
Die aktuelle Risikostratifizierung für die Entwicklung einer klinisch relevanten Erkrankung bei lokalisierten Prostatakarzinomen (Frühstadium) beruht auf dem Wert für das Prostataspezifische-Antigen (PSA), der histologischen Bewertung der Malignität des Gewebes nach Gleason (Gleason Grad 1 geringste und Gleason Grad 5 höchste Malignitätsstufe), sowie Anzahl und Länge der Tumoren im Gewebe.
Die in der Routinediagnostik eingesetzten Verfahren sind die Bestimmung des PSA-Wertes im Blut, die digitale Palpation und die transrektale Sonographie (TRUS) sowie im Verdachtsfall eine systematische Biopsie ohne Sichtkontrolle. Magnetresonanztomographische (MRT) Bildgebung ist zwar seit mehr als einem Jahrzehnt in der Prostatadiagnostik erfolgreich im Einsatz, gehört aber noch nicht überall zur Routinediagnostik.
Probleme bei der Routinediagnostik
In seinem Vortrag auf dem ESMO Kongress 2018 in München erklärte Professor Mark Emberton, Professor für Interventionelle Onkologie an der Abteilung für Chirurgie und Interventionelle Wissenschaften am University College London, welche Probleme er bei der Routinediagnostik von lokalisierten Prostatakarzinomen sieht [1]: „Die Ultraschalldiagnostik ist der MRT bei der Auffindung von Tumoren und deren Beurteilung unterlegen. Bei der üblichen systematischen Biopsie ohne Sichtkontrolle kann das für eine realistische Klassifizierung entscheidende Tumorgewebe verfehlt werden. Es besteht dann ein hohes Risiko, dass der Prostatatumor mit einem niedrigen Gleason Grad bewertet wird und demenentsprechend seine Malignität und klinische Relevanz für den Patienten fatal unterschätzt wird.“
Beispiel für Fehleinschätzung
Zur Illustration des Fehleranfälligkeit des üblichen Diagnostikschemas zeigte Emberton ein eindrückliches Beispiel: Zwei Patienten wiesen nach einer Routinediagnostik sehr ähnliche PSA-Werte und Gleason Grade auf. Nach einer Untersuchung im MRT mit anschließender Biopsie unter MRT-Kontrolle präsentierte sich ein völlig anderes Bild. Während der Patient mit dem geringgradig höheren PSA Wert tatsächlich unter einer weniger bösartigen Erkrankung litt, musste die Einstufung des Prostatakrebs des zweiten Patienten bei genauerer Untersuchung revidiert werden und seine Erkrankung als bösartiger als ursprünglich angenommen bewertet werden.
MRT entdeckt mehr Tumoren
Die Ergebnisse dieser zwei Einzelfälle konnte durch eine prospektive Studie [2] bestätigt werden, in der die Prostata-Diagnostik mit einer Multiparameter MRT mit einer Standard TRUS verglichen wurde. Dabei zeigte sich, dass im MRT-Arm der Studie insgesamt mehr Tumoren entdeckt wurden (51% im Vergleich zu 30% bei TRUS) und dabei auch mehr als doppelt so viele klinisch relevante Tumoren identifiziert wurden (44% im Vergleich zu 18% bei TRUS). Bei der MRT kontrollierten Biopsie, die auch im Rahmen der gleichen Studie durchgeführt wurde, konnte die Trefferquote für klinisch relevante Tumoren sogar auf insgesamt 57% erhöht werden. Diese Ergebnisse wurden auch in anderen Studien weitgehend bestätigt.
Fazit
In seinem Fazit appellierte Emberton für einen breiteren Einsatz von MRT und MRT kontrollierter Biopsie bei der Diagnostik und Risikostratifizierung von lokalisierten Prostatakarzinomen. „MRT-Untersuchungen können mehr klinische relevante Tumoren entlarven und so dafür sorgen, dass der Patient adäquat therapiert wird. Sie können aber auch zuverlässiger Entwarnung geben und so Patienten mit klinisch irrelevanter Erkrankung belastende diagnostische Eingriffe ersparen. Die Biopsie unter MRT-Kontrolle bietet darüber hinaus nicht nur sicherer Ergebnisse, sondern kann insgesamt schonender sein, weil der Arzt hier nicht „im Dunkeln stochert“ sondern die Nadel gezielt zu den Tumoren bringen kann.“