Das Reye-Syndrom ist eine äußerst seltene akute Enzephalopathie bei Kindern, die meist wenige Tage nach einem viralen Infekt und der Einnahme von Acetylsalicylsäure auftritt. Eine Kausalbehandlung gibt es nicht; die Mortalität ist hoch.
Das Reye-Syndrom (ICD-10 G93.7) ist eine extrem seltene, schwere und oft letal verlaufende pädiatrische Erkrankung, die durch eine akute, nicht-inflammatorische Enzephalopathie und fettige Degeneration der Leber gekennzeichnet ist. Das Syndrom entwickelt sich gewöhnlich nach einem viralen Infekt der oberen Atemwege oder Infektionskrankheiten wie Windpocken, Gastroenteritis und Influenza; eine Assoziation mit Salicylaten, insbesondere Acetylsalicylsäure (ASS), gilt als wahrscheinlich. Man geht davon aus, dass kombinierte Effekte von Virus und ASS die Mitochondrien von Leber, Gehirn und Muskulatur schädigen. Sehr selten kann das Reye-Syndrom auch ohne vorherigen Infekt auftreten.
Die Krankheit verläuft typischerweise biphasisch. Wenige Tage nach einem viralen Infekt kommt es zu heftigem, unaufhörlichem Erbrechen. Darauf folgen Verhaltensänderungen und Bewusstseinsstörungen, Halluzinationen, Krampfanfälle, Tachypnoe, zunehmende Agitiertheit, Dezerebrationsstarre und Koma – am Ende steht ein tiefes Koma mit totaler Muskelschlaffheit und nicht selten der Tod. Die Mortalität liegt bei etwa 20–30 Prozent. Für eine vollständige Genesung sind eine rasche Erkennung und sofortige intensivmedizinische Therapie von entscheidender Bedeutung. Die Diagnose stützt sich auf klinische Merkmale, Laboruntersuchungen, einer Leberbiopsie und bildgebenden Verfahren. Einen spezifischen diagnostischen Test für das Reye-Syndrom gibt es nicht [1,2].
Epidemiologie
Das Reye-Syndrom tritt weltweit auf, allerdings mit erheblichen regionalen Unterschieden. Die meisten Fälle werden aus Australien (hier wurde das Syndrom 1963 vom Pathologen Douglas Kenneth Reye erstmalig beschrieben), den USA, Südafrika, Thailand und England berichtet. In einigen Staaten der USA wurde ein epidemisches Vorkommen im Rahmen von Influenza-B-Infektionen beobachtet, insbesondere nach der Einnahme von Acetylsalicylsäure.
Zwischen 1979 und 1980 meldeten die US-amerikanischen Zentren für Krankheitskontrolle und -prävention (Centers for Disease Control and Prevention, CDC) 555 Diagnosen des Reye-Syndroms, zwischen Dezember 1980 und November 1997 lag die Zahl bei 1.207 Fällen. Von durchschnittlich 100 Erkrankungen pro Jahr in den Jahren 1985 und 1986 sank die Inzidenz auf durchschnittlich 36 Fälle jährlich zwischen 1987 und 1993. Seit 1991 ist die Inzidenz nochmal drastisch zurückgegangen; zwischen 1991 und 1994 wurden in den Vereinigten Staaten 0,2 bis 1,1 Fälle pro Million Einwohner gemeldet. Seit 1994 werden jährlich weniger als zwei Reye-Syndrom-Diagnosen an die CDC übermittelt. Da die Meldung aber nicht mehr vorgeschrieben ist, könnte die tatsächliche Inzidenz etwas höher liegen.
Der Rückgang der Inzidenzen hat folgenden Hintergrund: Ab 1980 wurde in den USA intensiv und öffentlich vor der Einnahme von Acetylsalicylsäure bei Kindern gewarnt. Daraufhin reduzierte sich die Zahl der gemeldeten Fälle des Reye-Syndroms deutlich. Ähnliche Muster waren im Vereinigten Königreich zu beobachten, nach dem auch dort 1986 Warnungen vor der Anwendung von ASS bei Kindern unter zwölf Jahren verbreitet wurden. Hier ging die jährliche Inzidenz von 81 Fällen in den Jahren 1983–84 auf fünf Fälle in den Jahren 1996–97 zurück. Vergleichbare Inzidenz-Verläufe wurden auch in Frankreich registriert.
