Die chronische Pankreatitis ist eine progrediente fibrosierende Entzündung der Bauchspeicheldrüse, die in eine exokrine und endokrine Organinsuffizienz mündet.
Bei der chronischen Pankreatitis wird in Folge rezidivierender Entzündungsschübe das Pankreasparenchym durch fibrotisches Bindegewebe ersetzt. Es kommt dadurch zu einem fortschreitenden Verlust der exokrinen und endokrinen Pankreasfunktion.
Epidemiologie
Die Inzidenz der chronischen Pankreatitis liegt bei etwa 1,6-23/100.000 weltweit und steigt in Abhängigkeit vom Alkoholkonsum der Bevölkerung. In Deutschland beträgt die Inzidenz 8/100.000 und die Prävalenz 27/100.000 mit einer steigenden Tendenz. Das Hauptmanifestationsalter der Erkrankung liegt zwischen 35 und 55 Jahren.
Ursachen
Den wichtigsten Risikofaktor und gleichzeitig die wichtigste Ursache für eine chronische Pankreatitis im Erwachsenenalter stellt der Alkoholabusus dar. Hier besteht ein linearer Zusammenhang zwischen der Menge und Dauer des Alkoholabusus und dem Auftreten der Erkrankung. Zwischen dem Beginn eines exzessiven Alkoholabusus und dem Auftreten einer chronischen Pankreatitis liegen in der Regel 18±11 Jahre.
Die zweithäufigste ätiologische Gruppe ist die idiopathische Pankreatitis. Hier finden sich in bis zu 45% der Fälle genetische Faktoren. Es wurde beispielsweise ein Zusammenhang zwischen dem Vorliegen von Mutationen im kationischen Trypsinogen-Gen und einer chronischen Pankreatitis gesehen. Auch Mutationen im SPINK1-Gen prädisponieren für eine idiopathische chronische Pankreatitis. Ein weiterer Risikofaktor für das Auftreten einer chronischen Pankreatitis stellt eine Mutation im CFTR (Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator)-Gen dar. Auch das Vorliegen von Chymotrypsin C-Mutationen geht mit einem erhöhten Risiko für eine chronische Pankreatitis einher.
Es konnte zudem gezeigt werden, dass Rauchen die Progression der chronischen Pankreatitis beschleunigt. Daneben kann auch ein primärer Hyperparathyreoidismus zu einer chronischen Pankreatitis führen. Es wird vermutet, dass hierbei der erhöhte Serumkalziumspiegel eine kausale Rolle spielt.
Kommt es zum Auftreten einer chronischen Pankreatitis im Kindesalter liegen in der Regel genetische Faktoren vor. Neben den genannten ätiologischen Faktoren existiert noch die Autoimmunpankreatitis.
Pathogenese
Die Pathogenese der chronischen Pankreatitis ist bisher nicht geklärt. Eine Hypothese beschreibt die Nekrose-Fibrose-Sequenz, bei der durch Einwanderung von Entzündungszellen, Sternzellen zur Synthese von Kollagen angeregt werden und dadurch Vernarbungen im Gewebe entstehen.
Die Obstruktionshypothese besagt, dass chronischer Alkoholkonsum die Zusammensetzung des Proteinsekrets ändert und dadurch Proteinpfröpfe entstehen, die den Sekretabfluss behindern und damit eine chronische Entzündung unterhalten.
Symptome
Meist ist die chronische Pankreatitis im Initialstadium asymptomatisch. Die Leitsymptome der chronischen Pankreatitis sind der gürtelförmige Oberbauchschmerz, Gewichtsverlust, das Auftreten einer Steatorrhoe sowie eines Diabetes mellitus.
Exokrine Pankreasinsuffizienz
Bei Patienten mit chronischer Pankreatitis zeigt sich in der Regel ca. 10-15 Jahre nach Auftreten erster Symptome die klinisch manifeste exokrine Pankreasinsuffizienz. Dann ist die Sekretion der entsprechenden Enzyme bereits um mehr als 90-95% reduziert.
Darauf kommt es zu einer Malnutrition, und /oder abdominellen Symptomen wie beispielsweise Diarrhoe, Steatorrhoe, abdomineller Distension, Meteorismus und Schmerzen. Schon bei subklinischer exokriner Pankreasinsuffizienz kann es zu einem deutlich erhöhten Osteoporose- und Frakturrisiko kommen. Die endokrine Insuffizienz des Pankreas bedingt das Auftreten eines Diabetes mellitus.
Diagnostik
Die Diagnostik der chronischen Pankreatitis basiert auf klinischen, morphologischen und funktionellen Parametern. Zunächst sollte die Anamnese und klinische Untersuchung der Patienten erfolgen. Danach empfiehlt die Leitlinie die Durchführung einer Sonographie und bei klinischem Verdacht auf eine Pankreatitis die Endosonographie. Hierbei kann gleichzeitig eine endosonographisch gestützte Feinnadelpunktion erfolgen.
