
Die Erbkrankheit Morbus Fabry gehört zu den Orphan Diseases – seltenen Erkrankungen. Die Inzidenz liegt bei 1:40.000 bis 1:117.000. Vermutlich ist die wahre Inzidenz aber deutlich höher, wie Zahlen aus Screeningprogrammen zeigen. Durch einen X-chromosomal vererbten Defekt des lysosomalen Enzyms α -Galaktosidase A kommt es zur intrazellulären Speicherung von Zeramidtrihexosid (Gb3) im Endothel von Gefäßen, in den Epithelien vieler Organe und in den Zellen der glatten Muskulatur. Wird die lysosomale Speicherkrankheit früh erkannt und therapiert, ist die Prognose günstiger. Aufgrund des vielfältigen klinischen Phänotyps der Erkrankung, wird die Diagnose jedoch oft erst Jahre nach dem Auftreten erster klinischer Symptome gestellt.
Leitlinie überarbeitet
Eine frühzeitige Diagnosestellung setzt voraus, dass die Erkrankung und ihre Symptomatik gut bekannt sind. Hierbei möchte die S1-Leitlinie „Diagnose und Therapie des Morbus Fabry“ unterstützen. Die aktuelle Version wurde unter Federführung von Prof. Dr. Nurcan Üçeyler vom Universitätsklinikum Würzburg überarbeitet. Herausgeber ist die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Daneben waren zahlreiche weitere Fachgesellschaften beteiligt.
Vielfältige Symptomatik des Morbus Fabry
Die Leitlinie beschäftigt sich eingehend bei dem vielfältigen klinischen Bild der Erkrankung. Gleich zu Beginn werden die wichtigsten Krankheitscharakteristika zusammengefasst.
Zu den ersten Symptomen gehören Fabry-assoziierte Schmerzen, gastrointestinale Beschwerden, Hitze-/Kälteintoleranz und Tinnitus. Diese treten häufig bereits im Kindes- oder Jugendalter auf. Daneben können asymptomatische Angiokeratome, asymptomatische Cornea verticillata, Schweißsekretionsstörung, sensorineurale Hörminderung und Schädigung des Vestibularorgans vorkommen. Das klassische Erkrankungsbild tritt eher bei Männern auf. Frauen sind seltener betroffen und weisen meistens einen weniger schweren Krankheitsverlauf auf.
Warnzeichen im Kindes- und Jugendalter
Beim Auftreten folgender Symptome (auch isoliert) bei Kindern oder Jugendlichen, sollte in jedem Fall der Verdacht auf Morbus Fabry weiter abgeklärt werden:
- Linksventrikuläre Hypertrophie (LVH) unklarer Genese
- Ischämischer Schlaganfall
- Nephropathie.
Etwa 18% der Kinder mit Morbus Fabry unter 18 Jahren weisen eine Proteinurie auf. Eine Nephropathie ist stets ein ungünstiger prognostischer Faktor.
Kardiale Symptome
Neben der bereits erwähnten LVH können Herzrhythmusstörungen vorkommen. Bei Kindern kann ein erhöhter linksventrikulärer Massenindex (LVMI) und eine reduzierte Herzfrequenzvariabilität auftreten, Letzteres bei männlichen Fabry-Patienten. Als Prädikatoren für maligen Herzrhythmusstörungen gelten eine ventrikuläre Hypertrophie und intramyokardiale Fibrosen.
Bei Frauen können die Anzeichen für eine Fabry-Kardiomyopathie bisweilen dezent ausfallen – im Sinne eines late enhancements in der Kardio-MRT als Anzeichen für eine Fibrose, auch ohne LVH.
Neurologische Symptome bei Morbus Fabry
Typische neurologische Manifestationen bei der lysosomalen Speicherkrankheit sind transitorische ischämische Attacken (TIA) und ischämische Schlaganfälle. Die Autoren der Leitlinie raten: „Entsprechend sollte in ätiologisch ungeklärten Fällen, insbesondere bei jungen PatientInnen sowie bei zerebralen Marklagerläsionen unklarer Genese, ein M. Fabry ausgeschlossen werden.“
Frühzeitige Diagnose entscheidend für Prognose
Aufgrund der Pathogenese der Erkrankung ist klar, dass die Prognose durch eine frühzeitige Diagnose und entsprechend eingeleitete Therapie entscheidend beeinflusst wird. Doch Fehldiagnosen sind häufig, gerade wenn die Manifestationen nur eines oder wenige Organe betreffen. Diese oligosymptomatischen Verläufe werden selten klinisch diagnostiziert, sondern fallen eher bei Screeninguntersuchungen auf.
Wird Morbus Fabry nicht therapiert, ist die Lebenserwartung der Patienten durch kardiale, renale und neurologische Komplikationen häufig deutlich reduziert. Zu den häufigsten Todesursachen bei Patienten mit Morbus Fabry gehören Niereninsuffizienz, plötzlicher Herztod aufgrund von Herzrhythmusstörungen und Schlaganfälle.
Therapie von Morbus Fabry
Durch die Enzymersatztherapie (ERT) wird die Progredienz der Erkrankung verlangsamt. Das Verträglichkeitsprofil der ERT ist bei Kindern und Erwachsenen gleich.
Für Patienten, die Träger einer Missense-Genvariante mit noch erhaltener Enzym-Restfunktion sind, ist seit 2016 eine orale Therapieoption verfügbar. Das pharmakologische Chaperon Migalastat (Handelsname Galafold) bindet selektiv und reversibel mit hoher Affinität an aktive Zentren von bestimmten mutierten α-Galactosidase A-Formen. Diese Bindung stabilisiert die mutierten Enzym-Formen im endoplasmatischen Retikulum, wodurch deren ordnungsgemäßer Transport zu den Lysosomen gefördert wird. Durch die Dissoziation von Migalastat wird die Aktivität von α-Galactosidase A in den Lysosomen wieder hergestellt und die sonst bei Morbus Fabry akkumulierenden Glycosphingolipide werden abgebaut.
Fachübergreifende Leitlinie zur Morbus Fabry
Auf insgesamt 75 Seiten bietet die Leitlinie einen guten Überblick über pathogenetische Hintergründe, Diagnostik und Therapie der Erkrankung. Die Autoren möchten damit einen „evidenzbasierter Leitfaden zur schnellen, patienten- und ressourcenschonenden Diagnosefindung“ sowie „rationale Entscheidungshilfen zur Therapie-Initiierung“ zur Verfügung stellen. Entsprechend der Manifestationen in verschiedenen Organsystemen ist die Leitlinie fachübergreifend angelegt.