizierter Zystitis und längerer Therapie sollte eine gezielte Antibiotikatherapie abhängig von der Erregersensibilität und patientenrelevanten klinischen Endpunkten eingeleitet werden.
Gegen Blasentenesmen werden leitliniengerecht Spasmolytika wie Butylscopolaminiumbromid empfohlen. Viele Frauen empfinden auch lokale Wärme als hilfreich.
Therapie bei rezidivierenden Harnwegsinfektionen
Bei häufig wiederkehrenden Harnwegsinfekten empfiehlt die Leitlinie, Patienten vor jeder medikamentösen Therapie über ursächliche Risiken wie beispielsweise Geschlechtsverkehr zu beraten und über mögliche Verhaltensänderungen zu informieren. Dazu gehören vor allem auf eine ausreichende, aber nicht zu hohe Trinkmenge (pro Tag etwa 1,5 L) zu achten, das Vermeiden von Unterkühlungen sowie eine richtige Intim- und Menstruationshygiene. Als weitere Therapiemöglichkeit kann eine längerfristige Behandlung mit pflanzlichen Therapeutika versucht werden. Geeignete Mittel sind laut Leitlinie Präparate aus Bärentraubenblättern (maximal 1 Monat), Kapuzinerkressekraut und Meerrettichwurzel. Darüber hinaus ist ein Therapieversuch mit 2 g Mannose pro Tag möglich. Mitunter kann auch die Gabe oraler Immunstimulantien mit bakteriellen Zellwandbestandteilen erfolgreich sein.
Antibiotische Langzeitprävention
Eine antibiotische Langzeitprävention ist zu erwägen, wenn allgemeine vorbeugende Maßnahmen und nicht-antibiotische Therapieansätze versagen und/oder der Leidensdruck der Patienten sehr hoch ist. Die Wahl des Antibiotikums sollte von der zuvor isolierten Bakterienspezies und ihrer Empfindlichkeit abhängen. Darüber hinaus sind Allergien und potenzielle Kollateralschäden (vor allem Resistenzentwicklung) zu berücksichtigen.
Mit einer antibiotischen Langzeitprävention über 6 Monate (1/4 bis 1/6 der volltherapeutischen Dosis am Abend), einer postkoitalen Einmalgabe oder einer Patienten-initiierten Selbsttherapie kann die Rezidivrate von Harnwegsinfektionen um bis zu 95 Prozent gesenkt werden. Die postkoitale Prävention bei rezidivierender Zystitis der Frau reduziert den Antibiotikaverbrauch auf 1/3.
Misserfolge sind jeweils zur Hälfte auf mangelnde Adhärenz bzw. Compliance und Durchbruchsinfektionen mit resistenten Erregern zurückzuführen. In etwa 5 bis 10 Prozent wird die Langzeitprävention wegen unerwünschter Arzneimittelwirkungen abgebrochen.
Phytotherapeutika
Folgende pflanzliche Wirkstoffe sind als Harnwegsdesinfizientien zugelassen:
Bärentraubenblätter
Brunnenkressekraut
Meerrettichwurzel
weißes Sandelholz
Diese können zur unterstützenden Behandlung von Harnwegsinfektionen eingesetzt werden. Bärentraubenblätter und Sandelholz eignen sich allerdings nicht für eine Langzeittherapie über einen Monat hinaus. Die Gabe von Sandelholz kann zu renalen Schädigungen führen.
In einer Placebo-kontrollierten, doppelblinden, randomisierten Studie erhielt die Verumgruppe ein Mischprodukt aus Bärentraubenblättern und Löwenzahnwurzel (UVA-E, Medic Herb AB – Göteborg, Schweden, 3 x 3 Tabletten/Tag über einen Zeitraum von einem Monat). Dabei blieben 30 Patientinnen über ein Jahr hinweg rezidivfrei; unter Placebo nur 5 von 27 Frauen. In beiden Gruppen gab es keine unerwünschten Arzneimittelwirkungen. In Deutschland ist dieses Präparat jedoch nicht erhältlich.
