
Hintergrund
Das akute Koronarsyndrom (acute coronary syndrome [ACS] wird weltweit als eine Hauptursache für Morbidität und Mortalität betrachtet. Während die Inzidenz- und Sterblichkeitsraten in den letzten Jahrzehnten in der westlichen Welte insgesamt abnahmen, erstreckte sich diese positive Tendenz nicht auf jüngere Frauen. Tatsächlich kam es in der Gruppe der jungen und mittelalten Frauen sogar zu einem Anstieg der Hospitalisierungen aufgrund eines ACS in verschiedenen Ländern. Es gibt zunehmend Hinweise, dass Hypertonie ein besonders bedeutender Risikofaktor für ACS bei Frauen ist. [1]
Steilerer Blutdruckanstieg im Verlauf des Lebens
Junge Frauen haben in der Regel einen niedrigeren Blutdruck als gleichalte Männer. Eine Analyse zeigte jedoch, dass es bei Frauen zu einem steileren Blutdruckanstieg im Verlauf ihres Lebens kommt und dass dieser Blutdruckanstieg bereits im dritten Lebensjahrzehnt beginnt. Die Befunde legen nahe, dass sich bestimmte Gefäßveränderungen, inklusive des Umbaus kleiner Arterien, bei Frauen früher entwickeln und schneller voranschreiten. Diese arteriellen Veränderungen sind mit einer koronaren mikrovaskulären Dysfunktion und einem erhöhten Risiko für ACS verbunden. Diese Erkenntnisse haben zu der Hypothese geführt, dass ein leicht erhöhter Blutdruck bei jungen Frauen einen bedeutenderen Risikofaktor für ACS darstellt als bei Männern. Diese Hypothese wurde nun in einer norwegischen Studie mit den Daten mehr als 12.000 Teilnehmern der Hordaland-Studie überprüft.
Zielsetzung
Die Studie hatte zum Ziel festzustellen, ob ein leicht erhöhter Blutdruck in den frühen 40igern bei Frauen mit einem anderen ACS-Risiko verbunden ist als bei Männern.
Methoden
Die Studie wurde mit Daten durchgeführt, die im Rahmen einer populationsbasierten Studie im norwegischen Bezirk Hordaland erhoben worden waren. Alle Einwohner des Bezirks, die in den Jahren 1950-1952 geboren worden waren, wurden 1992 zur Teilnahme eingeladen. Insgesamt nahmen 12.597 (73%) der Geladenen an der Hordaland-Studie teil. Bei den Befragungen und den Baseline Untersuchungen wurden zahlreiche Gesundheitsinformationen und Werte aufgezeichnet, darunter auch Blutdruckwerte, die von einer geschulten Gesundheitsfachkraft als Dreifachmessung in einem standardisierten Verfahren bestimmt wurden und wichtige Informationen zu kardiovaskulären Risikofaktoren (BMI, Vorerkrankungen, Tabakkonsum, Aktivität usw.).
Aktuelle Studie
Für die aktuelle Analyse wurden folgende Ausschlusskriterien auf die Hordaland Daten angewandt: unvollständige Dokumentation des Blutdrucks, des BMIs oder der Cholesterinwerte sowie Herzinfarkt in der Krankengeschichte oder medikamentös behandelte Hypertonie. Die Teilnehmer wurden nach ihrem Baseline Blutdruck in folgende drei Kategorien eingeteilt: Normotension <130/80 mmHg, Hypertonie Grad 1 130-139/ 80-89mmHg und Grad 2 ≥140/90 mmHg.
Als Endpunkte wurde die ACS-Inzidenz festgelegt, die durch folgende Ereignisse definiert wurde: Hospitalisierung oder Tod aufgrund eines Herzinfarkts sowie die Diagnose einer instabilen Angina pectoris im Verlauf des 16-Jährigen Follow ups. Zur Ermittlung der Endpunkte wurden die Daten der Hordaland Studie mit den Eintragungen des norwegischen Registers für kardiovaskuläre Krankheiten und des nationalen Sterberegisters vom 1. Januar 1994 bis zum 31.12.2009 abgeglichen.
Ergebnisse
In die aktuelle Analyse flossen die Daten von 6381 Frauen und 5948 Männern ein. Bei der Baseline Untersuchung wiesen weniger Frauen als Männer eine Hypertonie Grad 1 oder 2 auf (25 vs. 35% und 14 vs. 31%; p<0.001). Während des Follow ups erlitten 1,4% der Frauen und 5,7% der Männer ein ACS. Bereinigt um Risikofaktoren wie Diabetes, Rauchen, Body Mass Index, Cholesterin und Aktivität war das Risiko eines ACS bei Frauen mit einer Hypertonie Grad 1 erhöht (Hazard Ratio [HR] 2,18; 95% Konfidenzintervall [CI] 1,32-3,60), wohingegen es bei Männern keinen signifikanten Zusammenhang zwischen dieser Blutdruckkategorie und der Inzidenz von ACS gab (HR 1,30; 95% CI 0,98–1,71). Nach der zusätzlichen Bereinigung nach systolischem und diastolischem Blutdruck zeigte sich das eine diastolische Hypertonie mit ACS bei Frauen (HR 2,79; 95% CI 1,62-4,82), aber nicht bei Männern (HR 1,24; 95% CI 0,95-1,62) verbunden war. Eine systolische Hypertonie Grad 1 war hingegen bei keinem Geschlecht mit ACS assoziiert.
Fazit
Die Erstautorin der Studie Dr. Ester Kringeland von der Universität Bergen zieht folgendes Fazit: „Unsere Analyse bestätigt, dass ein leicht erhöhter Blutdruck das Risiko für ein akutes Koronarsyndrom geschlechtsspezifisch beeinflusst. Die Ergebnisse unterstützen die zunehmende Evidenz, dass ein hoher Blutdruck vor allem bei Frauen ungünstige Effekte hat.“ Sie appelliert daher an Frauen und Ärzte den Blutdruck auch dann gut zu überwachen, wenn sich die Frauen gesundfühlen. Bei Risikofaktoren sollte das Monitoring intensiviert werden. [2]