Erhöhtes Risiko für Guillain-Barré-Syndrom nach Covid-19-Impfung

Eine Impfung mit Jcovden® (COVID-19 Vaccine Janssen) von Johnson & Johnson könnte das Risiko für ein Guillain-Barré-Syndrom erhöhen. Die GBS-Melderaten innerhalb von 21–42 Tagen nach der Janssen-Impfung waren 9- bis 12-mal höher als nach einer Impfung mit einer mRNA-Vakzine.

Guillain-Barré-Syndrom

Hintergrund  

Die Covid-19-Vakzine Jcovden (COVID-19-Impfstoff Ad26.COV2-S [rekombinant]) von Johnson & Johnson könnte mit einem erhöhten Risiko für das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) assoziiert sein. Das ergab eine im „JAMA Network Open“ publizierte Auswertung der Fälle, die an die US-Nebenwirkungsdatenbank VAERS gemeldet wurden. Die GBS-Melderaten innerhalb von 21 und 42 Tagen nach der Janssen-Impfung waren neun- bis zwölfmal höher als nach einer mRNA-Impfung mit den Covid-19-Vakzinen von BioNTech/Pfizer (Comirnaty) und Moderna (Spikevax). Für die beiden mRNA-Impfstoffe konnte kein entsprechender Zusammenhang ermittelt werden.

Aufgrund bekannter Assoziationen zwischen anderen Impfstoffen und dem Guillain-Barré-Syndrom (GBS) war die Erkrankung eine vordefinierte Nebenwirkung von besonderem Interesse für die Covid-19-Impfstoffüberwachung, schreiben Winston E. Abara und Kollegen vom Covid-19-Response-Team der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde (Centers for Disease Control and Prevention [CDC]) in Atlanta [1].

Daten von mehr als 480 Millionen Impfdosen ausgewertet

Die retrospektive Kohortenstudie wertete die von Dezember 2020 bis Januar 2022 beim Vaccine Adverse Event Reporting System (VAERS) eingegangenen Meldungen über Erkrankungen am Guillain-Barré-Syndrom nach einer Covid-19-Impfung aus. Als Vakzine kamen Ad26.COV2.S (Johnson & Johnson), BNT162b2 (BioNTech/Pfizer) und mRNA-1273 (Moderna) zum Einsatz. Die Forschenden verglichen die Meldemuster in den 21 und 42 Tagen nach der Coronaimpfung. In Summe umfasste die Analyse 487.651.785 Covid-19-Impfdosen.

Höhere GBS-Rate nach Janssen-Impfstoff

Bei den Impfdosen entfielen 3,7% auf den Janssen-Impfstoff, 54,7% auf die mRNA-Vakzine von BioNTech/Pfizer und 41,6% auf den mRNA-Impfstoff von Moderna. Insgesamt verzeichnete das VAERS 295 GBS-Fälle nach einer Covid-19-Impfung; in 275 Berichten (93,2%) war eine Hospitalisierung dokumentiert.

Innerhalb von 21 Tagen nach der Covid-19-Impfung gingen 209 gemeldete Fälle von Guillain-Barré-Syndrom ein, innerhalb von 42 Tagen waren es 253.

Die 21-Tage-Raten an Meldungen pro 1.000.000 Impfdosen betrugen 3,29 für Ad26.COV2.S (Johnson & Johnson), 0,29 für BNT162b2 (BioNTech/Pfizer) und 0,35 für mRNA-1273 (Moderna). Die entsprechenden Raten in den 42 Tagen nach der Impfung lagen bei 4,07 (Johnson & Johnson), 0,34 (BioNTech/Pfizer) und 0,44 (Moderna).

Kein Zusammenhang mit mRNA-Impfstoffen

In den 21 Tagen nach der Impfung mit der Covid-19-Vakzine Janssen gab es mehr GBS-Meldungen als nach der Impfung mit den mRNA-Impfstoffen von BioNTech/Pfizer (RRR 11,40, 95%-KI 8,11–15,99) oder Moderna (RRR 9,26, 95%-KI 6,57–13,07]). Ähnliche Ergebnisse wurden innerhalb von 42 Tagen nach der Impfung beobachtet (BNT162b2: RRR 12,06, 95%-KI 8,86–16,43; mRNA-1273: RRR 9,27, 95%-KI 6,80–12,63).

Die Rate von beobachteten zu erwarteten (OE-Ratio) Fällen an Guillain-Barré-Syndrom betrug 3,79 (95%-KI 2.88–4.88) für das 21-Tage- und 2,34 (95%-KI 1.83–2.94) für das 42-Tage-Intervall nach der Janssen-Impfung. Nach der mRNA-Impfung mit BNT162b2 und mRNA-1273 lag die OE-Ratio in beiden Zeiträumen unter 1 (nicht signifikant).

Fazit – absolute GBS-Risiko gering

In der retrospektiven Studie wurden unverhältnismäßig viele Meldungen von Fällen an Guillain-Barré-Syndrom nach der Covid-19-Impfung mit der Janssen-Vakzine festgestellt. Demzufolge scheint dieser Impfstoff mit einem erhöhten Risiko für GBS verbunden zu sein. Das absolute GBS-Risiko nach der Janssen-Covid-19-Impfung liegt laut Schätzungen der Forschenden aber nur in einer Größenordnung von einigen Fällen pro Million Impfdosen.

Erklärungsversuch – Zusammenhang mit Adenovirus-Vektor-Impfstoffklassen denkbar

Die spezifischen Ursachen und Risikofaktoren einer GBS-Erkrankung sind oft unklar; die Pathogenese ist bis heute nicht vollständig geklärt. Molekulare Mimikry könnte jedoch eine Rolle bei der Ätiologie spielen, schreiben die AutorInnen.

Ad26.COV2.S ist ein rekombinanter Impfstoff, der einen nicht replizierenden Adenovirus-Vektor verwendet, welcher für das SARS-CoV-2-Spike-Protein kodiert, um eine immunologische Antikörperreaktion auszulösen. Theoretisch ist es möglich, dass durch den Janssen-Impfstoff induzierte Antikörper mit Glykoproteinen auf der Myelinscheide der Axone peripherer Nerven kreuzreagieren und ein Guillain-Barré-Syndrom auslösen.

Ebenso gab es Berichte über ein erhöhtes GBS-Risiko nach der Impfung mit der ChAdOx1 nCov-19 Vakzine (Vaxzevria von AstraZeneca). Dieser Impfstoff verwendet einen replikationsinkompetenten Schimpansen-Adenovirus-Vektor und wurde in Europa in großem Umfang verabreicht. In einer Studie war die Zahl der GBS-Fälle innerhalb von 14 Tagen nach einer Impfung mit der AstraZeneca-Vakzine 1,4- bis 10-mal höher als erwartet.

Ein erhöhtes GBS-Risiko nach diesen Impfstoffen könnte auf einen Zusammenhang mit Adenovirus-Vektor-Impfstoffklassen hindeuten, zumindest in Bezug auf Covid-19-Impfstoffe, schreiben Abara und Kollegen. Diese Möglichkeit sollte weiter untersucht werden.

Autor:
Stand:
07.02.2023
Quelle:

Abara, W. E. et al. (2023): Reports of Guillain-Barré Syndrome After COVID-19 Vaccination in the United States. JAMA Network Open, DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2022.53845.

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