Zu anderen in der Zystitisbehandlung gängigen pflanzlichen Aquaretika gibt es bislang keine Studien mit validen Daten zur Langzeitprävention. Dennoch beschreiben Patientinnen und Ärzte phytotherapeutische Behandlungserfolge. Die Harnausscheidung unterstützen dabei vor allem:
Birkenblätter
Brennnesselkraut
chinesische Kräuter
Gartenbohnenhülsen
Goldrutenkraut
Hauhechelwurzel
Orthosiphonblätter
Petersilienkraut und –wurzel
Queckenwurzelstock
Schachtelhalmkraut
Wacholderbeeren (wegen möglicher renaler Schädigung keine Langzeitprävention)
Liebstöckelwurzel mit Rosmarin und Tausendgüldenkraut
Prognose
Die Prognose bei Zystitis ist in der Regel gut. Bei rasch einsetzender, effizienter Behandlung heilt die Blasenentzündung nach etwa 3 bis 7 Tagen folgenlos aus. Ohne antibiotische Therapie besteht jedoch die Gefahr einer aufsteigenden Harnwegsinfektion inkl. Pyelonephritis. In sehr seltenen Fällen mündet eine Zystitis in akutem Nierenversagen oder Urosepsis.
Mit steigendem Lebensalter erhöht sich die Gefahr rezidivierender Zystitiden.
Prophylaxe
Eine einfache Prophylaxe vor einer Zystitis ist ausreichend viel zu trinken. Eine regelmäßige Flüssigkeitszufuhr von mindestens 1,5 L reinigt und spült die Harnwege. Das erschwert das Einnisten von Krankheitserregern. Weitere Prophylaxemaßnahmen sind:
Richtige Pflege und Reinigung des Intimbereichs: Keine aggressiven Seifen oder Intimsprays verwenden. Warmes Wasser und evtl. eine pH-neutrale Waschlotion genügen und helfen am besten, eine intakte Vaginalflora zu erhalten.
Unterwäsche aus Naturstoffen wie Baumwolle wählen, keine synthetischen Textilien im direkten Intimbereich: Baumwolle ist atmungsaktiv und kann zudem bei 60 Grad Celsius (und heißer) gewaschen werden. Synthetische Slips sorgen häufig für ein feuchtwarmes Milieu und bilden so einen idealen Nährboden für Bakterien und Co. Außerdem sollten Intimwäsche und Hosen im Schritt nicht zu eng sitzen und den Schambereich nicht reizen.
Kondome vorziehen, auf spermizide Cremes verzichten: Frauen, die zu Blasenentzündungen neigen, sollten als Verhütungsmittel eher auf Kondome zurückgreifen. Spiralen sind bei Frauen mit häufig wiederkehrenden Zystitiden nicht Mittel der ersten Wahl.
Drang zur Toilette unmittelbar wahrnehmen, auf vollständige Blasenentleerung achten: Die Zeit zum vollständigen Entleeren der Blase sollte sich auch im Stress und bei höchstem Arbeitsvolumen genommen werden. Anderenfalls begünstigen regelmäßige Restharnmengen Harnwegsinfektionen.
Richtige Toilettenhygiene: Frauen sollten nach dem Stuhlgang Toilettenpapier immer von vorn nach hinten benutzen bzw. sich von der Symphyse in Richtung After abwischen.
Tampons oder Binden regelmäßig wechseln: So werden Keimreservoirs verhindert.
Warm halten, kalte Sitzflächen vermeiden: Kälte alleine verursacht zwar keine Entzündung, senkt aber die lokale Abwehrreaktion. Deshalb erhöht sich bei längerem Sitzen auf kühlen Flächen das Risiko für Harnwegsentzündungen.
Postkoitales Urinieren: Wasser lassen nach dem Geschlechtsverkehr sorgt dafür, dass etwaige Bakterien aus Harnröhre und Blase ausgeschieden werden.
Hygienemaßnahmen bei Gebrauch von Einmal- und Dauerkathetern einhalten: So wird das Einschleppen von Erregern in die Harnblase verringert.
