Die pulmonale Hypertonie ist ein hämodynamischer Zustand, der infolge einer Vielzahl von Erkrankungen entstehen kann. Die Therapie der pulmonalen Hypertonie ist komplex.
Pulmonale Hypertonie (PH) ist keine Krankheit, sondern ein hämodynamischer Zustand. Kennzeichnend für die pulmonale Hypertonie ist ein pulmonal arterieller Mitteldruck (PAPm) von ≥ 25 mmHg in Ruhe (Normalwert 14 ± 3 mmHg). Die pulmonale Hypertonie kann als idiopathische pulmonale Hypertonie primär auftreten oder sekundär infolge z. B. chronisch obstruktiver Lungenerkrankungen, HIV-Infektion, angeborenem Herzfehler, Erkrankungen der Schilddrüse, Schlafapnoe-Syndrom, Tumoren, bestimmter Medikamente oder Toxine u.a. entstehen.
Als pulmonal arterielle Hypertonie (PAH) wird eine präkapilläre pulmonale Hypertonie mit einer Druckerhöhung primär in der Lungenarterie bezeichnet. Bei einer PAH liegt der PAPm ebenfalls bei ≥ 25 mmHg in Ruhe, der pulmonal arterielle Verschlussdruck (PAWP) ist ≤ 15mmHg und der pulmonal-vaskulären Widerstands (PVR) ist > 3 Wood-Einheiten (WE).
Eine postkapilläre pulmonale Hypertonie wird durch einen Rückstau des Blutes (erhöhter Druck in den Lungenvenen/ Wedge-Druck > 15 mmHg) in der Regel infolge einer linksseitigen Herzerkrankung verursacht.
Prä- und postkapilläre pulmonale Hypertonie können auch gemeinsam auftreten. Diese kombinierte Form ist besonders gravierend.
Klassifikation der pulmonalen Hypertonie
Die pulmonale Hypertonie wird wie folgt klassifiziert:
Primäre pulmonale arterielle Hypertonie (PAH)
Sekundäre pulmonale arterielle Hypertonie
Pulmonale Hypertonie infolge von Linksherzerkrankungen
Pulmonale Hypertonie infolge von Lungenerkrankungen und/oder Hypoxie
Chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) und andere Pulmonalarterien-Obstruktionen
Pulmonale Hypertonie mit unklarem und/oder multifaktoriellem Mechanismus
Epidemiologie
Man schätzt, dass etwa 1 % der globalen Bevölkerung unter einer pulmonalen Hypertonie leidet. Die Prävalenz bei über 65-Jährigen soll bei rund 10 % liegen. Inzidenz und Prävalenz der verschiedenen Formen der pulmonalen Hypertonie sind sehr unterschiedlich. Verlässliche Zahlen für einzelne Formen der pulmonalen Hypertonie sind abgesehen von der pulmonal arteriellen Hypertonie und der chronisch thromboembolischen pulmonalen Hypertonie spärlich. Im Jahr 2014 betrug die Inzidenz der pulmonal arteriellen Hypertonie In Deutschland 3,9 pro 1 Million Erwachsener; die Prävalenz lag bei 25,9 pro 1 Million Erwachsener. Die Inzidenz der chronisch thromboembolischen pulmonalen Hypertonie betrug 4 pro 1 Million Erwachsener.
Linksherzerkrankungen gehören zu den häufigsten Ursachen einer pulmonalen Hypertonie. Man schätzt, dass etwa die Hälfte der ca. 1,3 Millionen Patienten mit einer Linksherzerkrankung eine pulmonale Hypertonie aufweist.
Ursachen
Für den hämodynamischen Zustand der pulmonalen Hypertonie gibt es sehr viele Ursachen. Die folgenden Listen orientieren sich an den ESC/ERS Leitlinien von 2015.
Ursachen für eine pulmonale arterielle Hypertonie sind:
Mögliches Risiko: Kokain, Phenylpropanolamin, Johanniskraut, Amphetaminartige Drogen, Gamma- und Beta-Interferon, Chemotherapeutische Agenzien wie Mitomycin C oder Cyclophosphamid
Pathogenese
Im Vergleich zum Systemkreislauf ist der Blutdruck im Lungenkreislauf niedrig. Der systolische Druck in der Pulmonalarterie entspricht dem rechtsventrikulären Druck und liegt bei etwa 25 mmHg, der diastolische Druck bei ca. 8 mmHg. In den Lungenkapillaren herrscht ein Druck von ca. 10 mmHg. Zahlreiche Ursachen (s.o.) können zu einer Erhöhung des Drucks in den Lungengefäßen führen. Man unterscheidet:
Druckerhöhung durch eine Erhöhung des Gefäßwiderstandes: z. B. infolge von Hypoxie, Hyperkapnie oder Azidose
Volumenbedingte Druckerhöhung: z.B. bei Linksherzversagen oder Mitralklappeninsuffizienz
Widerstandserhöhung durch Lungenkrankheiten
Die Druckerhöhung schädigt die Gefäße über eine hypoxische Vasokonstriktion, Mikrothrombosen und Remodeling. Es kann dabei zu einem kompletten fibrotischen Umbau der Gefäße und damit zur Manifestation einer irreversiblen pulmonalen Hypertonie unabhängig von der zugrundeliegenden Erkrankung kommen.