In Westdeutschland lag die Inzidenz des Reye-Syndroms zwischen 1983 und 1985 bei 0,04–0,05 Fällen pro 100.000 Kinder unter 18 Jahren. Insgesamt wurden 15 Fälle gemeldet, das ergibt rund fünf Fälle pro Jahr. Acht Kinder starben. Drei Patienten erhielten kurz vor Ausbruch der Krankheit Acetylsalicylsäure und zwei wurden mit Paracetamol behandelt.
Am häufigsten erkranken Kinder zwischen fünf bis 14 Jahren; es sind jedoch auch Fälle bei Kindern im Alter von unter einem Jahr und bei älteren Patienten beschrieben. Eine Geschlechterpräferenz gibt es nicht, Mädchen und Jungen sind etwa gleich häufig betroffen. Die Erkrankung unterliegt saisonalen Schwankungen, die meisten Diagnosen werden von Dezember bis April gestellt [3,4–10].
Ursachen
Das Reye-Syndrom ist multifaktoriell bedingt. In den meisten Fällen besteht eine Assoziation mit viralen Erregern. CDC-Überwachungsdaten aus den Jahren 1980–1997 zeigen, dass einem Reye-Syndrom in 73 Prozent der Fälle eine Influenza-Infektion, in 21 Prozent eine Varizellen-Erkrankung und in 14 Prozent der Fälle eine virale Gastroenteritis vorausging. Salicylat-Konzentrationen im Serum waren bei 82 Prozent der Patienten nachweisbar. Seltener bestanden virale Assoziationen mit Coxsackie-, Parainfluenza-, Epstein-Barr-, Zytomegalie-, Adeno- und Hepatitisviren. Bakterielle Erreger wie Chlamydien, Bordetella pertussis, Mykoplasmen und Shigellen werden ebenfalls mit der Entwicklung des Reye-Syndroms in Verbindung gebracht.
Mehrere Fall-Kontroll-Studien legen einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Salicylaten und der Entwicklung eines Reye-Syndroms nahe. Während weniger als 0,1 Prozent der Kinder, die ASS erhielten, das Reye-Syndrom entwickelten, hatten mehr als 80 Prozent der Kinder, bei denen das Reye-Syndrom diagnostiziert wurde, in den vorangegangenen drei Wochen ein ASS-Präparat eingenommen. Diese Daten führten 1980 zu den bereits erwähnten Empfehlungen gegen die Verwendung von ASS bei Kindern unter zwölf Jahren. Die YALE-Studie aus dem Jahr 1989 ergab sogar einen Ursache-Wirkung-Effekt. So erhöhte selbst eine Gesamtdosis von weniger als 45 mg pro Kilogramm Körpergewicht das Risiko für ein Reye-Syndrom um das 20-Fache [4,8,11,12].
Pathogenese
Die genaue Pathogenese des Reye-Syndroms ist bis heute unklar. Eine mitochondriale Schädigung im Zusammenhang mit einer vorangegangenen Virusinfektion scheint eine unabdingbare Voraussetzung für die Entwicklung der Erkrankung zu sein. Eine Reihe von Virusinfektionen schädigt transient Kupffer-Zellen und deren Funktion – mit der Folge einer Endotoxämie und Zytokin-Kaskade. In Kombination mit Acetylsalicylsäure – so die weit verbreitete These – setzen Makrophagen den Tumornekrosefaktor (TNF) und Interleukin-1 (IL-1) frei. Mitochondrien werden geschädigt oder mitochondriale Funktionsstörungen aufrechterhalten, was die Oxidation der Fettsäuren beeinträchtigt. Die entstehenden Zwischenprodukte hemmen den Harnstoffzyklus, die Ketogenese, die Glukoneogenese und den Zitronensäurezyklus [1–3,8].