Interstitielle Zystitis
Die interstitielle Zystitis (IC) ist als chronische, nichtinfektiöse Entzündung der Harnblasenwand eine Sonderform der Harnblasenentzündung. Grundsätzlich können Männer und Frauen an interstitieller Zystitis erkranken. Frauen sind mit einer Prävalenz von 52-500/100.000 aber neun Mal häufiger betroffen als Männer (Prävalenz 8-41/100.000). Experten gehen von einer deutlich höheren IC-Dunkelziffer aus.
Ursachen
Die Ursachen von IC sind nicht abschließend geklärt. Vermutlich fördern rezidivierende Zystitiden den Verlust von schützendem Urothelialmuzin. Die Urothelschädigung begünstigt das Eindringen von Kalium und anderen harnpflichtigen Substanzen in die Submukosa der Blasenwand. Die reizenden Stoffe aktivieren sensible Neuronen, die wiederum die glatte Muskulatur der Harnblase schädigen. Die zellulären Urothelläsionen können bis zum vollständigen Verlust des Urothels (Denudation) fortschreiten. Mastzellen sollen dabei eine entscheidende Rolle spielen.
Symptome
IC-Betroffene leiden häufig an Blasen- und Beckenbodenschmerzen sowie einem starken Drang, nahezu ständig Wasserlassen zu müssen. Leitsymptome sind Pollakisurie und Nykturie. Nicht selten müssen Patienten mit interstitieller Zystitis bis zu 60 Mal am Tag die Toilette aufsuchen. Das wird im normalen Alltagsleben als stark belastend empfunden und ist kaum zu realisieren. Die Miktion erfolgt nur tropfenweise und oft unphysiologisch mit Unterstützung der Bauchpresse. Häufig fühlen sich IC-Patienten unverstanden. Nicht selten werden sie als Simulanten eingeschätzt, vereinsamen und leiden an depressiven Verstimmungen. Mentale Störungen, Reizdarmsyndrom, Fibromyalgie, Fatigue und funktionell somatische, neurologische oder rheumatologische Syndrome sind typische Begleiterkrankungen der interstitiellen Zystitis.
Diagnose
Bis zur richtigen Diagnose der interstitiellen Zystitis vergehen oft mehrere Jahre und unzählige Arztbesuche. Symptome wie suprapubische Schmerzen, imperativer Harndrang, Pollakisurie, Dysurie und Nykturie verleiten dabei häufig zu Fehldiagnosen wie unkomplizierte Harnwegsinfekte, Reizblase oder Painful-Bladder-Syndrome (PBS).
Zu den zielgerichteten Diagnosemaßnahmen zählen neben einer ausführlichen Anamnese und körperlichen Untersuchung:
aborchemische Urinuntersuchungen wie Urinteststreifen und Urinkultur
urogenitale Untersuchungen des weiblichen Genitals bzw. der penoskrotalen Region bei Männern
Urosonografie
Uroflowmetrie mit Restharnbestimmung
Zystoskopie (hinweisgebend sind rote Schleimhaut-Läsionen vom Hunner-Typ)
Harnblasendehnungstest in Narkose
Als optionale Maßnahmen gelten das Füllen der Harnblase mit einer Kaliumchloridlösung (Kaliumchlorid-Test), eine Zystomanometrie und eine Blasenwandbiopsie zur histologischen Einteilung in Hunner-Typ-IC und Nicht-Hunner-Typ-IC.
Therapie
Eine Heilung der interstitiellen Zystitis ist selten. Verschiedene Behandlungsoptionen können aber den Zustand der Patienten erheblich verbessern. Dafür hat die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) eine S2k-Leitlinie initiiert und nach ausführlicher Recherchearbeit gemeinsam mit Vertretern der zuständigen Fachgesellschaften erarbeitet. Die 2018 herausgegebene S2k-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Interstitiellen Zystitis (IC/BPS)“ setzt auf ein multimodales Therapiekonzept. Die Behandlung sollte sich aus konservativen Maßnahmen, medikamentöser Therapie, Lokal-Instillationen, Schmerztherapie und Komplementärmedizin sowie operativen Verfahren und stationärer Rehabilitation zusammensetzen. Die Leitlinie richtet sich insbesondere an Hausärzte, Internisten, Urologen, Gynäkologen, Schmerztherapeuten und psychosomatische Mediziner.
