Migräne ist eine der häufigsten Kopfschmerzformen. Im Fokus der Behandlung stehen die Linderung akuter Kopfschmerzattacken sowie die medikamentöse und nicht-medikamentöse Prophylaxe erneuter Migräneanfälle.
Migräne (ICD-10 G43) gehört wie Spannungskopfschmerzen und die Gruppe der trigemino-autonomen Kopfschmerzformen zu den primären Kopfschmerzerkrankungen. Gemäß der 3. Auflage der Internationalen Klassifikation von Kopfschmerzerkrankungen (ICHD-3) ist Migräne als wiederkehrende Kopfschmerzerkrankung definiert, die sich in Attacken von 4 bis 72 Stunden Dauer manifestiert. Typische Charakteristika sind einseitige Lokalisation, pulsierender Charakter, mäßige bis starke Intensität, Verstärkung durch körperliche Routineaktivitäten und das begleitende Auftreten von Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen und/oder Überempfindlichkeit gegen Licht, Lärm und Geruch. Vorübergehend sind neurologische Reiz- und Ausfallsymptome im Rahmen einer Aura möglich. Pathophysiologisch geht man von einer dysfunktionalen Regulation neuronaler Netzwerke aus. Im Fokus steht derzeit die Freisetzung des Neuropeptids „calcitonin gene-related peptide“ (CGRP). Die Migräne-Diagnose basiert auf der Anamnese und neurologischen Untersuchung. Therapeutische Ziele sind die rasche Linderung akuter Kopfschmerzattacken sowie die medikamentöse und nicht-medikamentöse Prophylaxe erneuter Migräneanfälle [1–4].
Epidemiologie
Migräne (ICD-10 G43) gehört wie Spannungskopfschmerzen und die Gruppe der trigemino-autonomen Kopfschmerzformen zu den primären Kopfschmerzerkrankungen. Gemäß der 3. Auflage der Internationalen Klassifikation von Kopfschmerzerkrankungen (ICHD-3) ist Migräne als wiederkehrende Kopfschmerzerkrankung definiert, die sich in Attacken von 4 bis 72 Stunden Dauer manifestiert. Typische Charakteristika sind einseitige Lokalisation, pulsierender Charakter, mäßige bis starke Intensität, Verstärkung durch körperliche Routineaktivitäten und das begleitende Auftreten von Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen und/oder Überempfindlichkeit gegen Licht, Lärm und Geruch. Vorübergehend sind neurologische Reiz- und Ausfallsymptome im Rahmen einer Aura möglich. Pathophysiologisch geht man von einer dysfunktionalen Regulation neuronaler Netzwerke aus. Im Fokus steht derzeit die Freisetzung des Neuropeptids „calcitonin gene-related peptide“ (CGRP). Die Migräne-Diagnose basiert auf der Anamnese und neurologischen Untersuchung. Therapeutische Ziele sind die rasche Linderung akuter Kopfschmerzattacken sowie die medikamentöse und nicht-medikamentöse Prophylaxe erneuter Migräneanfälle [1–4].
Ursachen
Die genauen Ursachen für Migräne sind noch nicht vollständig entschlüsselt. Experten sind sich weitgehend einig, dass es nicht nur einen auslösenden Faktor gibt. Als relativ gesichert gilt eine genetische Komponente mit polygenetischer Disposition. Einige der betroffenen Gene spielen bei der Regulation neurologischer Schaltungen eine Rolle, andere beim oxidativen Stresslevel. Über welche biologischen Mechanismen die Mutationen eine Migräne im Detail begünstigen, ist bislang nicht geklärt.
Eine Sonderform stellt die familiäre hemiplegische Migräne (FHM) dar, bei der es sich um eine monogenetische Erkrankung mit dominantem Erbgang handelt. Drei Formen werden unterschieden: Bei der FHM1 finden sich Mutationen im CACNA1A-Gen (Kodierung für einen Kalziumkanal) auf Chromosom 19, bei FHM2 Mutationen im ATP1A2-Gen (Kodierung für eine K/Na-ATPase) auf Chromosom 1 und bei der FHM3 liegen Mutationen im SCN1A-Gen (Kodierung für einen Natriumkanal) auf Chromosom 2 vor. Möglicherweise existieren noch weitere, bisher nicht identifizierte Genloci [3,4].
Triggerfaktoren
Etwa 90 Prozent der Migräne-Patienten können als Auslöser der Kopfschmerzattacken interne oder externe Faktoren benennen. Diese Trigger sind von Mensch zu Mensch verschieden. Häufig werden Schlafmangel und Stress als migränefördernd angegeben, bei Frauen ist ein direkter Zusammenhang mit der Menstruation oder Ovulation zu beobachten. Auch sollen bestimmte Nahrungs- und Genussmittel (insbesondere Käse, Rotwein, Schokolade, Zitrusfrüchte, Nikotin, Coffein und Alkohol), Fasten oder Flüssigkeitsmangel einen Migräneanfall provozieren können. Einige Migräne-Patienten reagieren auf Arzneimittel, insbesondere Hormonpräparate, PDE5-Inhibitoren und Vasodilatatoren auf Nitrobasis.
Weitere mögliche Migräneauslöser sind [13–15]:
Gerüche, Lärm und Lichteffekte (vor allem helles und flackerndes Licht)
emotionale Belastung, Angst, Stressabfall
Aufenthalt in schlecht gelüfteten Räumen
Aufenthalt in großer Höhe
Wetterumschwünge
Veränderungen des Schlaf-Wachrhythmus
Zeitverschiebungen
Pathogenese
Der genaue Pathomechanismus ist bislang unklar. Nach aktueller Lehrmeinung in der Migräneforschung ist die neurogene Entzündungshypothese in Verbindung mit einer neuronalen Überaktivität am wahrscheinlichsten. Demnach verändern biochemische Impulse und mechanische Reize die neuronale elektrische Aktivität im Gehirn [1–3].