Bei unklaren Sonographie bzw. Endosonographiebefunden kann eine Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT) oder auch eine Magnetresonanz-Choleangiopankreatikographie (MRCP) die Diagnostik ergänzen. Die Befunde der bildgebenden Verfahren sollten gemäß der Leitlinie anhand der Cambridge-Klassifikation und deren Adaptation auf das jeweilige Verfahren bewertet werden.
Auch das Auftreten von Komplikationen wie beispielsweise Nekrosen, Zysten, Pseudoaneurysmata oder auch das Auftreten eines Karzinoms können durch die entsprechenden bildgebenden Verfahren detektiert werden.
In Deutschland liegt als Referenzverfahren zur direkten Messung der exokrinen Pankreasfunktion der Sekretin-Test vor. Dieser Test wird entsprechend der Leitlinie im Rahmen von Gutachten empfohlen. In der klinischen Routine sollte ein nicht invasiver Test, wie beispielsweise der fäkale Elastase-Test (mit spezifischen Antikörpern) durchgeführt werden. Alternativ können Atemtests mit 13C-markierten Lipiden durchgeführt werden.
Da Diabetiker ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer exokrinen Pankreasinsuffizienz aufweisen, sollten bei ihnen Pankreasfunktiontests bei klinischen Symptomen einer exokrinen Pankreasinsuffizienz durchgeführt werden.
Patienten, die an einer chronischen Pankreatitis erkrankt sind und erkrankte Verwandte ersten oder zweiten Grades haben, sollten gemäß der S3-Leitlinie eine molekular-genetische Testung auf Mutationen im PRSS1-Gen angeboten werden. Bei Patienten, die eine Mutation in diesem Gen aufweisen, ist ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Pankreaskarzinoms bekannt. Für Mutationen im SPINK1-, CFTR- und CTRC-Gen konnte dies gemäß der Leitlinie bisher nicht nachgewiesen werden.
Therapie
Die Therapie der chronischen Pankreatitis erfolgt aufgrund fehlender kausaler Therapieansätze symptomatisch mittels Enzymsubstitution, Analgesie sowie optimierter Einstellung der endokrinen Pankreasfunktionsstörung.
Die Quantifizierung der Schmerzen bei einer chronischen Pankreatitis sollte mit Hilfe eines validierten Schmerzscores, wie beispielsweise einer visuellen Analogskala, erfolgen. Die Schmerztherapie selbst kann gemäß der Leitlinie mittels WHO-Stufenschema erfolgen. Zudem können bei Patienten, die sich in einem inoperablen Zustanden oder aufgrund ihres Allgemeinzustandes in einer infausten Prognose befinden, eine Plexus coeliacus-Blockade oder eine thorakoskopische Splachnikektomie zur Schmerztherapie erwogen werden. Zu beachten ist hierbei, dass die Plexus coeliacus-Blockade nur für wenige Wochen bis Monate effektiv ist.
Akuter Schub
Der akute Schub einer chronischen Pankreatitis wird nach den gleichen Prinzipien wie die akute Pankreatitis behandelt. Die häufigsten Ursachen für das Auftreten eines akuten Schubes sind ein fortgesetzter Alkoholabusus oder auch Diätfehler.
Der akute Schub kann in zwei Formen eingeteilt werden: die akute interstitiell-ödematöse Pankreatitis (75-85%) mit einer Letalität von unter 1% und die akute hämorrhagisch-nekrotisierende Pankreatitis (15-25%) mit einer Letalität von 10-24%. Die Therapie sollte eine rasche und adäquate Flüssigkeitssubstitution beinhalten. Diese sollte entsprechend der Leitlinie wenn möglich durch ein Thermodilutionssystem gesteuert werden. Es sollten überwiegend kristalloide und nicht kolloidale Lösungen zur Flüssigkeitssubstitution verwendet werden. Eine drainierende Magensonde wird gemäß der Leitlinie nur zur Prophylaxe und Therapie eines paralytischen Ileus empfohlen und kann bei Fehlen einer Subileus- oder Ileussymptomatik mit Erbrechen unterbleiben. Bei schwerer Verlaufsform kann eine Säureblockade zur Stressulkusprophylaxe empfohlen werden. Zudem benötigen die Patienten eine adäquate Schmerztherapie.
Ernährung
Die enterale Ernährung ist der parenteralen Ernährung bei der akuten Pankreatitis überlegen. Bei schwerer Verlaufsform der Pankreatitis sollte die enterale Ernährung vorzugsweise über eine gastrale oder jejunale Ernährungssonde erfolgen. Bei manchen Patienten mit nekrotisierender Pankreatitis kann eine zusätzliche intravenöse Substitution zur Verhinderung einer Katabolie erforderlich sein. Zudem sollte ein zügiger Beginn einer oralen Ernährung angestrebt werden.
