Herzkatheter bei stabiler KHK ohne Zusatznutzen

Eine initiale Koronarangiographie mit Revaskularisation mittels perkutaner Intervention oder Bypass-OP reduziert nicht die kardiovaskuläre Ereignisrate gegenüber dem konservativen Ansatz mit alleiniger medikamentöser Therapie bei stabilen KHK-Patienten mit Ischämie.

Katheterablation

Hintergrund

Das Ziel der Behandlung der koronaren Herzkrankheit (KHK) ist das Risiko von Tod und ischämischen Ereignissen zu verringern und die Lebensqualität der Patienten zu steigern. Die Grundlage ist eine Leitlinien-gerechte Medikation.

Vor dem Einsatz von medikamenten-freisetzenden Stents (drug eluting stents [DES]) zeigte ein interventioneller Eingriff mit Revaskularisation zusätzlich zur medikamentösen Therapie keine Verbesserung der Ereignisraten von Tod und Myokardinfarkt. Der Einsatz von DES zeigte nur marginale Effekte in der Langzeitbeobachtung über fünf Jahre für das Auftreten von Myokardinfarkten.

Die Ursachen für den ausbleibenden Erfolg einer Revaskularisation zusätzlich zur medikamentösen Therapie bei der stabilen KHK könnte bei der Wahl der eingeschlossenen Patienten liegen. Zumeist werden Patienten aufgrund von Hochrisiko-anatomischen Eigenschaften ausgeschlossen oder der Grad der Ischämie findet keine Berücksichtigung. Patienten mit einer moderaten bis schwerwiegenden Ischämie, sind in den Studien daher meist in der Minderheit. Aber gerade diese Patientenpopulation könnte von einer zusätzlichen Revaskularisation zur medikamentösen Therapie profitieren. Dies zeigt zumindest eine Beobachtungsstudie, bei der die Inzidenz eines kardiovaskulären Todes bei Patienten mit einer mindestens 10%-igen Ischämie bei einer frühzeitigen Revaskularisation verringert werden konnte.

Zielsetzung

Der Nutzen einer initialen Koronarangiographie und der Revaskularisation mittels perkutaner Intervention bzw. einer Bypass-Operation zusätzlich zu einer Leitlinien-gerechten Medikation soll in einem prospektiven Ansatz (ISCHEMIA = International Study of Comparative Health Effectiveness with Medical and Invasive Approaches) bei Patienten mit stabiler KHK und moderater bis schwerwiegender Ischämie untersucht werden.

Methodik

In die multizentrische Studie (320 Kliniken in 37 Ländern) eingeschlossen wurden Patienten mit einer stabilen KHK die bei einem nicht-invasiven kardialen Stress-Test, moderate bis schwerwiegende Anzeichen einer reversiblen Ischämie zeigten. Ein kürzlich aufgetretenes Koronarsyndrom, eine glomeruläre Filtrationsrate von < 30 ml/min/1,73 m3 Körperoberfläche, eine Stenose des ungeschützten linken Hauptstamms von ≥ 50%, eine linksventrikuläre Ejektionsfraktionsrate von < 35%, Herzinsuffizienz NYHA Grad III oder IV und eine inakzeptable Angina pectoris unter maximal-akzeptabler medikamentöser Therapie wurden als Ausschlusskriterien definiert.

Die Randomisierung erfolgte im Verhältnis 1:1 in eine der beiden folgenden Gruppen nachdem eine Hauptstammstenose durch eine verblindete CT-Koronarangiografie ausgeschlossen wurde:

  • Initial invasive Strategie mit Herzkatheter und Revaskularisation mittels perkutaner Intervention (PCI) plus Stent oder Bypass-Operation falls notwendig, gefolgt von einer Leitlinien-gerechten medikamentösen Therapie
  • Initial konservative Strategie mit einer alleinigen Leitlinien-gerechten medikamentösen Therapie und einer Herzkatheteruntersuchung wenn die medikamentöse Therapie als nicht ausreichend bewertet wurde.Die Herzkatheteruntersuchung musste in der invasiven Gruppe innerhalb von 30 Tagen nach Randomisierung erfolgen. Eine komplette Revaskularisation aller ischämischen Bereiche sollte wenn möglich hierbei durchgeführt werden. Die Art der Revaskularisation PCI oder ein Bypass-OP wurde durch den behandelten Arzt festgelegt.