Neuronale Theorie
Der neuronalen Theorie zufolge ist Migräne auf eine neurogene Entzündung an den Gefäßen der Pia mater zurückzuführen, die über eine Stimulation afferenter C-Fasern des N. trigeminus die Kopfschmerzen auslöst (trigeminothalamischer Weg). Genauer vermittelt die retrograde Ausschüttung von Neuropeptiden und vasoaktiven Substanzen wie Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP), Stickstoffmonoxid (NO), Substanz P (SP) und vasoaktives intestinales Peptid (VIP) aus den Axonendigungen von Aδ- und C‑Fasern eine perivaskuläre neurogene Entzündung der meningealen Blutgefäße. Die dünn myelinisierten Aδ- und nicht myelinisierten C‑Fasern sind pseudounipolare Neurone, deren Zellkörper im Ganglion trigeminale liegen. Von hier laufen die Axone sowohl in die Peripherie zu Meningen und Blutgefäßen als auch nach zentral in das Trigeminuskerngebiet. Augenscheinlich gehen der neurogenen Inflammation eine Vasodilatation und Plasmaextravasation voraus, die eine Sensibilisierung der nozizeptiven Afferenzen zur Folge haben.
Eine zentrale pathophysiologische Bedeutung wird dem vasodilatativ wirkenden CGRP zugeschrieben. Im Rahmen der Migränepathophysiologie sind vermutlich die CGRP-Rezeptoren im Nucleus spinalis nervi trigemini, im Ganglion trigeminale und in den Nervenenden des N. trigeminus entscheidend. Im Wesentlichen wird CGRP an peripheren trigeminalen Nervenendigungen nach Stimulation von Serotoninrezeptoren freigesetzt [1–3,17].
Pathomechanismus der Aura
Bei etwa einem Drittel der Betroffenen geht der Kopfschmerzattacke eine Aura voraus. Pathophysiologisch scheint eine „cortical spreading depression“ (CSD) verantwortlich zu sein. Hierbei vermindert eine sich langsam (wenige Millimeter pro Sekunde) über den Kortex ausbreitende neuronale und gliale Depolarisation die neuronale Aktivität und führt zu entsprechenden Symptomen der betroffenen Hirnregion. Im Okzipitallappen wird dementsprechend eine visuelle Aura mit beispielsweise Fortifikationen, Blitzlichtern oder Skotomen hervorgerufen; eine Ausbreitung in der Postzentralregion ist mit sensiblen Symptomen assoziiert. Wodurch genau die CSD getriggert wird oder ob gar die CSD Initiator der Migräneattacke ist, ist Gegenstand der Forschung und noch nicht abschließend geklärt. Sehr wahrscheinlich bedingen genetische Faktoren eine individuell erhöhte Suszeptibilität für eine CSD, indem sie die Schwelle der Exzitabilität verändern und eine CSD erleichtern.
Die Aura-Symptome treten – abhängig vom betroffenen Areal – meist sequenzartig hintereinander auf und verschwinden wieder. Die mit der verminderten neuronalen Aktivität einhergehende Minderdurchblutung beginnt üblicherweise im hinteren Kortex und dehnt sich nach vorne aus. Sie liegt gewöhnlich über der ischämischen Schwelle. 60 Minuten bis mehrere Stunden später entwickelt sich allmählich eine Hyperämie in den betroffenen Regionen [3,16].
Symptome
Migräne kann unterschiedlich ablaufen. Oft kommt es zu Attacken heftiger, häufig einseitiger pulsierend-pochender Kopfschmerzen. Bei einem Drittel der Patienten – insbesondere bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren – bestehen holokranielle Kopfschmerzen. Die einzelnen Attacken sind begleitet von Appetitlosigkeit (fast immer), Übelkeit (80%), Erbrechen (40–50%), Lichtscheu (60%), Lärmempfindlichkeit (50%) und Überempfindlichkeit gegenüber bestimmten Gerüchen (10%) [1,4].
Grundsätzlich wird zwischen einer „Migräne ohne Aura“ und einer „Migräne mit Aura“ inklusive diverser Unterformen (mehr dazu im Abschnitt „Weitere Informationen“) unterschieden. Ein und derselbe Patient kann Migräneanfälle mit und ohne Aura erleben.
Migräne ohne Aura
Migräne ohne Aura ist die häufigste Migräneform. Typische Kopfschmerzcharakteristika sind:
einseitige Lokalisation
pulsierender Charakter
mäßige bis starke Intensität
Verstärkung durch körperliche Routineaktivitäten
begleitendes Auftreten von Übelkeit und/oder Licht- und Lärmüberempfindlichkeit
Die Kopfschmerzen halten vier (bei Kindern und Jugendlichen zwei) bis 72 Stunden an [1,3,4].
Migräne mit Aura
Migräne mit Aura ist sehr viel seltener als Migräne ohne Aura. Eine Aura ist definiert als wiederkehrende, für Minuten anhaltende Attacke mit einseitigen, komplett reversiblen visuellen, somatosensorischen oder motorischen Symptomen, die sich allmählich entwickeln und denen in der Regel Kopfschmerzen und damit verbundene Migränesymptome folgen. Bleibt die Aura ohne begleitenden oder nachfolgenden Migränekopfschmerz wird sie als „Typische Aura ohne Kopfschmerz“ eingestuft.