Die pulmonale arterielle Hypertonie kann über eine Erhöhung der Nachlast zu einer Rechtsherzhypertrophie führen, die in einer Rechtsherzinsuffizienz, dem sogenannten Cor pulmonale, mündet.
Symptome
Patienten mit pulmonaler Hypertonie können lange symptomfrei erscheinen. Erst eine besondere Belastung (z. B. eine Schwangerschaft) kann zu einer Symptomatik führen. Die Symptome der pulmonalen Hypertonie sind unspezifisch. Im Anfangsstadium der hämodynamischen Störung treten sie nur bei körperlicher oder psychischer Belastung auf. In fortgeschrittenen Fällen zeigen die Patienten sie auch in Ruhe. Zu den Symptomen der pulmonalen Hypertonie gehören:
Begleiterkrankungen und bei sekundären Formen auch die entsprechende zugrundeliegende Erkrankung verändern das Erscheinungsbild der pulmonalen Hypertonie. Einige Patienten kommen erst in die Praxis, wenn sich bereits eine Rechtsherzinsuffizienz (Cor pulmonale) infolge der pulmonalen Hypertonie entwickelt hat.
Symptome der Rechtsherzinsuffizienz
Zu den Symptomen einer Rechtsherzinsuffizienz zählen:
Ödeme in den Beinen, bei Bettlägerigkeit am Rücken (Anasarka)
Jugular-venöser Puls oberhalb des Schlüsselbein bei 45° Neigung des Oberkörpers sichtbar
Hepatomegalie (bei akuter Stauung schmerzhaft), Aszites, Stauungsgastritis deuten auf eine untere Einflussstauung hin.
Die oben beschriebene Symptomatik der pulmonalen Hypertonie ist unspezifisch. Die Anamnese kann wichtige Hinweise hinsichtlich der Ursachen für hereditäre oder sekundäre Formen der pulmonalen Hypertonie geben.
Im Anfangsstadium spielt bei der klinisch-körperlichen Untersuchung die Auskultation eine herausragende Rolle, mit anderen körperlichen Befunden ist erst später im Verlauf der pulmonalen Hypertonie und der Entwicklung einer Rechtsherzinsuffizienz (Cor pulmonale) zu rechnen.
Körperliche Befunde:
linksparasternale Pulsationen
akzentuierte Pulmonaliskomponente des II. Herztons
dritten Herzton (RV)
ein pansystolisches Herzgeräusch bei Trikuspidalklappeninsuffizienz
ein Diastolikum bei Pulmonalklappeninsuffizienz
Erhöhter Jugularvenendruck
Hepatomegalie
Aszites
periphere Ödeme
kühle Extremitäten finden sich bei Patienten mit einer fortgeschrittenen Erkrankung
Anamnese, Symptome und körperliche Befunde erlauben eine Verdachtsdiagnose. Folgende Untersuchungen werden für die weitere spezifische Abklärung des Krankheitsbildes empfohlen:
Elektrokardiogramm
Röntgen-Thorax
Echokardiographie
Lungenfunktionstest
Arterielle bzw. kapilläre Blutgas-Analyse
Ventilations-Perfusions-Szinitgraphie
Hochauflösende Computertomographie mit Kontrastverstärkung
Rechtsherzkatheter und ggf. Vasoreagibilitätstestung
Pulmonale Angiographie
Risikobeurteilung und Einteilung in Schweregrade
Risikobeurteilung und Einteilung in Schweregrade hängen bei der pulmonalen Hypertonie von unterschiedlichen Parametern ab, sind hochkomplex und sollten deshalb den spezialisierten Zentren vorbehalten bleiben.
Therapie
Die Therapie der pulmonalen Hypertonie ist multimodal und erfordert eine komplexe Strategie. Die Therapie muss darüber hinaus dem Krankheitsverlauf sowie dem Ansprechen auf einzelne therapeutische Maßnahmen stets angepasst werden.