Patienten in der terminalen Phase der Erkrankung weisen häufig einen Mangel an den Vitaminen A, D, E und K sowie einen Mangel an Kalzium, Magnesium, Zink, Thiamin und Folsäure auf. Eine orale Nahrungssupplementation sowie eine individuelle Ernährungsberatung können den Ernährungszustand positiv beeinflussen. Zudem sollte entsprechend der Leitlinien der deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin auf eine ausreichende Kalorienzufuhr mit 25-30kcal/kg KG/Tag und eine Eiweißzufuhr von 1,5g/kg KG/Tag geachtet werden. Werden diese Ziele nicht über diätetische Maßnahmen erreicht, kann der Einsatz von Trinknahrung evaluiert werden. Die Nahrungsaufnahme sollte mittels kleiner häufiger Mahlzeiten erfolgen.
Enzymsubstitution
Die Leitlinie empfiehlt die Enzymsubstitution beim Vorliegen einer chronischen Pankreatitis, wenn ein Gewichtsverlust von mehr als 10% des Körpergewichts, eine Steatorrhoe mit Stuhlfettausscheidung von mehr als 15 g/Tag und dyspeptischen Beschwerden mit starkem Meteorismus oder Diarrhoe vorliegt. Die Enzympräparate enthalten meist Pankreatin, welches die Hauptkomponenten Lipase, Amylase, Trypsin und Chymotrypsin enthält. Der Erfolg der Substitutionstherapie sollte anhand der klinischen Besserung der Symptome erfolgen. In unklaren Fällen können die Stuhlfettausscheidung oder auch Pankreasfunktionstests, z.B. 13C-markierte Lipide zur Therapiekontrolle genutzt werden. Zudem sollte ein Defizit an Vitaminen und Spurenelementen gezielt ausgeglichen werden.
Patienten mit einer chronischen Pankreatitis sollten den Konsum von Alkohol vermeiden. Beim Vorliegen einer infizierten Pankreasnekrose empfiehlt die Leitlinie zunächst die konservative Therapie selbiger. Kommen endoskopische/interventionelle Verfahren zum Einsatz, sollten diese möglichst spät im Krankheitsverlauf eingesetzt werden.
Endoskopische und interventionelle Therapie der chronischen Pankreatitis
Im Rahmen des natürlichen Verlaufs der chronischen Pankreatitis benötigen zwischen 30 und 60% der Patienten letztendlich eine Intervention. Ursächlich können beispielsweise interventionspflichtige Stenosen des Ductus hepatocholedochus, aber auch Pankreasgangstenosen oder Pankreasgangsteine sein. Auch das Vorliegen von Pankreaspseudozysten kann eine interventionelle Behandlung erforderlich machen. Ferner sollte bei einem Verdacht auf das Vorliegen eines malignen Prozesses ein chirurgisches Vorgehen gemäß der Leitlinie gewählt werden.
Prognose
Das Vorliegen einer chronischen Pankreatitis führt zu einer Einschränkung der Lebenserwartung der Patienten. Die Letalität liegt bei einer mittleren Beobachtungszeit von 6,3-9,8 Jahren bei etwa 12,8-19,8%. Die Gesamtletalität beträgt 28,8-35%. Insgesamt ist die Sterblichkeit bei der chronischen Pankreatitis 3,6-fach erhöht im Vergleich zur Normalbevölkerung. Einen negativen Einfluss auf die Prognose der Erkrankung haben insbesondere ein fortgesetzter Alkoholabusus, eine Leberzirrhose und Rauchen. Ferner stellt die Erkrankung einen Risikofaktor für die Entwicklung eines Pankreaskarzinoms dar. Das Risiko für die Entwicklung eines Pankreaskarzinoms ist insbesondere erhöht beim Vorliegen einer PRSS1-Mutation sowie bei Patienten, die rauchen.
Komplikationen
30-60% der Patienten, die an einer chronischen Pankreatitis leiden, entwickeln im Rahmen ihrer Erkrankung Komplikationen. Zu diesen charakteristischen Komplikationen zählen beispielsweise das Auftreten von Pseudozysten, Pankreasgangstenosen, Duodenalstenosen, Gefäßkomplikationen, Kompression der Gallenwege, Mangelernährung, Pankreaskarzinom oder auch ein Schmerzsyndrom.
Prophylaxe
Eine spezifische Prophylaxe zur Vermeidung einer chronischen Pankreatitis ist derzeit nicht bekannt. Alkoholkarenz und der Verzicht auf Nikotin können, da sie häufige ätiologische Faktoren bzw. Progressionsfaktoren sind, helfen das Risiko einer chronischen Pankreatitis zu reduzieren.
AWMF S3-Leitlinie: Chronische Pankreatitis. AWMF Registriernummer 021-003 gültig bis 31.08.2017. Wird derzeit überarbeitet
AWMF Leitlinie S3 Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin in Zusammenarbeit mit der GESKES, der AKE und der DGVS: Klinische Ernährung in der Gastroenterologie (Teil 2) – Pankreas. AWMF Register-Nr. 073/025
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