Migräne-Phasen
Eine Migräneattacke kann grundsätzlich in verschiedenen Phasen ablaufen: dem Prodromalstadium, der Aura, der Kopfschmerzattacke und der Postdromalphase. Diese werden in Gänze aber nicht zwingend von jedem Patienten durchlaufen oder bemerkt. Oft fehlen klare Übergänge der einzelnen Phasen, vielmehr überlappen sich die Symptome [3,4].
Prodromalstadium
Etwa ein Drittel der Patienten nimmt Anzeichen wahr, die auf eine kommende Migräneattacke hindeuten. Diese Prodromal- oder Vorbotenphase kann Stunden bis Tage vor der eigentlichen Kopfschmerzphase auftreten und stark variieren. Typische Prodromi sind [3,4]:
Nackenschmerzen (meist ohne strukturelle Pathologie)
Ewa bis zu 30 Prozent aller Migränepatienten entwickeln unmittelbar vor Einsetzen des Kopfschmerzes nacheinander verschiedene neurologische Symptome.
Als häufigster Auratyp ist die visuelle Aura zu beobachten, die bei mehr als 90 Prozent der Patienten mit einer „Migräne mit Aura“ zumindest bei einigen Anfällen vorkommt. Charakteristisch ist das sogenannte Fortifikationsphänomen. Darunter wird ein sich langsam öffnendes halbes Oval mit ausgezackter, flimmernd-leuchtender Umrandung nahe dem Fixationspunkt verstanden, das sich entsprechend der kortikalen Retinopathie zur Gesichtsfeldperipherie hin nach links und rechts ausbreitet und in ihrem Zentrum ein graduell unterschiedliches absolutes oder relatives Skotom hinterlässt. Ein Gesichtsfeldausfall ist auch ohne positive visuelle Phänomene möglich.
Zweithäufiges Aurasymptom sind Sensibilitätsstörungen in Form von nadelstichartigen Parästhesien, die sich langsam vom Ursprungsort ausbreiten und größere oder kleinere Teile einer Körperhälfte einschließlich des Gesichts und/oder der Zunge erfassen können. Daran anschließend kann ein sensibles Defizit anhalten.
Weniger häufig sind Sprachschwierigkeiten, üblicherweise aphasische Störungen in Form von Wortfindungsstörungen.
Systematische Studien konnten zeigen, dass viele Patienten mit einer visuellen Aura gelegentlich auch Aurasymptome im Bereich der Extremitäten haben und/oder sprachbezogene Symptome aufweisen. Umgekehrt scheinen bei Symptomen in den Extremitäten und/oder Sprach- und Sprechschwierigkeiten fast immer (zumindest bei einigen Attacken) visuelle Aurasymptome aufzutreten.
Die Aurasymptome folgen gewöhnlich aufeinander, meist beginnend mit visuellen Phänomenen, gefolgt von Sensibilitätsstörungen und gegebenenfalls einer Aphasie. Eine umgekehrte Reihenfolge oder eine andere Reihung ist beschrieben. Die anerkannte Dauer beträgt für die meisten Aurasymptome 60 Minuten, motorische Beschwerden persistieren häufig auch länger als eine Stunde [3,4,16].
Kopfschmerz-Phase
Der klassische Migränekopfschmerz zeigt typische Charakteristika. Meist sind die Kopfschmerzen einseitig lokalisiert, können sich aber auch auf die andere Kopfhälfte ausbreiten oder während einer Attacke die Seite wechseln. Selten beginnen Migränekopfschmerzen beidseitig.
Die Kopfschmerzintensität reicht von mittel bis stark und wird von den Betroffenen als pulsierend, pochend, klopfend, hämmernd oder bohrend beschrieben. Kopfbewegungen und körperliche Anstrengung verstärken die Schmerzen meist. Patienten sind oft blass und wirken schwer krank. Nach Definition der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft hält eine Kopfschmerzattacke zwischen vier und 72 Stunden an.
Häufig bestehen vegetative Begleitsymptome wie Inappetenz, Nausea und Emesis sowie eine Photophobie, Phonophobie oder Osmophobie [3,4].
Postdromalphase
Im Anschluss an einen Migräneanfall kann eine Postdromalphase folgen, in der die Beschwerden allmählich abklingen. Diese Rückbildungsphase ist recht unspezifisch und wird individuell anders wahrgenommen. Viele Betroffene sind müde, erschöpft und reizbar. Selten wird über Euphorie-ähnliche Zustände berichtet. Konzentrationsstörungen, Schwäche und Appetitlosigkeit werden noch Stunden nach der Migräneattacke beschrieben. Die Postdromalphase kann bis zu 24 Stunden andauern [3,4].
Diagnostik
Die Migräne-Diagnose stützt sich auf die Anamnese und neurologische Untersuchung. Bei Kopfschmerzen mit ungewöhnlicher Klinik – etwa zum Ausschluss einer Subarachnoidalblutung – und bei Kopfschmerzen mit persistierenden neurologischen oder psychopathologischen Auffälligkeiten sind zusätzliche diagnostische Maßnahmen wie Laboruntersuchungen und insbesondere eine Bildgebung notwendig. Ein erstmalig auftretender Kopfschmerzanfall im Kindesalter muss ebenfalls differentialdiagnostisch abgeklärt werden.
Eine sichere Migräne-Diagnose kann erst nach mindestens fünf anamnestischen Migräneattacken gestellt werden. Der neurologische Untersuchungsbefund muss unauffällig sein. Sind die anamnestischen Symptome eindeutig, kann auf eine apparative Zusatzuntersuchung verzichtet werden [1].
Therapie
Grundsätzlich wird bei der Therapie von Migräne zwischen der Akuttherapie und Intervallprophylaxe unterschieden.