Die grundlegende Behandlungsstrategie der ESC/ERS-Leitlinien von 2015 bei pulmonaler arterieller Hypertonie (PAH) besteht aus drei Schritten:
Schritt 1 (Erstansatz): Allgemeinmaßnahmen s.u., ggf. unterstützende Therapie, Überweisung an Experten-Zentren sowie eine Vasoreagibilitätstestung (eine signifikante Abnahme des Lungenarteriendrucks im Akuttest mit Stickstoffmonoxid), um die Indikation für eine Therapie mit Kalziumkanalblockern (calcium channel blocker [CCB]) zu klären (Ermittlung von Respondern).
Schritt 2: Einleitung der gezielten medikamentösen Therapie s.u. Die Therapiewahl muss das prognostische Risiko des Patienten, den Empfehlungsgrad und den Evidenzgrad eines jeden einzelnen Präparats oder der Kombination von Präparaten berücksichtigen. Bei Respondern sollte die Therapie mit CCB eingeleitet werden, bei allen andere Patienten mit zugelassenen PAH-Medikamenten.
Schritt 3: Behandlungsstrategien in speziellen Zentren im Fall eines unzureichenden Ansprechens auf die Therapie: Kombinationen zugelassener Medikamente, intensivmedizinische Behandlung, Ballonatrioseptostomie und Lungentransplantation.
Allgemeinmaßnahmen
Zu den Allgemeinmaßnahmen zählen:
Patientinnen mit pulmonaler arterieller Hypertonie sollten eine Schwangerschaft vermeiden
Immunisierung gegen Influenza und Pneumokokken
Psychologische Betreuung der Patienten
Betreutes körperliches Training
Sauerstoffverabreichung bei höheren Schweregraden oder außergewöhnlichen Belastungen (z. B. Flüge) in Betracht ziehen
Bei elektiven Operationen sollte, wenn möglich, eine Epiduralanästhesie der Allgemeinanästhesie vorgezogen werden
Anstrengungen, die die Symptome verstärken, sollten gemieden werden
Supportive Therapie
Der Einsatz unterstützender Therapien sollte immer unter strenger Indikationsstellung und unter der Abwägung von Risiken und Nutzen erfolgen:
Diuretika bei Patienten mit Zeichen eines Rechtsherzversagens und Flüssigkeitsretention werden empfohlen.
Eine dauerhafte Langzeitbehandlung mit Sauerstoff wird bei Patienten, deren Sauerstoffpartialdruck im arteriellen Blut dauerhaft unter 8 kPa (60 mm Hg) liegt, empfohlen.
Eine orale Antikoagulation bei idiopathischer oder hereditärer pulmonaler arterieller Hypertonie (IPAH/HPAH) oder bei einer durch Appetitzügler ausgelösten pulmonalen Hypertonie kann ihn Betracht gezogen werden.
Die Korrektur einer Anämie oder eines Eisenmangels bei pulmonaler arterieller Hypertonie kann erwogen werden.
Im Rahmen der medikamentösen Therapie erhalten Responder (Vasoreagibilitätstest) Kalziumkanalblocker. Weitere Wirkstoffgruppen, die zum Einsatz kommen, sind:
Dank der Therapien, die in den letzten Jahren eingeführt wurden, hat sich die Prognose bei pulmonaler Hypertonie deutlich verbessert. Sie bleibt aber weiterhin sehr variabel und hängt von der Ursache der hämodynamischen Störung, dem Zeitpunkt der Diagnose (Krankheitsstadium) und insbesondere der Funktion des rechten Herzens ab.
Besonders schwierig ist die Situation, wenn Patienten Risikofaktoren für mehrere Formen der pulmonalen Hypertonie aufweisen.
Prophylaxe
Eine gezielte Prophylaxe der pulmonalen Hypertonie ist nicht bekannt. Über die Prophylaxe der verschiedenen zugrundeliegenden Erkrankungen kann auch den entsprechenden Formen der pulmonalen Hypertonie vorgebeugt werden. Bei Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen kann eine rechtzeitige und ausreichende Sauerstofftherapie die Entwicklung einer pulmonalen Hypertonie verzögern oder verhindern.
Hinweise
Aufgrund der unspezifischen Symptome wird eine pulmonale Hypertonie häufig erst in fortgeschrittenen Stadien bei einem mittleren PA-Druck ≥ 50 mmHg und einer hochgradig eingeschränkten rechtsventrikulären Pumpfunktion erkannt. Die Früherkennung einer pulmonalen Hypertonie ist jedoch entscheidend für die Prognose des Patienten. Daher sollte bei einem Verdacht eine entsprechende Diagnostik in einem spezialisierten Zentrum eingeleitet werden.
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