Hepatitis D ist eine durch den Hepatitis D-Virus (HDV) ausgelöste Leberentzündung. Das Virus zählt zu den nackten RNA-Viren und wurde früher auch Delta-Virus genannt. Die Infektion tritt nur in Verbindung mit einer Hepatitis B-Infektion auf.
Epidemiologie
Weltweit sind mehr als 10 Millionen Menschen mit HDV infiziert. In Süditalien, Zentralafrika und dem vorderen Orient tritt HDV wesentlich häufiger auf als in Deutschland. Dort ist die Durchseuchung mit HDV bei HBsAg-Trägern bis zu 90% (Menschen, die eine HBV-Infektion durchgemacht haben oder durchmachen, sind zumeist HBsAg-Träger). In Deutschland liegt sie unter 1% - Neuinfektionen mit HDV sind hier sehr selten.
Im Jahr 2018 lag die Inzidenz der Hepatitis D Erkrankungen bei 59. Zum Vergleich: An Hepatitis C erkrankten im gleichen Jahr 5.981 Personen, an Hepatitis B 4.507 Menschen. Im Vergleich zu den Vorjahren sind die HDV-Fallzahlen stetig von weniger als 10 Fällen in 2009. Der Anstieg ist vermutlich darin zu begründen, dass 2015 die Falldefinition und 2017 das Infektionsschutzgesetz geändert wurden. Männer erkranken mit 73% häufiger als Frauen. Die Altersgruppe zwischen 30 und 49 Jahren ist am stärksten betroffen. Besonders häufig betroffen sind Drogenabhängige, die intravenös konsumieren. Sie gelten in Deutschland als eines der Hauptreservoirs für das Virus.
Ursachen
Die virale Hepatitis D wird durch den zur Familie der Hepadnaviren (Hepadnaviridae) gehörenden Hepatitis D-Virus ausgelöst. Von dem Virus sind drei verschiedene Genotypen bekannt: Typ I kommt vorrangig in der westlichen Welt, Taiwan und dem Libanon vor, Typ II findet man in Ostasien und Typ III in Südamerika. Einer Infektion mit Hepatitis D geht immer entweder eine Infektion mit Hepatitis B Viren (HBV) voran oder es kommt zu einer gleichzeitigen Infektion, da HDV sich nur vermehren kann, wenn Leberzellen auch mit HBV infiziert sind.
Pathogenese
Ähnlich wie HBV kann HDV über drei verschiedene Infektionswege übertragen werden: sexuell, parenteral oder perinatal. Häufig wird es sexuell übertragen. Über verseuchte Spritzenbestecke, Blut und Blutprodukte kann es jedoch auch parenteral über die Blutbahn übertragen werden. Ebenso wie HBV besteht zusätzlich das Risiko, HDV während der Geburt, perinatal, von der Mutter auf das Neugeborene zu übertragen.
Die Inkubationszeit von HDV-HBV-Koinfektionen liegt zwischen drei und sieben Wochen, kann aber auch bis zu sechs Monate dauern.
Nach der Infektion dringen die HB-Viren in die Leberzellen, die Hepatozyten, ein. Dort wird ihre RNA in den Zellkern geschleust. Um sich zu vermehren, braucht das HD-Virus zwingend das HBV. Der genaue Mechanismus hinter der Replikation und Infizierung mit HDV ist noch nicht bekannt. Im Gegensatz zu HBV ist HDV allerdings selbst zytotoxisch und löst nur an den Leberzellen selbst Schäden aus. Eine Superinfektion aus HBV und HDV bewirkt deshalb schwere Läsionen in der Leber.
Es wird zwischen einer Superinfektion mit HBV und HDV und einer Simultaninfektion oder Koinfektion eines HBsAg-Trägers mit HDV unterschieden. Die HBV+HDV-Superinfektion ist die häufigere Form.
Meist tritt die Superinfektion auf, wenn die HBV-Infektion von einer replikativen in eine nicht-replikative Form übergeht, das HBe-Ag verloren geht und Anti-HBe auftritt. Die Simultaninfektion von HBV und HDV ist seltener. Sie ist meist gekennzeichnet durch einen zweizeitigen Anstieg der Transaminasen: zunächst durch die HBV-Infektion und anschließend ein zweites Mal durch die HDV-Infektion.
Symptome
Die Symptome sind zunächst unspezifisch mit einem Krankheitsgefühl, Appetitlosigkeit und einem Druck im rechten Oberbauch. Im Verlauf kommt es zur Gelbsucht (Ikterus). Auch dunkler Urin und heller Stuhl zählen zu den auftretenden Symptomen.