Akuttherapie
Bei akuten Migräneattacken wird eine möglichst frühzeitige Einnahme von nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) empfohlen, bei unzureichender Wirksamkeit und mittelschweren bis schweren Attacken die Anwendung von Triptanen. Letztere sind in verschiedenen Applikationsformen erhältlich, zum Beispiel als Schmelztablette, Nasenspray oder subkutane Injektion [1–3].
Leichtere Migräneanfälle
Bei leichten Migräneanfällen empfiehlt die aktuelle S1-Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“ die Einnahme von Acetylsalicylsäure und NSAR, auch kombiniert mit Coffein.
Werden die Kopfschmerzen von vegetativen Reizsymptomen wie Nausea und Emesis begleitet, sollten die Analgetika zwingend mit antiemetischen Wirkstoffen kombiniert werden. Selbst Patienten, die keine Übelkeit zeigen, werden aufgrund der prokinetischen Wirkung Antiemetika nahegelegt, die idealerweise 10-20 Minuten vor den Analgetika eingenommen werden.
Bei Kontraindikation von NSAR: Paracetamol 1000 mg oder Metamizol 1000 mg p.o
Bei Übelkeit und Erbrechen empfehlen die Leitlinienexperten 10 mg Metoclopramid p.o. (ggf. supp.) oder 10 mg Domperidon p.o.
Gemäß der Leitlinie [1]:
sind Analgetika und NSAR bei der Behandlung von akuten Migräneattacken wirksam.
ist die Wirkung für Acetylsalicylsäure und Ibuprofen am besten belegt.
liegt die Schwelle für die Entstehung von Medikamentenübergebrauch-Kopfschmerz nach ICHD-3 für Kombinationsanalgetika bei ≥ 10 Einnahmetagen/Monat, für Monoanalgetika bei ≥ 15 Einnahmetagen/Monat.
sind Opioid-Analgetika und Tranquilizer zur Behandlung akuter Migräneattacken ungeeignet und sollen daher nicht verwendet werden
Schwere Migräneattacken
Bei einer mittelschweren bis schweren Migräneattacke sowie bei (bekanntem) fehlendem Ansprechen auf die zuvor genannten Analgetika werden Triptane (5-HT1B/1D-Agonisten) eingesetzt. Mittel der ersten Wahl sind Almotriptan, Eletriptan, Frovatriptan, Naratriptan, Rizatriptan, Sumatriptan und Zolmitriptan. Falls eine Monotherapie nicht ausreicht, ist die Kombination mit einem NSAR möglich. Stehen Übelkeit und Erbrechen im Vordergrund, sind subkutane, nasale und rektale Applikationsformen zu wählen.
Bei Wiederkehr-Kopfschmerz kann nach initialer Wirksamkeit eines Triptans nach frühestens zwei Stunden eine zweite Dosis gegeben werden. Alternativ ist eine initiale Kombinationstherapie aus einem Triptan + lang wirksamem NSAR (zum Beispiel Naproxen) möglich.
Die Leitlinienautoren geben folgende Therapieempfehlungen:
Triptane mit schnellem Wirkeintritt:
Sumatriptan 6 mg s.c.
Eletriptan 20/40/80 mg p.o.
Rizatriptan 5/10 mg p.o.
Zolmitriptan 5 mg nasal
Triptane mit mittelschnellem Wirkeintritt und länger anhaltender Wirkung:
Sumatriptan 50/100 mg p.o.
Zolmitriptan 2,5/5 mg p.o.
Almotriptan 12,5 mg p.o.
Triptane mit langsamem Wirkeintritt und langanhaltender Wirkdauer:
Naratriptan 2,5 mg p.o.
Frovatriptan 2,5 mg p.o.
Hinweise: Triptane werden heute häufig in der Akuttherapie von Migräneattacken eingesetzt. Aufgrund ihrer vasokonstriktorischen Wirkung sollen sie nicht in der Aura-Phase, sondern erst bei Einsetzen des Kopfschmerzes gegeben werden.
Notfall-Akutmedikation
Als Notfall-Akutmedikation bei Migräneattacken empfiehlt die Leitlinie 10 mg Metoclopramid i.v. sowie 1000 mg Lysin-Acetylsalicylat i.v. oder 6 mg Sumatriptan s.c. [1]
Status migraenosus
Von einem Status migraenosus wird gesprochen, wenn die Migränesymptome länger als 72 Stunden anhalten. Nach Expertenkonsens der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DNG) erfolgt die Therapie durch die einmalige Gabe von 50–100 mg Prednison oder 4–8 mg Dexamethason [1].
Das ist bei der Migränetherapie zu beachten
Die 5-HT1B/1D-Agonisten (in alphabetischer Reihenfolge) Almotriptan, Eletriptan, Frovatriptan, Naratriptan, Rizatriptan, Sumatriptan und Zolmitriptan sind die Wirkstoffe mit der besten Wirksamkeit bei akuten Migräneattacken und sollten bei starken Kopfschmerzen und bei Migräneanfällen, die nicht auf Analgetika oder NSAR ansprechen, eingesetzt werden.
Die Sumatriptan-subkutan-Injektion (6 mg) ist die wirksamste Therapie bei akuten Migräneattacken.
Eletriptan und Rizatriptan sind nach den Ergebnissen von Meta-Analysen die wirksamsten oralen Triptane.
Almotriptan und Eletriptan weisen das beste Nebenwirkungsprofil auf.
Naratriptan und Frovatriptan haben die längste Halbwertzeit.
Die Kombination von Triptanen mit Naproxen ist wirksamer als eine Monotherapie. Die zusätzlichen Therapieeffekte werden jedoch nicht als hoch eingeschätzt. Zudem sind die Nebenwirkungsraten bei kombinierter Therapie höher als bei der Monotherapie.