Konservative Therapie
Folgende konservative Maßnahmen können bei interstitieller Zystitis versucht werden:
Veränderungen des Lebensstils, Anpassung von Kleidung und sportlicher Aktivität, Überprüfung des Stresslevels
Ernährungsumstellung (Nahrungsmittelunverträglichkeiten mit Ausschlussdiät detektieren) und Flüssigkeitszufuhr kontrollieren, Trigger eruieren (häufig lösen Zitrusfrüchte, Tomaten, Meerrettich, Essig, Pfeffer, Glutamat und künstliche Süßstoffe imperativen Harndrang aus), Histamin-arme Nahrungsmittel bevorzugen
Noxen wie Alkohol und Nikotin reduzieren, besser gänzlich darauf verzichten
Vermeiden von Unterkühlung
Psychologische und psychiatrische Betreuung: Depressionen und Erschöpfungszustände behandeln, biopsychosoziales Modell ergänzend nutzen
Physiotherapie: Harnblasen- und Beckenbodentraining, Relaxations- und Myofaszialtechniken, Vibrationstherapie sowie Bindegewebs- und Fußreflexzonenmassage
Medikamentöse Therapie
In der medikamentösen Therapie stehen folgende orale Arzneimittel zur Verfügung:
Pentosanpolysulfat (PPS): repariert die GAG-Schicht des Urothels und fördert die Durchblutung der Harnblase. Je früher die Behandlung mit Pentosanpolysulfat beginnt, umso besser sind die Erfolge.
Amitriptylin: reduziert die Schmerzweiterleitung im zentralen Nervensystem, bindet an H1-Rezeptoren und reduziert so die Aktivierung von Mastzellen (Cave: anticholinerge Nebenwirkungen beachten)
Hydroxyzin: wirkt anticholinerg, anxiolytisch und analgetisch, soll die Mastzellaktivierung inhibieren
Cimetidin: zeigt bei IC-Patienten in Studien eine Verbesserung von Schmerzen und Nykturie
Montelukast: Verminderung der Mastzell-vermittelten Entzündungsreaktion denkbar
Phosphodiesterase-5-Inhibitoren (PDE5-Hemmer): Relaxation der glatten Muskelzellen der Harnblase möglich
Nifedipin: immunsuppressiv, Nifedipin-Therapie-Versuch über mindestens 3 Monate empfohlen
Tamsulosin: Relaxation der glatten Muskulatur der Harnröhre, des Blasenhalses und der Prostata
Zudem wird eine adäquate Schmerztherapie empfohlen. Noch gibt es kein einheitliches Behandlungskonzept zur Schmerztherapie bei Interstitieller Zystitis. Grundlage ist bislang der WHO-Stufenplan.
Bei nicht anders beherrschbaren akuten Schmerzen sind örtliche Maßnahmen wie die Instillation von Lokalanästhetika oder regional- und leitungsanästhetische Verfahren denkbar. Geeignete Wirkstoffe zur Instillation in die Harnblase sind:
Liposome (liposomale Formulierungen, die das Arzneimittel vor einer zu frühen Metabolisierung schützen)
Mitunter kommen bei interstitieller Zystitis auch komplementärmedizinische Verfahren zum Einsatz. Der genaue Wirkmechanismus dieser Methoden ist jedoch noch weitgehend unbekannt. Den Leitlinien-Experten zufolge können bei interstitieller Zystitis folgende Komplementär-Verfahren helfen:
Akupunktur (feste Punktkombination)
Neuraltherapie
mikrobiologische Therapien (Probiotika wie Laktobazillen, Bifidobakterien, Escherichia coli und Enterokokken)
orthomolekulare Substitutionen (Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente)
Eine Operation sollte die letzte Alternative sein und ist Patienten vorbehalten, bei denen alle anderen Therapieformen versagt haben. Zu den operativen Verfahren bei interstitieller Zystitis zählen:
Spezialisierte urologische Rehabilitationskliniken bieten zudem stationäre Rehabilitationsprogramme als unterstützende Therapieoption an. Diese multimodalen Maßnahmen können insbesondere Menschen helfen, die von Arbeitslosigkeit und sozialer Isolation bedroht sind.