Die klinischen Befunde beim Reye-Syndrom sind mit einer durch Mitochondriendysfunktion verursachten Hepatotoxizität vereinbar. Mitochondrien liefern den Großteil der Energie für die Leberzellfunktion über oxidative Phosphorylierung, die durch den Tricarbonsäurezyklus und die Oxidation langkettiger Fettsäuren (LCFA) gespeist wird. Sie sind zudem eng in Zelltodprozesse wie den mitochondrialen Permeabilitätsübergang (MPT) eingebunden. Dabei handelt es sich um die Öffnung einer Cyclosporin-empfindlichen Pore in der inneren Membran der Mitochondrien, die zu Schwellung, Depolarisation, Ausfall der oxidativen Phosphorylierung und Zelltod durch Apoptose oder Nekrose führt. Beim Reye-Syndrom deutet vieles darauf hin, dass mitochondriales Versagen das Ergebnis einer gestörten oxidativen Phosphorylierung und beeinträchtigten Fettsäureoxidation von LCFA ist.
Eine mikrovesikuläre Steatose ist eine wahrscheinliche Folge. Als weiterer Faktor sammeln sich toxische Acetyl-CoA-Ester in den Mitochondrien an und freies Coenzym A wird sequestriert. Erhöhte Ammoniakspiegel und eine Hypoglykämie – wie sie beim Reye-Syndrom vorkommen – sind nur zwei Beispiele, die auf eine mitochondriale Dysfunktion zurückzuführen sind. Die Prozesse werden womöglich durch eine ASS-induzierte Acetylierung eines Proteins in der inneren Membran der Mitochondrien verstärkt.
Die Hemmung der mitochondrialen Oxidation würde also eine Fettinfiltration und schwere Leberfunktionseinschränkung bedingen, die konsekutiv erhöhten Ammoniak-Plasma-Konzentrationen wiederum die Entwicklung eines diffusen Hirnödems mit erhöhtem Hirndruck – wodurch die Enzephalopathie-assoziierten neurologischen Beschwerden beim Reye-Syndrom erklärbar wären [8].
Tiermodell und Pathologie
Die Theorie wird durch Erkenntnisse am Tiermodell und pathologische Untersuchungen untermauert. In Ratten-Hepatozyten hemmt TNF beispielsweise die Fettsäureoxidation; das Influenza-B-Virus hat bei Mäusen ähnliche Wirkungen. Nach subletalen Dosen von Endotoxin weisen Ratten erhöhte Konzentrationen von Ammoniak und freien Fettsäuren im Plasma auf und entwickeln neben einer Leberfettinfiltration mitochondriale Schäden. Unreife Nagetiere scheinen empfindlicher auf die Auswirkungen von TNF zu reagieren. ASS steigert in vitro die Freisetzung von TNF durch Mausmakrophagen [1,813].
Pathologische Untersuchungen zeigen eine mikrovesikuläre Leberverfettung (sogenannte weiße Leber) mit einem verminderten Glykogengehalt. Elektronenmikroskopisch sind vergrößerte Mitochondrien mit reduzierter Matrix nachweisbar. ZNS-Autopsien bestätigten eine neuronale Degeneration mit ausgeprägtem Hirnödem, ohne zerebrale oder meningeale Entzündungszeichen [3].
Symptome
Das Reye-Syndrom verläuft typischerweise biphasisch. Nach einer überstandenen viralen Infektion der oberen Atemwege oder einer Gastroenteritis kommt es wenige Tage später zu heftigem, unstillbarem Erbrechen. Der Zeitraum kann zwischen zwölf Stunden und drei Wochen betragen. Am häufigsten beginnt das Erbrechen aber zwischen drei und sechs Tagen nach dem viralen Prodromalstadium. Das Kind ist ruhelos und gereizt – ausgeprägte gewalttätige Ausbrüche sind beschrieben. Darauf folgen Bewusstseinsstörungen, Halluzinationen, Krampfanfälle, Tachypnoe, zunehmende Agitiertheit, Dezerebrationsstarre und Koma – nicht selten mit letalem Ausgang.
Die Enzephalopathie verläuft üblicherweise in fünf Phasen. Die Stadieneinteilung erfolgt von I–V nach Huttenlocher [1–3].