Ergotamin ist zwar in der Akuttherapie der Migräne wirksam, die Wirksamkeit ist in prospektiven Studien jedoch schlecht belegt. Darüber hinaus sind die Nebenwirkungen im Vergleich zu Triptanen und anderen Akuttherapeutika erhöht. Ergotamin-haltige Arzneimittel zählen deshalb nicht mehr als Therapeutika der 1. Wahl.
Triptane sind Mutterkornalkaloiden bezüglich der Wirksamkeit überlegen. Deshalb sollten letztere nur in Ausnahmefällen zur Behandlung akuter Migräneattacken eingesetzt werden.
Antiemetika wirken sich in der Migräneattacke positiv auf Übelkeit und Erbrechen aus.
Die Wirksamkeit der Medikamente zur Therapie akuter Migräneattacken ist höher, wenn diese früh in der Attacke eingenommen werden oder wenn der Kopfschmerz noch leicht ist.
Die Schwelle für die Entstehung von Medikamentenübergebrauch-Kopfschmerz nach ICHD-3 liegt für Triptane bei ≥ 10 Einnahmetagen/Monat.
Die Wirksamkeit nicht-medikamentöser Verfahren wurde in der Therapie von akuten Migräneattacken nicht ausreichend untersucht.
Triptane sollten nicht bei Patienten mit schwerwiegenden kardiovaskulären Krankheiten wie Angina pectoris, koronarer Herzkrankheit (KHK), nach transienter ischämischer Attacke (TIA), Herzinfarkt und Schlaganfall oder bei fortgeschrittener peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK) eingesetzt werden
Migränetherapie bei Kindern und Jugendlichen
Migräneattacken bei Kindern werden mit 10 mg Ibuprofen pro Kilogramm Körpergewicht, 500 mg Acetylsalicylsäure (ab dem 12. Lebensjahr) oder 15 mg Paracetamol pro Kilogramm Körpergewicht (2. Wahl) behandelt. Bei Paracetamol sind die kritischen kumulativen Dosierungen zu beachten.
Bei erforderlicher antiemetischer Intervention ist Domperidon (Zulassung für Kinder ab zwölf Jahren) das Mittel der Wahl. Metoclopramid sollte wegen des erhöhten Risikos für akute extrapyramidale Bewegungsstörungen und Spätdyskinesien nicht verwendet werden.
Bei Kindern und Jugendlichen ab dem 12. Lebensjahr sind zur Behandlung von Migräne 10 mg Sumatriptan und 5 mg Zolmitriptan als Nasenspray zugelassen. Mittlerweile liegen ausreichende Daten vor, die für einen Einsatz von Triptanen sprechen, wenn Kinder und Jugendliche nur unzureichend auf eine Akuttherapie mit Analgetika ansprechen. Nach entsprechender Aufklärung sind 10–20 mg Sumatriptan als Nasenspray, 2,5–5 mg Zolmitriptan als Tabletten, 5–10 mg Rizatriptan als Tabletten und 12,5 mg Almotriptan als Tabletten zu rechtfertigen [1].
Nicht-medikamentöse Maßnahmen zur Akuttherapie
Mitunter sprechen Patienten mit einem akuten Migräneanfall auf Akupunktur-Behandlungen an. Für die Wirkung der traditionellen chinesischen Akupunktur gibt es eine geringe Evidenz. Akupunktur und Sumatriptan waren in zwei randomisierten Studien etwa gleichwertig wirksam, gegenüber Placebo sogar signifikant überlegen. In der Behandlung einer schon schweren Migräneattacke zeigte allerdings Sumatriptan bessere Erfolge [1].
Migräneprophylaxe
Bei häufigen Migräneattacken bzw. Migräneattacken mit ausgeprägten Beschwerden oder anhaltender Aura wird neben Informationsmaßnahmen und einer Verhaltensmodifikation (zum Beispiel Entspannungsverfahren und/oder regelmäßiger aerober Ausdauersport) eine medikamentöse Migräneprophylaxe empfohlen. Bei hohem Leidensdruck und stark eingeschränkter Lebensqualität sind zusätzlich Verfahren der psychologischen Schmerztherapie wie Schmerzbewältigung und Stressmanagement anzuraten.
Für eine individuelle Intervallprophylaxe müssen Frequenz, Schwere und Medikamentenverbrauch in einem Kopfschmerztagebuch über mehrere Monate dokumentiert werden.
Die moderne Migräneprophylaxe stützt sich im Wesentlichen auf vier Säulen [1,2]:
bisher etablierte medikamentöse Prophylaktika
CGRP-abhängige Medikamente
interventionelle und neuromodulierende Verfahren
nicht-medikamentöse Ansätze und psychologische Verfahren
Medikamentöse Migräneprophylaxe
Die Indikation zu einer medikamentösen Migräneprophylaxe ergibt sich aus besonderem Leidensdruck, Einschränkung der Lebensqualität und dem Risiko eines Medikamentenübergebrauchs. Für zusätzliche Kriterien wird auf die Leitlinie verwiesen.
Die Auswahl eines Migräneprophylaktikums sollte sich an der Häufigkeit der Kopfschmerzattacken (episodisch vs. chronisch), Begleiterkrankungen und individuellen Bedürfnissen des Patienten orientieren. Medikamente zur Migräneprophylaxe sind einschleichend zu dosieren.
Eine Migräneprophylaxe gilt als erfolgreich, wenn sich die Migränetage um ≥ 50 Prozent verringern [1,2].
Bisher etablierte medikamentöse Prophylaktika
Am besten durch kontrollierte Studien belegt ist die prophylaktische Wirkung der Betablocker Propranolol und Metoprolol, des Kalziumantagonisten Flunarizin, der Antikonvulsiva Valproinsäure und Topiramat sowie des trizyklischen Antidepressivums Amitriptylin.
