Hinweise auf Herzversagen dank Smartwatch-EKGs

Können Smartwatches bald zum Screening für Linksherzversagen eingesetzt werden? Eine neue Studie der Mayo Clinic mit fast 2.500 Teilnehmenden liefert spannende Informationen über die Vorhersagekraft der 1-Kanal-EKGs von Apple-Watches.

Smartwatch EKG

Eine verminderte Pumpfunktion des linken Herzens kann zahlreiche Konsequenzen haben: In der Folge von sogenannter „linksventrikulärer Dysfunktion“ kommt es häufig zu pulmonaler Hypertension, Lungenstauungen, Lungenödemen und im schlimmsten Fall sogar zum kardiogenen Schock.

Die Ursachen der Linksherzinsuffizienz sind vielfältig – Koronare Herzerkrankungen, Kardiomyopathien oder medikamentöse Nebenwirkungen sind nur einige der bekannten Auslöser. Verhängnisvoll ist das Herzversagen vor allem für Betroffene, die nichts von ihrer Erkrankung wissen – und gegebenenfalls erst viel zu spät, nach der Manifestation von Folgeerscheinungen, mit einer Therapie beginnen [2].

Aktuelle Diagnosemöglichkeiten

Wesentlich für die Beurteilung der Linksherzfunktion ist neben einer ausführlichen Anamnese, einer körperlichen Untersuchung und Laborparametern wie BNP/NT-proBNP die Echokardiographie, welche z. B. die sonographische Messung der linksventrikulären Ejektionsfraktion erlaubt [3].

Große Fortschritte gab es in den letzten Jahren jedoch vor allem in der Auswertung von Elektrokardiogrammen: Mit Hilfe neuer Algorithmen und künstlicher Intelligenz scheint es möglich, Herzerkrankungen wie die Linksherzinsuffizienz anhand von 12-Kanal-EKGs zu in Mustern zu erkennen, die für das menschliche Auge nicht eindeutig sichtbar sind [4].

1-Smartwatches als Screeningmethode?

Die Idee, die von „Wearables“ generierten Daten für das Screening von kardialen Erkrankungen zu nutzen, ist generell nicht ganz neu: Bereits 2019 hatte Apple in der sog „Apple Heart Study“ untersucht, ob Smartwatches mit Hilfe ihrer Pulssensoren Rhythmusstörungen wie das Vorhofflimmern frühzeitig erkennen können.

Das Ergebnis: In 84% der Fälle, bei denen die App glaubte, ein Vorhofflimmern erkannt zu haben, lag sie tatsächlich richtig [5]. Es ist also nachvollziehbar, warum Forschende die Möglichkeiten der digitalen Helfer weiter untersuchen wollten – nun auch mit der Erweiterung der 1-Kanal-Ableitung.

Studienaufbau

Für die nun neu erschienene Studie der Mayo Clinic wurden 125.610 1-Kanal-EKGs von 2.454 Patientinnen und Patienten aus 11 Ländern über eine App gesammelt und anschließend durch künstliche Intelligenz ausgewertet. In 421 Fällen fiel die 1-Kanal-Messung innerhalb von 30 Tagen mit einem Echokardiogramm zusammen, sodass die Ergebnisse des Herzultraschalls mit den Analysen der künstlichen Intelligenz verglichen werden konnten [1].

Studienergebnisse

Die Ergebnisse der Studie waren tatsächlich beeindruckend: Der Algorithmus der Forschungsgruppe konnte von 16 Fällen, bei denen echokardiographisch eine ventrikuläre Ejektionsfraktion von unter 40% gemessen wurde, 12 Fälle voraussagen.

Die Analyse bezog sich dabei auf das EKG, welches mit dem kürzesten Abstand zum Echo abgeleitet wurde. Die Sensitivität wurde mit 75% angegeben, die Spezifität mit 78,5%.

Die sogenannte „area under the curve“ für die korrekte Vorhersage von linksventrikulärer Dysfunktion lag somit bei 0,885 (AUC; 95%-KI: 0,823 bis 0,946). 12 der 16 Patientinnen und Patienten hatten minimale oder keine Symptome eines Linksherzversagens [1].

Einordnung der Ergebnisse

Die Ergebnisse der Forschungsgruppe wecken die Hoffnung, dass ein unkompliziertes und grobes Screening auf linksventrikuläre Dysfunktionen durch Smartwatches in der breiten Bevölkerung generell möglich sein könnte.

Im Hinterkopf sollte man dennoch behalten, dass 1-Kanal-EKGs wesentlich ungenauer und fehleranfälliger als 12-Kanal-EKGs sind. Außerdem könnte eine regelmäßige Kontrolle der eigenen Herzfunktion im Alltag auch unbegründete Panik verstärken.

Trotz beeindruckender Ergebnisse können und sollen die Uhren einen Besuch in der Kardiologie im Zweifel also – zumindest nach heutigem Wissenstand – erstmal noch nicht ersetzen.

Autor:
Stand:
25.11.2022
Quelle:
  1. Attia et al. (2022): Prospective evaluation of smartwatch-enabled detection of left ventricular dysfunction. Nature medicine, DOI: 10.1038/s41591-022-02053-1
  2. Blank et al. (2013): Kursbuch Notfallsonografie. Thieme-Verlag
  3. Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) (2019): Nationale Versorgungsleitlinie Chronische Herzinsuffizienz, DOI: 10.6101/AZQ/000482
  4. Siontis et al. (2021): Artificial intelligence-enhanced electrocardiography in cardiovascular disease management. Nature reviews – Cardiology, DOI: 10.1038/s41569-020-00503-2
  5. Turakhia et al. (2019): Rationale and design of a large-scale, app-based study to identify cardiac arrhythmias using a smartwatch: The Apple Heart Study, American heart journal, DOI: 10.1016/j.ahj.2018.09.002
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