
Das stellt nicht nur die Praktiker sondern auch die Wissenschaftler vor große Fragen, mit denen sich Professorin Agnes Flöel vom Universitätsklinikum Greifswald beim Neurologenkongress beschäftigte.
„Wenn es um das klinische Syndrom Demenz geht, fängt die Primärprävention erst relativ spät an. [..] Dann macht es Sinn wie in aktuellen Studien […] 60-, 70-Jährige einzuschließen. Wenn wir aber vom Konzept der Alzheimerkrankheit ausgehen, dann würde das mit ersten neurologischen Veränderungen keine Primärprävention mehr sein. Man müsste noch davor gehen. Das heißt, es geht spätestens im mittleren Lebensalter los“, erklärt die Wissenschaftlerin [1] grundlegende Probleme in der Präventionsforschung. Protektive Faktoren werden bereits im frühen Lebensalter gebildet: physische, kognitive und soziale Aktivitäten und eine gute Bildung in den frühen Lebensjahren bilden schützende Faktoren vor Alzheimer-Krankheit und Demenz. Übergewicht, Alkoholmissbrauch, Rauchen, Diabetes mellitus und Depressionen hingegen können ab dem Lebensbeginn negative Auswirkungen haben und die Entstehung von Demenz befördern. In hohem Alter sei beispielsweise das Übergewicht dann aber gar nicht mehr so ein hoher Risikofaktor, beschreibt Professorin Flöel [2].
Wie sich körperliche Aktivität auswirkt, haben sich in den letzten Jahren mehrere Studien angeschaut, unter anderem auch kleinere Interventionsstudien [3,4,5]. Dort wurde zwar gemessen, dass sich beispielsweise das Hippocampusvolumen durch körperliche Aktivität erhöhte. In der groß angelegten LIFE Studie aber konnten diese Ergebnisse nicht reproduziert werden. Auch Gesundheitsinterventionen und -beratungen konnten bisher keinen wissenschaftlich soliden Effekt zeigen.
Anders sieht es bei der Ernährung aus: Fasten führt dazu, dass Zellmüll abgebaut wird und der Organismus gesünder altern kann. Eine dreimonatige Kalorienrestriktion führt zum Beispiel bereits zu einer Gedächtnisverbesserung. „Es ist gar nicht so wichtig, schlanker zu sein. Der akute Reiz der Kalorienrestriktion ist das, was wichtig ist“, sagt Professorin Flöel [6,7]. Dieser Reiz ließe sich durch Mimetika wie Spermidin nachbilden [8]. Wird es vermehrt diätetisch zugeführt, steigen das Hippocampusvolumen und die kortikale Dicke [9]. Um zu überprüfen, ob sich dieser Effekt auch bei Menschen mit subjektivem kognitivem Verlust zeigt, führen sie und ihr Team derzeit eine interventionelle Phase IIb-Studie durch, in der Menschen Spermidin über 12 bzw. 18 Monate bekommen. Erste Ergebnisse sollten in nächster Zukunft kommen.
Bis dahin empfiehlt die Wissenschaftlerin: „Im Moment bleiben hauptsächlich die üblichen Verdächtigen: die Vermeidung von Gefäßrisikofaktoren, was auch die S3 Leitlinie Demenz sagt.“ Auch körperliche Aktivität, ein aktives geistiges und soziales Leben sowie eine ausgewogene Ernährung bleiben empfohlen. Ebenso ein ausreichender Schlaf. „Die Primärprävention muss aber früher beginnen“, rät die Expertin Agnes Flöel. Vielleicht gelänge es dann, den Zeitpunkt, zu dem die Demenz ausbricht, so weit nach hinten zu verschieben, dass er außerhalb der Lebenszeit des Patienten läge.