Cave: Valproinsäure kann nur im Rahmen eines genehmigten „off label use“ verschrieben werden. Derzeit (Stand März 2022) hat aber kein Hersteller diesem Verfahren zugestimmt. Zudem darf Valproinsäure wegen ihrer teratogenen Eigenschaften bei Frauen im gebärfähigen Alter nur nach schriftlicher Aufklärung über eine sichere Verhütung verordnet werden.
In der Prophylaxe der chronischen Migräne mit oder ohne Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln wurden Topiramat und Onabotulinumtoxin A eine Wirksamkeit bescheinigt.
CGRP-abhängige Medikamente
Im Juli 2018 hat Erenumab (Aimovig) als erster monoklonaler Antikörper (monoclonal antibodies = MOAB oder mAbs) die EU-Zulassung zur Migräneprophylaxe erhalten. Im November 2018 folgte Galcanezumab (Emgality), im März 2019 Fremanezumab (Ajovy). Seit Januar besitzt Eptinezumab (Vyepti) als vierter Antikörper zur Migräneprophylaxe die Zulassung in der EU. Anders als die drei bisher zugelassenen s.c.-Präparate muss Vyepti intravenös verabreicht werden.
Erenumab ist der einzige vollhumane MOAB und zudem als einziger gegen den CGRP-Rezeptor gerichtet. Galcanezumab, Fremanezumab und Eptinezumab richten sich gegen den Liganden CGRP selbst. Alle mAbs sind zur Migräneprophylaxe bei erwachsenen Patienten mit mehr als vier Migränetagen pro Monat (MMT) geeignet. Als sogenannte „large molecules“ von um die 150 kDa können sie eine intakte Blut-Hirn-Schranke faktisch nicht überwinden. Daher gelten die Therapieeffekte als hauptsächlich peripher vermittelt.
Die CGRP(Rezeptor)Antikörper konnten in jeder Zulassungsstudie überzeugen und gegenüber Placebo die monatlichen Kopfschmerztage signifikant reduzieren. Ebenso kam es bei Patienten, die zugleich die Kriterien für einen Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch erfüllten, sowie bei Patienten mit therapierefraktärer Migräne zu einer signifikanten Abnahme der monatlichen Kopfschmerztage.
Die Anwendung der ersten drei in der EU zugelassenen Antikörper ist ähnlich. Das Dosierungsintervall beträgt in der Regel 28 Tage bzw. einen Monat. Fremanezumab kann auch als 3‑fache Injektion für drei Monate mit vergleichbarer Wirksamkeit verabreicht werden. Bei Galcanezumab wird zu Beginn der Behandlung eine doppelte Dosis mit 240 mg gegeben (loading dose), danach Einfachdosen von 120 mg. Bei Erenumab kann zwischen 70 und 140 mg gewählt werden, wobei die Wirksamkeit von 140 mg bei Patienten mit chronischer Migräne höher und bei vorherigem Versagen mehrerer herkömmlicher Prophylaxen besser zu sein scheint. Eptinezumab wird alle drei Monate intravenös appliziert. Die empfohlene Dosis beträgt 100 mg und kann je nach Ansprechen auf 300 mg erhöht werden [2,17,18,20,21].
Eine MOAB-Behandlung ist teuer. Beispielsweise fallen für eine einjährige Therapie mit Erenumab Therapiekosten von circa 6000 € an. Von der gesetzlichen Krankenversicherung ist eine Kostenübernahme für CGRP(‑Rezeptor‑)Antikörper möglich, wenn beim Patienten mindestens fünf Substanzen aus den vier verfügbaren, zugelassenen medikamentösen pharmakologischen Gruppen nicht wirksam waren, nicht vertragen wurden oder wenn gegen deren Einnahme Kontraindikationen oder Warnhinweise bestehen. Bei chronischer Migräne sollte vor dem Einsatz von CGRP(‑Rezeptor‑)Antikörpern zusätzlich noch eine Therapie mit Onabotulinumtoxin A versucht werden [17,19].
Medikamentöse Migräneprophylaxe bei komorbiden Störungen
Bei Migräne mit Begleiterkrankung empfiehlt die Leitlinie folgende Maßnahmen [1]:
Bei Migräne mit komorbider Depression ist Amitriptylin (75–150 mg) Mittel der 1. Wahl, alternativ kann Venlafaxin (150–225 mg) eingesetzt werden.
Bei komorbider Angsterkrankung werden ebenfalls Amitriptylin oder Venlafaxin verwendet.
Bei Migräne und Epilepsie sind Topiramat und Valproinsäure Prophylaxemittel der Wahl.
Bei begleitenden vaskulären Erkrankungen (Schlaganfall, KHK) sollte in der Wahl der Migräneprophylaxe das individuelle Risikoprofil des Patienten beachtet werden (zum Beispiel Candesartan bei arterieller Hypertonie).
Bei hemiplegischer Migräne können Lamotrigin oder Acetazolamid eingesetzt werden.
Bei Kindern ist die Wirksamkeit einer medikamentösen Migräneprophylaxe nicht zweifelsfrei belegt. Hier sind nicht-medikamentöse Maßnahmen zu bevorzugen.
Mögliche medikamentöse Prophylaktika in der Schwangerschaft sind Metoprolol, Propranolol und Amitriptylin.
Zur Prophylaxe der menstruellen Migräne kann eine Kurzzeitanwendung von Triptanen oder NSAR erfolgen
Interventionelle und neuromodulierende Verfahren in der Migräneprophylaxe
Eine okzipitale Nervenblockade hat in wenigen kleinen Studien moderate migräneprophylaktische Effekte gezeigt. Da das interventionelle Verfahren nur mit geringen Nebenwirkungen verbunden ist, kann die Anwendung in Einzelfällen erwogen werden. Es bleibt jedoch unklar, ob Lokalanästhetika, Steroide oder beides nicht ebenso oder gar besser wirken.
