Hypertrophe Kardiomyopathie: Inzidenz und Prognose

Die Entstehung der hypertrophen Kardiomyopathie mit systolischer Dysfunktion ist vielfältig. Dreiviertel dieser „End-Stage“ Patienten erleiden über die Zeit klinisch relevante Ereignisse die als Prädiktoren für ihren weiteren Krankheitsverlauf dienen.

Kardiologie Herz

Hintergrund

Eine der häufigsten, vererbbaren Herzkrankheiten ist die hypertrophe Kardiomyopathie (HCM). Die Prävalenz beträgt 1 von 500 Erwachsenen. Meist ist die systolische linksventrikuläre Funktion normal. Einige Studien haben jedoch gezeigt, dass ca. 4 bis 9% der Patienten eine systolische Dysfunktion entwickeln. Diese ist charakterisiert durch eine linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) von <50% und ist unter dem Namen „End-stage“ oder „burned-out“ HCM bekannt und wird im Folgenden HCM-LVSD genannt. Begleitet wird dieses Stadium durch eine diffuse Myokardfibrose. Die Prognose der HCM-LVSD Patienten ist mit einer Mortalität von 11% pro Jahr schlecht.

Zielsetzung

Die pathogenetische Entwicklung von HCM-LVSD ist aufgrund ihrer Seltenheit nicht sehr gut charakterisiert. Es besteht die Notwendigkeit ein besseres Verständnis der Erkrankung zu erreichen, um die Risikoabschätzung bei den betroffenen Patienten zu verbessern. Das Ziel der Studie ist es sowohl Prädiktoren für die Prognose zu identifizieren, als auch Eigenschaften, welche die Schadensereignisse der systolischen Dysfunktion vorhersagen.

Methodik

Für eine optimierte Beschreibung der Prävalenz und der pathogenetischen Entwicklung der Krankheit HCM-LVSD werden Daten des internationalen SHaRe (Sarcomeric Human Cardiomyopathy Registry) -Registers ausgewertet. In das Register eingeschlossen wurden HCM-Patienten, mit einer ungeklärten LV-Hypertrophie und einer maximalen LV-Wanddicke von > 15 mm oder > 13 mm bei Familienmitgliedern mit HCM. Patienten mit einer bereits bestehenden HCM-LVSD wurden ausgeschlossen. Genetische Analysen für 8 sarkomerische Gene (MYBPC3, MYH7, TNNT2, TNNI3, TPM1, MLY2, MYL3, und ACTC), die definitiv mit HCM assoziiert sind, wurden durchgeführt.

Zunächst wurden HCM-Patienten untersucht, ob sich eine HCM-LVSD entwickelt, charakterisiert durch eine echokardiografische LVEF von <50%. Diese neu diagnostizierten HCM-LVSD-Patienten wurden nachbeobachtet bis zum Zeitpunkt des Studienendes oder bis ein Ereignis des kombinatorischen Endpunktes aus Gesamtmortalität, Herztransplantation oder Implantation eines Herzunterstützungssystems „Left Ventricular Assist Device“ (LVAD), auftrat. Dokumentiert wurde auch das Auftreten von Vorhofflimmern und der NYHA-Klassen III und IV.

Für die Auswertung wurde das Cox-Modell (proportional hazards model) eingesetzt.

Ergebnisse

Insgesamt konnten 6.793 HCM-Patienten in die Studie zwischen 1960 und März 2019 eingeschlossen werden.

Prävalenz und klinische Eigenschaften bei HCM-LVSD

  • 553 Patienten (8,1%) erhielten während der Studie die Diagnose HCM-LVSD. Von diesen hatten bereits 203 Patienten nach der ersten Untersuchung eine LVEF von <50% und 350 Patienten entwickelten HCM-LVSD erst im Nachbeobachtungszeitraum.
  • HCM-LVSD-Patienten waren im Mittel 6,5 Jahre jünger als HCM-Patienten ohne systolische Dysfunktion (35,6 vs. 42,1 Jahre, p < 0,001).
  • Bei den 4.224 Patienten bei denen eine Genanalyse vorlag, hatten Patienten mit HCM-LVSD häufiger genetische Mutationen in den sarkomerischen Genen als Patienten ohne systolische Dysfunktion (241 von 394 (61,2%) vs. 1.767 von 3.830 (46,1%), p < 0,001).