Stadium I
anhaltendes, starkes Erbrechen
Lethargie, Apathie, Verwirrtheit
plötzlich keine Angst mehr vor einer Blutentnahme
normale Reflexe und Schmerzreaktion
Muskeltonus der unteren Extremität gesteigert
Glasgow Coma Scale (GCS) > 8
Stadium II
zunehmende Somnolenz und Desorientiertheit, unterbrochen von läppischem/inadäquatem Verhalten
Die Geschwindigkeit und der Grad der neurologischen Verschlechterung variieren; meist ist die komplette neurologische Sequenz aber innerhalb von zwei Tagen erreicht. In jedem Komastadium kann das Kind spontan erwachen, eine langsame Restitutio ad integrum ist möglich. Außer einer Hepatomegalie gibt es in der Regel keine klinischen Lebersymptome [3].
Komplikationen
Das Reye-Syndrom ist mit mannigfaltigen Komplikationen assoziiert. Dazu zählen unter anderem [2]:
unklare zerebrale Herniation durch gesteigerten intrakraniellen Druck
Tod
Diagnostik
Die Diagnose stützt sich stark auf die (Fremd-)Anamnese (Infekt, ASS) und Klinik, Laborparameter, Leberbiopsie und Bildgebung – einen Reye-spezifischen Test gibt es nicht.
Die CDC hat das Reye-Syndrom anhand der folgenden Kriterien definiert:
Akute nicht-entzündliche Enzephalopathie, die klinisch dokumentiert ist durch
eine Veränderung des Bewusstseins und, falls vorhanden,
Liquorbefund mit ≤ 8 Leukozyten/cm3 oder histologischer Nachweis eines Hirnödems ohne perivaskuläre oder meningeale Entzündungszeichen.
Hepatopathie, dokumentiert entweder durch
eine Leberbiopsie oder Autopsie, die die Diagnose des Reye-Syndroms sichert, oder
einen dreifachen oder höheren Anstieg von ASAT und ALAT oder eine erhöhte Ammoniak-Konzentration im Serum.
Die zerebralen und hepatischen Veränderungen können nicht durch andere ursächliche Faktoren erklärt werden [12].
Bei Verdacht auf das Reye-Syndrom soll der Patient unverzüglich einer intensivmedizinischen Versorgung zugeführt werden.
Neurologische Untersuchungen
Neben einem Intensivmonitoring der Kreislauf- und respiratorischen Parameter wird der Patient auf Hirndruckzeichen untersucht. Auf eine dekompensierte intrakranielle Drucksteigerung weist die klassische Trias aus Kopfschmerzen, Erbrechen und Stauungspapille. Weitere hinweisgebende Zeichen sind:
Nausea, Inappetenz
Vigilanzstörungen, Somnolenz, Apathie
Unruhe, Agitiertheit
psychiatrische Auffälligkeiten
Anisokorie
Beuge- und Strecksynergismen
Tachypnoe
Der GCS-Wert sollte alle zwei bis drei Stunden ermittelt werden [1–3].
Labor
Der Verdacht auf Reye-Syndrom wird mittels Laborparameter erhärtet. Abweichend von der klinischen Symptomatik weisen die Laborbefunde stets auf ein Leberversagen hin.
Neben Basislabor und Blutgruppe sollten folgende Werte bestimmt werden [1–3,15–17]:
NH3 (anfangs normal, Anstieg innerhalb von ein bis zwei Tagen nach Beginn der mentalen Veränderungen bzw. im Stadium III–IV, mit zunehmendem Koma dreifach erhöht)
ASAT, ALAT (mind. dreifach erhöht)
γGT und AP (normal)
Amylase, Lipase, Bilirubin (anfangs normal, Anstieg im Stadium III–IV)
Die Diagnosesicherung mittels Leberbiopsie und Nachweis einer veränderten Mitochondrienstruktur sowie einer panlobulären mikrovesikulären Steatose wäre wünschenswert. Dies ist beim Reye-Syndrom aufgrund der meist schweren Gerinnungsstörung aber oft nicht möglich [1–3].
Bildgebung
Eine Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) sowie eine Elektroenzephalografie (EEG) sind bei jedem Kind mit Enzephalopathie obligat. Bei Säuglingen können eine Schädelsonografie und ggf. zerebrale Blutflussmessungen erwogen werden [1].
Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnostisch müssen ein Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel (MCAD-Mangel) und andere Stoffwechseldefekte ausgeschlossen werden (in der Regel durch Stoffwechselscreening bereits abgeklärt). Weitere mögliche Differenzialdiagnosen sind [1,2]:
Das Reye-Syndrom ist eine rasch fortschreitende Erkrankung, die eine unverzügliche Therapieeinleitung erfordert. Bereits in der Anfangsphase sind invasive Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der metabolischen, hämodynamischen und respiratorischen Stabilität notwendig. Eine Kausalbehandlung steht nicht zur Verfügung. Wichtigstes Therapieziel ist die Verhinderung oder Beseitigung eines erhöhten Hirndrucks [2].
Das Therapiemanagement umfasst ein engmaschiges Monitoring und eine intensivmedizinische Betreuung. Dazu gehören [1–3,18–20]:
30°-Oberkörperhochlagerung, Kopf in Mittelstellung
Sedierung und Analgesie
Temperaturkontrolle
ICP-Überwachung
Bilanzierung
i. v.-Zugang, ZVK (speziell bei hochprozentiger Glukoseinfusion oder Hirndrucktherapie)
GCS < 8: Intubation und maschinelle Beatmung
bei Einklemmungszeichen sofortige Hirndrucksenkung (Mannitolinfusionen oder Überdruckbeatmung)
Glukoseinfusion: 15- bis 20%ige Glukoselösung mit 40 mmol NaCl, 30 mmol KCl und 10 mmol Glycerolphosphat/l-Lsg.
Infusionsmenge 60–70% des Normalbedarfs (Cave: Dehydration ebenso risikobehaftet wie Überwässerung; RR normal halten)
Azidose-Korrektur mit Natriumbicarbonat (nicht zu schnell oder zu stark korrigieren) und Beatmungsmanagement
Hyperammonämie: Phenylacetat-Natriumbenzoat oder Natriumpolystyrolsulfat, bei Werten über 500 mg/dl Hämodialyse
Gerinnung: Vitamin K 0,1 mg pro Kilogramm Körpergewicht (kg/KG) pro Tag langsam als i. v.‐Infusion
Erythrozytenkonzentrate auf Abruf, bei Blutung FFP 10 ml/kg KG, Prothrombinkonzentrat oder Faktor VII erwägen
bei Bedarf Vasopressoren (Dopamin, Arterenol)
Darmdekontamination
Rifaximin 20–30 mg/kg/d in 2 Einzeldosen oder Laktulose 0,5 ml/kg/KG in 10 ml 0,9% NaCl stündlich über Sonde, bis Stuhl abgesetzt wird; dann 0,25 ml alle 6 h
Carnitin nach Stoffwechsel‐Konsil: solange DD Carnitinmangel (absolut/relativ): 20–35 mg/kg/KG alle 6 h
Behandlung von Krampfanfällen und anschließende Prophylaxe
Laborparameter-Kontrolle: alle 4–6 h: insbesondere BZ, GOT, GPT, γGT, GLDH, BB, Gerinnung, Elektrolyte, Harnstoff, Kreatinin, Blutgase, Ammoniak etc.
Prognose
Das Reye-Syndrom ist eine potenziell lebensbedrohliche Erkrankung. Grundsätzlich hat sich die Prognose aber in den letzten vier Jahrzehnten verbessert. Infolge der frühzeitigen Erkennung und sofortigen intensivmedizinischen Behandlung ist die Sterblichkeitsrate von 60 Prozent auf etwa 20 Prozent gesunken.
Nach überstandenem Reye-Syndrom genesen etwa zwei Drittel der Patienten vollständig. Bei einer raschen Enzephalopathie-Progredienz, Hyperammonämie und massiven EEG-Veränderungen sowie bei Kindern unter zwölf Monaten bleiben meist neurologische und neuropsychologische Defizite bestehen [1,2,21,22].
Prophylaxe
Die Inzidenz des Reye-Syndroms ist erheblich zurückgegangen, nachdem intensiv und öffentlich vor der Einnahme von Acetylsalicylsäure bei Kindern gewarnt wurde. Kinder unter zwölf Jahren sollten prinzipiell keine Salicylate wie ASS erhalten. Außerdem müssen Eltern über die Symptome und Anzeichen eines Reyes-Syndroms aufgeklärt werden und bei welchen Anzeichen sie sofort ärztliche Hilfe suchen sollten [2,23].
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