Der kombinierte primäre Endpunkt setzte sich aus den folgenden fünf Komponenten zusammen: kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt, Klinikeinweisung aufgrund einer instabilen Angina pectoris oder Herzinsuffizienz und Reanimation nach Herzstillstand.

Der sekundäre Endpunkt war definiert als eine Kombination aus Tod kardiovaskulärer Ursache, Myokardinfarkt und Angina-bezogene Lebensqualität.

Ergebnisse

Patientencharakteristika:

  • Insgesamt wurden 8.518 KHK-Patienten in die Studie eingeschlossen, von denen nach Feststellung der Ischämie-Kriterien 5.179 Patienten randomisiert wurden.
  • Ausgangsrisikofaktoren und Medikation waren in beiden Gruppen vergleichbar.
  • Das Durchschnittsalter betrug 64 Jahre.
  • In der Anamnese hatten 41% der Patienten einen Diabetes mellitus, 19% einen Herzinfarkt und 90% Angina pectoris Beschwerden.
  • Der mediane LDL-Cholesterinwert lag bei Studienbeginn bei 83 mg/dl (2,2 mmol/l) und 64 mg/dl (1,7 mmol/l) bei der letzten Visite.


Invasive Eingriffe und Nachbeobachtung:

  • 96% der Patienten in der Gruppe mit invasiver Strategie unterzogen sich einer Angiographie und bei 79% wurde eine Revaskularisation durchgeführt. PCI in 74% der Fälle und CABG in 26% aller Fälle.
  • In der Gruppe der konservativen Strategie unterzogen sich 26% der KHK-Patienten einer Angiographie und 21% erhielten eine Revaskularisation bevor ein Ereignis definiert als Teil des primären Endpunktes auftrat. 
  • Insgesamt wurden 5.337 invasive Eingriffe in der Gruppe mit invasiver Strategie und 1.506 Eingriffe in der Gruppe mit konservativer Strategie durchgeführt.
  • Die mediane Nachbeobachtungszeit der Patienten lag bei 3,2 Jahren.


Auftreten des primären Endpunktes:

  • Bei 318 Patienten der Gruppe mit invasiver Strategie trat ein Ereignis des kombinierten primären Endpunktes auf und in 352 Patienten der Gruppe mit konservativer Strategie. (Hazard Ratio (HR): 0,93; 95%-Konfidenzintervall (KI): 0,80-1,08, p = 0,34).
  • Nach sechs Monaten betrug die kumulative Ereignisrate 5,3% in der Gruppe mit invasiver Strategie und 3,4% in der Gruppe mit konservativer Strategie (Unterschied: 1,9 Prozentpunkte; 95%-KI: 0,8-3,0).
  • Nach fünf Jahren war die kumulative Ereignisrate 16,4% zu 18,2% (Unterschied: 1,8 Prozentpunkte; 95%-KI: -4,7 bis 1,0).


Sekundäre Endpunkte:

  • Insgesamt starben 276 Patienten der Gruppe mit invasiver Strategie an einer kardiovaskulären Ursache oder aufgrund eines Herzinfarktes vs. 314 Patienten in der Gruppe mit konservativer Strategie.
  • Die kumulative Ereignisrate nach sechs Monaten betrug 4,8% bei der invasiven Strategie und 2,9% bei der konservativen Strategie (Unterschied: 1,9 Prozentpunkte; 95%-KI: 0,9-3,0) bzw. nach fünf Jahren 14,2% vs. 16,5% (Unterschied: -2,3 Prozentpunkte; 95%-KI: -5,0 bis 0,4).

Fazit

Die ISCHEMIA-Studie konnte nicht zeigen, dass die initiale invasive Strategie (Angiographie und mögliche Revaskularisation mittels PCI oder CABG) bei KHK und moderater bis schwerwiegender Ischämie, das Risiko von ischämischen kardiovaskulären Ereignissen und dem Tod senken kann. Sie ist mit der konservativen Strategie, die aus der Leitlinien-gerechten medikamentösen Therapie besteht, vergleichbar. Jedoch wurde die Lebensqualität der KHK-Patienten stärker verbessert als mit einer medikamentösen Therapie allein. Es bleibt zu erwähnen, dass die Nachbeobachtungsdauer mit im Median von 3,2 Jahren sehr kurz war und auf längere Sicht ein Vorteil bestehen könnte.

Autor:
Stand:
19.05.2020
Quelle:

Maron D.J. et al. (2020): Initial Invasive or Conservative Strategy for Stable Coronary Disease, New England Journal of Medicine, DOI: 10.1056/NEJMoa1915922

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