Interventionelle Verfahren wie die chirurgische Durchtrennung des M. corrugator und anderer perikranieller Muskeln sowie der Verschluss eines offenen Foramen ovale werden nicht zur Migräneprophylaxe empfohlen. Das gilt ebenso für invasive Verfahren wie die bilaterale Stimulation des N. occipitalis major oder die Implantation einer Elektrode in das Ganglion sphenopalatinum.
Nicht-invasive Stimulationsverfahren wie die transdermale Stimulation des N. vagus, die transdermale Stimulation des N. supraorbitalis, die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS), die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) und die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) können angesichts der guten Verträglichkeit bei Patienten erwogen werden, die eine medikamentöse Migräneprophylaxe ablehnen [1].
Weitere Prophylaxe-Maßnahmen
Akupunktur
Akupunktur nach den Prinzipien der Traditionellen Chinesischen Medizin ist migräneprophylaktisch wirksam und kann gemäß der Leitlinie bei Patienten eingesetzt werden, die eine medikamentöse Prophylaxe ablehnen oder nicht vertragen. In Studien wurde eine minimale Überlegenheit der klassischen Akupunktur gegenüber einer Scheinakupunktur gezeigt [1].
Ausdauersport
Regelmäßiger Ausdauersport wird zur Intervallprophylaxe empfohlen. Diese Maßnahme ist auch in den meisten multimodalen Therapieprogrammen für Kopfschmerzpatienten enthalten. Unklar ist, ob der Ausdauersport eher unspezifische Effekte erzielt, also „ein alternatives Entspannungsverfahren“ darstellt, oder ob eine Verbesserung der physischen Leistungsfähigkeit tatsächlich durch spezifische Effekte ausgelöst wird [1].
Psychologische Verfahren in der Migräne-Prophylaxe
Medikamentöse Therapiemaßnahmen sollen gemäß der Leitlinie durch nicht-medikamentöse Verfahren der Verhaltenstherapie wie zum Beispiel Entspannungsverfahren, kognitive Verhaltenstherapie (KVT) und Biofeedback ergänzt werden.
Kognitiv-verhaltenstherapeutische Verfahren sind insbesondere bei chronischer Migräne indiziert, da hier meist eine hohe Komorbidität besteht.
Die Biofeedbacktherapie ist in der Prophylaxe der Migräne besonders effektiv und kann als Alternative zur medikamentösen Prophylaxe eingesetzt werden.
Zur Behandlung einer akuten Migräneattacke eignet sich das Vasokonstriktionstraining.
Bei Patienten mit einer hochfrequenten Migräne sowie erheblicher Einschränkung der Lebensqualität sind Verfahren der psychologischen Schmerztherapie (zum Beispiel Schmerzbewältigung, Stressmanagement und Entspannungsverfahren) empfohlen [1].
Neue Medien
Internetbasierte Angebote, E-Mail-gestützte Behandlungen, Telemedizin und Smartphone-Applikationen werden in den nächsten Jahren eine immer größere Rolle spielen. Darunter gibt es durchaus interessante und vielversprechende Therapieangebote, die zum Teil schon ihren Einsatz in der Psychotherapie fanden. Noch fehlen aber standardisierte und systematische Migräne-Evaluationsstudien. Deshalb spricht die Leitlinie derzeit keine generelle Empfehlung dafür aus. Es gibt aber eine Reihe von Forschungsprojekten, sodass in naher Zukunft mit aussagekräftigen Evaluationsstudien zu rechnen ist.
Prophylaxe-Verfahren ohne (bisherigen) Wirksamkeitsnachweis
Nach Angaben der aktuellen Leitlinie zur Therapie und Prophylaxe von Migräne sind folgende Verfahren ohne Wirksamkeitsnachweis (unvollständige Auflistung):
Alimentäre Diäten
Augen-Laser-Akupunktur
Chiropraktische Therapie
Corrugator-Chirurgie
Kolonhydrotherapie
Entfernung von Amalgamfüllungen
Frischzell-Therapie
Fußreflexzonenmassage
Gebisskorrektur
Homöopathie
Hyperbare Sauerstofftherapie
Hysterektomie
Magnetfeldbehandlung
Neuraltherapie
Ozontherapie
Piercings
Psychoanalyse
Psychophonie
Sanierung vermeintlicher Pilzinfektionen des Darmes
Tonsillektomie
Prognose
Bislang gilt Migräne als nicht heilbar. Oft nimmt die Intensität der Migräneanfälle jedoch mit zunehmendem Lebensalter ab. Postmenopausal können die Kopfschmerzattacken sogar ganz verschwinden. Eine Garantie dafür gibt es allerdings nicht.
Die meisten Patienten leiden sehr an den quälenden und wiederkehrenden Symptomen. Mitunter schränken die Schmerzattacken die Lebensqualität stark ein, soziale Vereinsamung und Arbeitsunfähigkeit sind möglich. Individuell angepasste Prophylaxe-Maßnahmen können die Anzahl der Migräneanfälle aber deutlich verringern. Informationen dazu finden Sie im Abschnitt Therapie – Migräneprophylaxe.
Prophylaxe
Nach dem heute gültigen multidimensionalen Ätiopathogenesemodell ist Migräne auf genetische, psychosoziale, physiologische und biochemische Prädispositionen zurückzuführen. Somit kann der Entstehung einer Migräne nicht sicher vorgebeugt werden.
Maßnahmen zur Intervallprophylaxe sind im Abschnitt Therapie – Migräneprophylaxe aufgeführt.