Generell können die gleichen Symptome wie bei einer einfachen HBV-Infektion auftreten. Superinfektionen verursachen jedoch meist schwerere akute Krankheitssymptome und haben mit fünf bis 20% ein wesentlich höheres Risiko für einen fulminanten Verlauf.
Diagnostik
Am Anfang der Diagnostik steht die Anamnese. Wie bei anderen viralen Hepatitiden sollte auch hier der gesamte mögliche Inkubationszeitraum von mehreren Monaten rückwirkend abgefragt werden.
Zusätzlich sollten die Reiseanamnese und das Risikoprofil des Patienten erfragt werden.
Labor
Bei Verdacht auf eine HDV-Infektion erfolgt zunächst eine HBV-Labordiagnostik. Sind HBsAg, HBV-DNA oder beide Titer im Serum positiv, sollten mittels ELISA die HDV-RNA sowie anti-HDV-IgM bestimmt werden.
Im Falle einer Superinfektion eines HBsAg-Trägers mit HDV sind anti-HDV-IgM und HDV-RNA positiv, anti-Hbc-IgM negativ und HBsAg persistierend positiv. Bei Simultaninfektion von HBV und HDV sind anti-HDV-IgM und HDV-RNA ebenfalls positiv. Im Gegensatz zur Superinfektion sind aber auch anti-Hbc-IgM positiv und HBsAg anfangs positiv.
Zusätzlich werden die Leberenzyme wie GOT und GPT sowie Cholestaseparameter mit AP und gamma-GT bestimmt, um den Zustand der Leber zu evaluieren.
Apparative Diagnostik
Ist eine Superinfektion durch das Labor bestätigt worden, kann eine Leberbiopsie erfolgen, um auch immunhistochemisch im Gewebe HBV und HDV nachzuweisen und um einen Eindruck davon zu bekommen, wie der aktuelle Zustand der Leber ist. Eine Biopsie ist jedoch nicht zwingend notwendig.
Therapie
Eine Infektion mit Hepatitis B und Hepatitis D verläuft häufiger fulminant. Deshalb ist eine Therapie wichtig und es sollte an die Compliance der Patienten appelliert werden. Behandelt wird wie bei Hepatitis B auch mit einer Peg-Interferon-Therapie, dem Peginterferon alfa-2a. Die Therapiedauer beträgt zwei Jahre. Bei wie vielen Patienten eine vollständige Viruselimination erreicht werden kann, ist laut Studienlage (Stand Dezember 2019) nicht ganz klar. Manche sprechen von einem Viertel der Fälle, andere von bis zu 70%. Ein Rückfall nach Therapieende ist nicht selten. Viele Patienten bleiben selbst nach erfolgreicher Therapie HDV-RNA positiv.
In besonders schweren Fällen bleibt die Lebertransplantation als letzte Therapieoption.
Prognose
70 bis 90% der HDV-Fälle haben einen schweren chronischen Verlauf. Das Risiko für Leberzirrhosen ist deutlich höher als bei Hepatitis B, ebenso die Letalität.
Da ähnlich wie bei der Hepatitis B auch ein erhöhtes Risiko für Leberzellkarzinome wie das hepatozelluläre Karzinom (HCC) bestehen, sind Verlaufskontrollen in regelmäßigen Abständen notwendig. Diese können, je nach Stadium der Erkrankung, halbjährlich bis jährlich durchgeführt werden.
Prophylaxe
Das Hepatitis D Virus kann sich in der Leber nur vermehren, wenn gleichzeitig eine HBV-Infektion vorliegt oder der Patient HBsAg-Träger ist. Eine Impfung gegen HDV gibt es nicht. Um das Risiko für HDV-Infektionen zu reduzieren, hilft jedoch eine HBV-Impfung, da der HDV-Infektion so die Grundlage entzogen wird.
Neben der Impfung sollten risikogefährdete Personen wie HBsAg-Träger und HBV-Infizierte Vorsichtsmaßnahmen und generelle Hygienemaßnahmen ergreifen. Der Kontakt mit möglicherweise kontaminierten Körperflüssigkeiten sollte vermieden werden. Ebenso sollte bei jedem Geschlechtsverkehr ein Kondom verwendet werden, um die sexuelle Ansteckungsgefahr gering zu halten.
Hinweise
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 IfSG müssen sowohl der Krankheitsverdacht als auch die Erkrankung und der Tod durch eine akute Virushepatitis mit HDV namentlich gemeldet werden. Dies ist unabhängig vom klinischen Bild und dem Infektionsstadium. Die Meldung muss innerhalb von 24 Stunden beim jeweiligen Gesundheitsamt erfolgen.