DGN 2020: Alzheimer vermeiden – Prävention dementieller Erkrankungen

Die Gesellschaft altert. Bereits 2040 wird ein Viertel der Bevölkerung über 67 Jahre alt sein. Die mittlere Lebenserwartung liegt derzeit bei etwa 80 Jahren. Damit steigt das Risiko, im Laufe des Lebens an Demenz oder Alzheimer-Demenz zu erkranken. Um das zu verhindern, nimmt die Prävention auch in der Altersmedizin eine immer größere Rolle ein.

Praevention

Das stellt nicht nur die Praktiker sondern auch die Wissenschaftler vor große Fragen, mit denen sich Professorin Agnes Flöel vom Universitätsklinikum Greifswald beim Neurologenkongress  beschäftigte.

„Wenn es um das klinische Syndrom Demenz geht, fängt die Primärprävention erst relativ spät an. [..] Dann macht es Sinn wie in aktuellen Studien […] 60-, 70-Jährige einzuschließen. Wenn wir aber vom Konzept der Alzheimerkrankheit ausgehen, dann würde das mit ersten neurologischen Veränderungen keine Primärprävention mehr sein. Man müsste noch davor gehen. Das heißt, es geht spätestens im mittleren Lebensalter los“, erklärt die Wissenschaftlerin [1] grundlegende Probleme in der Präventionsforschung. Protektive Faktoren werden bereits im frühen Lebensalter gebildet: physische, kognitive und soziale Aktivitäten und eine gute Bildung in den frühen Lebensjahren bilden schützende Faktoren vor Alzheimer-Krankheit und Demenz. Übergewicht, Alkoholmissbrauch, Rauchen, Diabetes mellitus und Depressionen hingegen können ab dem Lebensbeginn negative Auswirkungen haben und die Entstehung von Demenz befördern. In hohem Alter sei beispielsweise das Übergewicht dann aber gar nicht mehr so ein hoher Risikofaktor, beschreibt Professorin Flöel [2].

Wie sich körperliche Aktivität auswirkt, haben sich in den letzten Jahren mehrere Studien angeschaut, unter anderem auch kleinere Interventionsstudien [3,4,5]. Dort wurde zwar gemessen, dass sich beispielsweise das Hippocampusvolumen durch körperliche Aktivität erhöhte. In der groß angelegten LIFE Studie aber konnten diese Ergebnisse nicht reproduziert werden. Auch Gesundheitsinterventionen und -beratungen konnten bisher keinen wissenschaftlich soliden Effekt zeigen.

Anders sieht es bei der Ernährung aus: Fasten führt dazu, dass Zellmüll abgebaut wird und der Organismus gesünder altern kann. Eine dreimonatige Kalorienrestriktion führt zum Beispiel bereits zu einer Gedächtnisverbesserung. „Es ist gar nicht so wichtig, schlanker zu sein. Der akute Reiz der Kalorienrestriktion ist das, was wichtig ist“, sagt Professorin Flöel [6,7]. Dieser Reiz ließe sich durch Mimetika wie Spermidin nachbilden [8]. Wird es vermehrt diätetisch zugeführt, steigen das Hippocampusvolumen und die kortikale Dicke [9]. Um zu überprüfen, ob sich dieser Effekt auch bei Menschen mit subjektivem kognitivem Verlust zeigt, führen sie und ihr Team derzeit eine interventionelle Phase IIb-Studie durch, in der Menschen Spermidin über 12 bzw. 18 Monate bekommen. Erste Ergebnisse sollten in nächster Zukunft kommen.

Bis dahin empfiehlt die Wissenschaftlerin: „Im Moment bleiben hauptsächlich die üblichen Verdächtigen: die Vermeidung von Gefäßrisikofaktoren, was auch die S3 Leitlinie Demenz sagt.“ Auch körperliche Aktivität, ein aktives geistiges und soziales Leben sowie eine ausgewogene Ernährung bleiben empfohlen. Ebenso ein ausreichender Schlaf. „Die Primärprävention muss aber früher beginnen“, rät die Expertin Agnes Flöel. Vielleicht gelänge es dann, den Zeitpunkt, zu dem die Demenz ausbricht, so weit nach hinten zu verschieben, dass er außerhalb der Lebenszeit des Patienten läge.

Autor:
Stand:
10.11.2020
Quelle:
  1. Solomon A, Mangialasche F, Richard E et al. Advances in the prevention of Alzheimer‘s disease and dementia. Journal of Internal Medicine 2015; 275(3): 229-250
  2. Kivipelto M, Mangialasche F, Ngandu T. Lifestyle interventions to prevent cognitive impairment, dementia and Alzheimer disease. Nature Review Neuroscience 2018; 14(11): 653-666
  3. Floel A, Ruscheqeyh R, Krüger K et al. Physical activity and memory functions: are neurotrophins and cerebral gray matter volume the missing link? Neuroimage 2010; 49(3): 2756-63
  4. Ruscheweyh R, Willemer C, Krüger K et al. Physical activity and memory functions: an interventional study. Neurobioly Aging 2011; 32/7): 1304-19
  5. Erickson KI, Voss MW, Shaurya Prakash R et al. Exercise training increases size of hippocampus and improves memory. PNAS 2011; 108 /7):3017-3022
  6. Witte AV, Fobker M, Gellner R et al. Caloric restriction improves memory in elderly humans. PNAS 2009; 106(4): 1255-1260
  7. Prehn K, von Schwartzenber RJ, Mai K et al. Caloric restricion in older adults -differential effects of weight loss and reduced weight on brain structure and function. Cerebral Cortex 2017; 27(3):1765 - 1778
  8. Minois N, Carmona-Gutierrez D, Madeo F. Polyamines in aging and disease. Aging 2011; 3(8):716-32
  9. Schwarz C, Horn N, Benson G et al. Spermidine intake is associated with cortical thickness and hippocampal volume in older adults. Neuroimage 2020; 221:11732 epub
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