Leitlinien-Update zur transienten globalen Amnesie

Neuerungen zum Rezidivrisiko, zirkadianen Schwankungen im TGA-Risiko und der Darstellung von hippocampalen Veränderungen in der cMRT sind in der aktualisierten Version der Leitlinie zur transienten globalen Amnesie enthalten.

Patient-verwirrt

Patienten mit einer transienten globalen Amnesie (TGA) leiden unter einer plötzlich einsetzenden retrograden und anterograden Amnesie, die über eine Dauer von maximal 24 Stunden anhält. Im Mittel dauern die Symptome für sechs bis acht Stunden an. Die Vigilanz der Patienten ist nicht beeinträchtigt und komplexe, erlernte Fähigkeiten, beispielsweise Auto fahren, können weiterhin ausgeführt werden. Die Betroffenen sind bis auf die Amnesie fokal-neurologisch unauffällig. Nicht selten treten unspezifische Begleitsymptome wie Übelkeit, Schwindel oder Kopfschmerzen auf. Nach Abklingen der Akutsymptome bleiben häufig noch vegetative Beschwerden wie Erschöpfbarkeit, Nervosität oder Reizbarkeit für einige Tage bestehen. Betroffen sind überwiegend Personen im Alter zwischen 50 und 70 Jahren.

Leitlinie möchte bei Abgrenzung anderer Amnesie-Ursachen helfen

Die S1-Leitlinie „Transiente globale Amnesie“ möchte Mediziner beim Erkennen der TGA-Symptomatik unterstützen und einen Überblick zu Klinik, Diagnostik und Therapie der TGA geben. Dadurch soll die Abgrenzung zu anderen Amnesie-Ursachen verbessert werden.

Unter Federführung von Prof. Dr. Dirk Sander, Neurologische Klinik, Benedictus Krankenhaus Tutzing, wurde die Leitlinie überarbeitet [1]. Herausgeber ist die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Mit der Schweizerischen Neurologischen Gesellschaft (SNG) und der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie (ÖGN) waren weitere Fachgesellschaften aus dem deutschsprachigen Raum an der Leitlinie beteiligt.

Neuerungen im Leitlinien-Update TGA

In der überarbeiteten Version der Leitlinie werden unter anderem Neuerungen zum Rezidivrisiko, tageszeitlichen Schwankungen des TGA-Risikos und neue Erkenntnisse aus der MRT bei TGA präsentiert.

Rezidivrisiko

In der Leitlinie werden drei Studien zitiert, die sich in jüngster Zeit mit dem TGA-Rezidivrisiko beschäftigt haben. Das Rezidivrisiko liegt zwischen 12 und 27%. Der Großteil der Patienten (85%) erleidet drei oder weniger Rezidive. Eine Metaanalyse wertete 36 Studien aus. Hier ergab sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Risiko eines TGA-Rezidivs und Migräne, Depression und sexueller Aktivität als Triggerfaktoren. Geschlechtsverkehr verstärkt nicht nur das Rezidivrisiko, sondern gilt insgesamt als möglicher Auslöser einer TGA. Daneben gelten ausgeprägte körperliche Anstrengungen, emotional-psychische Belastungen und Sprünge in kaltes Wasser als mögliche auslösende Ereignisse.

Tageszeitliche Schwankungen des TGA-Risikos

In einer Studie von Hoyer et al. [2] war das Risiko für eine TGA während des Vormittags (10-11 Uhr) und am späteren Nachmittag (17-18 Uhr) am größten. In der Studie wurden Daten von 665 Patienten aus Deutschland und Japan mit diagnostizierter TGA ausgewertet. Die Forscher vermuten hier die zu beiden Risiko-Peaks passenden Aktivitätsmuster des vegetativen Nervensystems und der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse als Hintergrund.

Migräne als Risikofaktor

Aufgrund einiger klinischer Parallelen wird ein Zusammenhang zwischen Migräne und TGA bereits seit den 1980er Jahren vermutet. Eine aktuelle Metaanalyse bestätigt dies: Das TGA-Risiko bei Migränepatienten war hier um das 2,5fache erhöht [3].

Limbisches System und Hippocampus bei TGA

Mehrere Untersuchungsmethoden (funktionelle und morphometrische MRT, quantitative EEG-Analysen) konnten Veränderungen der funktionellen Konnektivität im limbischen System und Hippocampus zeigen. Dies passt auch zur aktuell vermuteten Pathogenese der Gedächtnisstörung, die noch nicht abschließend geklärt ist. Man geht derzeit von einer passageren Funktionsstörung von mediobasalen Temporallappenanteilen aus, unter Einschluss beider Hippocampi.

Passend auch: Im Hippocampus, besonders in der CA1-Region, findet man 24-72 Stunden nach der TGA typische Läsionen in der diffusionsgewichteten Bildgebung (DWI-Läsionen), welche meist von einer T2-Hyperintensität begleitet sind. Neu ist auch, dass bei bis zu 11% der Patienten zusätzlich kleine DWI-Veränderungen außerhalb des Hippocampus auftreten.

Zerebrovaskuläre Risikofaktoren abklären

Neben diesen Neuerungen liefert die Leitlinie einen kompakten Überblick zu Diagnostik und Therapie der TGA. Zur Prophylaxe können derzeit keine evidenzbasierten Empfehlungen ausgesprochen werden, da die pathophysiologischen Vorgänge hinter der TGA noch nicht vollständig aufgeklärt sind. Zerebrovaskuläre Risikofaktoren sollten abgeklärt werden.

Quelle:
  1. Sander D. et al., Transiente globale Amnesie, S1-Leitlinie, 2022, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online (abgerufen am 01.02.2023)
  2. Hoyer et al. (2022): Chronobiology of transient global amnesia. Journal of Neurology, DOI: https://doi.org/10.1007/s00415-021-10639-x
  3. Liampas et al. (2021): The long-term prognosis of Transient Global Amnesia: a systematic review. Reviews in the Neurosciences, DOI: https://doi.org/10.1515/revneuro-2020-0110
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