Pathogenetische Entwicklung von HCM-LVSD:

  • Später diagnostizierte HCM-LVSD-Patienten erhielten die Diagnose HCM im Alter von 35,6 ± 19,2 Jahren und hatten dann eine LVEF von < 50% mit 50,3 ± 17,9 Jahren.
  • Die mittlere LVEF betrug bei der Diagnose HCM-LVSD 40 ± 8% und 27,1% der Patienten hatten eine LVEF von <35%.
  • 165 der 553 HCM-LVSD-Patienten (30%) hatten eine NYHA-Klasse III oder IV.
  • 74,7% der 553 HCM-LVSD-Patienten hatten im Nachbeobachtungszeitraum ein klinisch relevantes Ereignis.
  • Bei 35% der 553 HCM-LVSD-Patienten trat ein Ereignis des kombinatorischen Endpunktes auf.

- Gesamtmortalität: 128 Patienten

- Herztransplantation: 55 Patienten

- LVAD-Implantation: 9 Patienten

  • Zum Zeitpunkt der Diagnose HCM-LVSD hatten 41,6% der Patienten zusätzlich Vorhofflimmern und 39,1% einen implantierten Kardioverter-Defibrillator (ICD).
  • Der mediane Zeitraum zwischen der Diagnose HCM-LVSD und dem Auftreten eines Ereignisses des kombinatorischen Endpunktes betrug 8,4 Jahre.

Prädiktoren für die Prognose von HCM-LVSD:

  • Das Tragen einer pathogenetischen, sarkomerischen Genvariante (p=0,039), das gleichzeitige Auftreten von Vorhofflimmern (p<0,001) und eine schwerwiegende LV-Dysfunktion bei Diagnosestellung (LVEF<35%,p<0,001) führte bei den Patienten zu einer höheren Wahrscheinlichkeit ein Ereignis des kombinatorischen Endpunktes zu bekommen und das Ereignis trat früher auf.
  • Vorhofflimmern [Hazard Ratio (HR): 2,6; 95%-Konfidenzintervall (KI): 1,8-3,8] und LVEF<35% bei Diagnose der HCM-LVSD (HR: 2,0; 95%-KI: 1,4-2,8) sind unabhängige Prädiktoren.
  • Eine Genmutation in den sarkomeren Genen war kein unabhängiger Prädiktor. Jedoch hatten HCM-LVSD-Patienten mit multiplen pathogenetischen, sarkomerischen Genvariationen das größte Risiko ein Ereignis des kombinatorischen Endpunktes zu erleiden (HR: 5,6; 95%-KI: 2,4-13,3).
  • Das Alter bei Diagnosestellung zeigte einen moderaten Effekt (HR: 1,1; 95%-KI: 1,0-1,1). Das Geschlecht und die NYHA-Klassen III oder IV bei Diagnosestellung waren keine unabhängigen Prädiktoren für den kombinatorischen Endpunkt.

Entwicklungszeitraum einer HCM-LVSD:

  • Die geschätzten Inzidenzraten für HCM-LVSD betragen

- 0,5% pro Jahr nach der ersten Untersuchung

- 1,7% (95%-KI: 1,4%-2,2%) nach 5 Jahren

- 4,5% (95%-KI: 3,8%-5,3%) nach 10 Jahren

- 7,5% (95%-KI: 6,5%-8,6%) nach 15 Jahren

Prädiktoren eine HCM-LVSD zu entwickeln:

Zu den Prädiktoren eine HCM-LVSD zu entwickeln gehören:

- eine vergrößerte linke Herzkammer (HR: 1,1; 95%-KI: 1,0-1,3)

- eine vergrößerte Herzwanddicke (HR: 1,3; 95%-KI: 1,1-1,4)

- eine LVEF zwischen 50%-60% bei Baseline (HR: 1,8; 95%-KI: 1,2-2,8 – HR: 2,8; 95%-KI: 1,8-4,2)

- eine pathogene oder wahrscheinlich pathogenetische sarkomerische Genvariante, insbesondere in Genen der dünnen Filamente (HR: 1,5; 95%-KI: 1,0-2,1 und HR: 2,5; 95%-KI: 1,2-5,1).

Fazit

Diese Studie zeigt, dass ca. 8% aller HCM-Patienten eine HCM-LVSD entwickeln. Bei 75% dieser HCM-LVSD-Patienten treten weitere klinische Ereignisse auf. Hierzu gehört Vorhofflimmern, Schlaganfälle oder eine fortgeschrittene Herzinsuffizienz (LVEF <35% oder NYHA-Klasse II oder IV), sowie Herztransplantationen, LVAD-Implantationen oder Todesfälle. Die pathogene Entwicklung ist bei den Patienten verschieden und kann Jahre andauern. Pathogenetische Variationen der sarkomeren Gene spielen dabei eine Rolle.

Autor:
Stand:
19.05.2020
Quelle:

Marstrand P. et al. (2020): Hypertrophic Cardiomyopathy With Left Ventricular Systolic Dysfunction Insights From the SHaRe Registry, Circulation, DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.119.044366

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