Hintergrund
Die Harvard School of Public Health, der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Weltbank riefen 1992 das Global Burden of Diseases (GBD) Projekt ins Leben. Das Projekt sammelt weltweit Daten zu Todesfällen, Krankheit, Behinderung und Risikofaktoren und wertet diese aus. Die Datensammlung und die Analysen dienen dazu, die Krankheitslast durch verschiedene Erkrankungen zu quantifizieren. Die Krankheitslast beinhaltet neben Inzidenz, Prävalenz und Sterblichkeit auch die durch Behinderung verlorenen Lebensjahre (disability-adjusted life-years [DALYs]) – letztlich auch um die Gesundheitsversorgung zu verbessern. Die Ergebnisse des Projekts werden jährlich veröffentlicht.
Krankheitslast durch Schlaganfall
Laut der kürzlich veröffentlichten GBD-Studie erlitten 2019 12,2 Millionen Menschen weltweit einen Schlaganfall und mehr als 101 Millionen lebten mit den Folgen eines Schlaganfalls. Das GBD-Projekt verzeichnet damit einen weltweiten Anstieg der Anzahl akuter Schlaganfälle seit 1990 um ungefähr 70 %, die Zahl der Todesfälle durch Schlaganfälle stieg im gleichen Zeitraum um 43 %. Mit den Folgen eines Schlaganfalls müssen heute 85 % mehr Menschen leben als noch vor rund 30 Jahren. Teilweise spiegeln diese hohen Zahlen das allgemeine Wachstum der Weltbevölkerung von 5,32 Mrd. im Jahr 1990 auf 7,79 Mrd. im Jahr 2020 und den Anstieg der Lebenserwartung wider. Für 2019 errechnete man 143 Millionen Schlaganfall-bedingte DALYs und 6,55 Millionen Todesfälle. Schlaganfälle verursachen global 11,6 % der Todesfälle und sind damit die zweithäufigste Todesursache weltweit [1].
Jüngere sind häufiger betroffen
Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) ist besonders über den Anstieg der Schlaganfallrate in Niedriglohnländern und den überproportionalen Anstieg der Inzidenz und Prävalenz von Schlaganfällen bei Menschen im Alter < 70 Jahre besorgt. Während sich die relative Neuerkrankungsrate bei den Älteren sogar um 17% verringerte, stieg sie bei den < 70jährigen um 15 % an. Möglicherweise hängt diese „Verjüngung“ der Betroffenen mit Zunahme an Risikofaktoren zusammen [2].
Bedeutung einzelner Risikofaktoren
Bluthochdruck gilt als Hauptrisikofaktor für Schlaganfall. Er soll für 80 Millionen (55,5 %) der Schlaganfall-bedingten DALYs verantwortlich sein. Danach folgen Übergewicht (24,3 % der Schlaganfall-bedingten DALYs), Diabetes mellitus (20,2 %), Umwelt- bzw. Luftverschmutzung (20,1 %) und Rauchen (17,6 %). Ein hoher Kochsalzkonsum steht mit einem Anteil von 12,3 % an sechster Stelle in der Rangfolge der Risikofaktoren.
Kochsalzkonsum als Risikofaktor häufig unterschätzt
Es ist zwar allgemein bekannt, dass ein hoher Kochsalzkonsum den Blutdruck und das Schlaganfallrisiko erhöhen kann, dennoch wird dieser Risikofaktor häufig unterschätzt, so die DGN. Der DGN-Präsident, Prof. Dr. Christian Gerloff vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) erklärt: „Eine aktuelle Studie zeigt aber nun eindrucksvoll, dass Menschen mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko durch Salzverzicht effektiv gegensteuern können.“ Die prospektive randomisierte Open-Label-Studie umfasste 20.995 Personen im ländlichen China. Die Teilnehmenden hatten entweder bereits einen Schlaganfall erlitten oder waren ≥ 60 Jahre alt und hatten eine Hypertonie. In der Interventionsgruppe verwendeten die Einwohner Kochsalzsubstitute bzw. Salz-Ersatzprodukte, in der Kontrollgruppe wurde das übliche Kochsalz benutzt. Primärer Endpunkt war die Schlaganfallinzidenz. Die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug 4,74 Jahre. Im Ergebnis war die Schlaganfallrate in der Interventionsgruppe 14 % niedriger als in der Kontrollgruppe [3].
Fazit
Der DGN-Präsident schließt aus den Ergebnissen der chinesischen Studie: „Jeder und jede hat es also in der Hand, proaktiv das eigene Schlaganfallrisiko zu reduzieren.“ Die DGN verweist aber auch auf die hohe Bedeutung von Versorgung und Nachsorge für die Folgen eines Schlaganfalls. „Schlaganfall ist eine chronische Erkrankung mit akutem Beginn. Für Schlaganfall-Betroffene ist wichtig, lebenslang an einer individuell angepassten Sekundärprävention festzuhalten“, betont Gerloff. Ein neues Konzept in diesem Bereich ist der mobile, digitale „PostStroke-Manager“, der von der Universität Leipzig entwickelt wurde und nun im Rahmen einer Machbarkeitsanalyse bei 90 ambulanten Schlaganfall- Patienten über ein Jahr lang beobachtet wird [4].