Hinweise
Bei der „Migräne mit Aura“ gibt es diverse Unterformen. Dazu gehören:
Migräne mit Hirnstammaura
Bei einer Migräne mit Hirnstammaura – früher als Basilarismigräne oder Migräne vom Basilaristyp bezeichnet – sind die (vollständig reversiblen) Aurasymptome eindeutig dem Hirnstamm zuzuordnen, eine motorische Schwäche ist nicht vorhanden.
Diagnostisch müssen mindestens zwei der folgenden Kriterien erfüllt sein [4]:
Dysarthrie
Schwindel
Tinnitus
Hörminderung
Doppelbilder
Ataxie, die nicht auf ein sensibles Defizit zurückzuführen ist
Bewusstseinsstörung (GCS ≤ 13)
keine motorischen oder retinalen Symptome
Während der Aura ist eine klinische Unterscheidung zum akuten Schlaganfall nicht möglich.
Familiäre hemiplegische Migräne
Die familiäre hemiplegische Migräne (FHM) geht mit einer Aura und einer motorischen Schwäche einher. Wenigstens ein Verwandter ersten oder zweiten Grades weist ebenfalls Migräneauren mit einer motorischen Schwäche auf.
Zusätzlich zu den typischen Aurasymptomen sind für eine FHM Hirnstammsymptome charakteristisch; Kopfschmerzen sind praktisch immer vorhanden. In seltenen Fällen ist eine FHM-Attacke mit Bewusstseinsstörungen (bis zum Koma), Verwirrtheitszuständen, Fieber und einer Liquorpleozytose assoziiert.
Die familiäre hemiplegische Migräne wird häufig mit einer Epilepsie verwechselt und als solche (erfolglos) behandelt. FHM1-Attacken können durch (leichte) Schädel-Hirn-Traumen getriggert werden. In ungefähr 50 Prozent der Familien mit FHM tritt unabhängig von den Migräneattacken eine chronische progressive zerebelläre Ataxie auf.
Insgesamt kommt diese Migräneform allerdings nur sehr selten vor [4].
Sporadische hemiplegische Migräne
Die sporadische hemiplegische Migräne (SHM) schließt ebenfalls eine Aura und eine motorische Schwäche ein. Die Kopfschmerzattacken weisen die gleichen klinischen Merkmale wie bei der FHM auf. Die motorischen Symptome halten im Allgemeinen weniger als 72 Stunden an; selten auch über Wochen.
Im Unterschied zur familiären hemiplegischen Migräne sind bei Verwandten ersten oder zweiten Grades keine Migräneauren und motorische Schwächen feststellbar [4].
Retinale Migräne
Bei der retinalen Migräne handelt es sich um wiederholte Anfälle von monokulären visuellen Phänomenen wie Flimmern, Skotomen oder Erblindung in Verbindung mit Migränekopfschmerzen. Die Aura-Symptome sind vollständig reversibel. Zusätzlich muss wenigstens einer der folgenden Punkte erfüllt sein:
die Aura entwickelt sich allmählich über ≥ 5 Minuten hinweg
Symptome halten 5 bis 60 Minuten an
Kopfschmerzen treten aurabegleitend auf oder folgen der Aura innerhalb von 60 Minuten
Andere Ursachen einer Amaurosis fugax müssen ausgeschlossen werden [4].
Chronische Migräne
Von einer chronischen Migräne spricht man, wenn der Kopfschmerz über mehr als drei Monate an 15 oder mehr Tagen pro Monat auftritt und der an mindestens acht Tagen pro Monat die Merkmale eines Migränekopfschmerzes aufweist.
Der Kopfschmerzcharakter kann sich von einem Tag zum anderen und sogar innerhalb desselben Tages verändern.
Zur Charakterisierung eines häufig wiederkehrenden Kopfschmerzes wird das Führen eines Kopfschmerztagebuchs empfohlen, in dem Informationen zum Schmerz und den mit ihm verbundenen Symptomen mindestens einen Monat lang tagtäglich aufgezeichnet werden [4].
Diener H.-C. et al. (2018): S1-Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“, Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Stand 14. Dezember 2020; abgerufen am 16. März 2022.
Hamann, T., Rimmele, F., Jürgens, T. P. (2022): CGRP-Antikörper in der Migräneprophylaxe – Der neue Standard in der Migränetherapie? Schmerz. 2022 Feb; 36(1):59–72; DOI: 10.1007/s00482-021-00613-x.
Ganser, B., Leis, S. (2020): Ätiologie und Pathogenese der Migräne. psychopraxis. Neuropraxis. 2020 Feb; 23:76–81; DOI: 10.1007/s00739-020-00623-x.
Headache Classification Committee of the International Headache Society (IHS): Internationale Klassifikation von Kopfschmerzerkrankungen, 3. Auflage (ICHD-3), Migräne; abgerufen am 16. März 2022.
Porst, M. et al. (2020): Migräne und Spannungskopfschmerz in Deutschland. Prävalenz und Erkrankungsschwere im Rahmen der Krankheitslast-Studie BURDEN 2020 Journal of Health Monitoring. 2020; 5(S6), Robert Koch-Institut (RKI); DOI: 10.25646/6988.
Lipton, R. B. et al. (2007): Migraine prevalence, disease burden, and the need for preventive therapy. Neurology. 2007 Jan; 68(5):343–9; DOI: 10.1212/01.wnl.0000252808.97649.21.
Stovner, L. J. et al. (2007): The global burden of headache: a documentation of headache prevalence and disability worldwide. Cephalalgia. 2007 Mar; 27(3):193–210; DOI: 10.1111/j.1468-2982.2007.01288.x.
Yoon, M. S. et al. (2012): Prevalence of primary headaches in Germany: results of the German Headache Consortium Study. J Headache Pain. 2012 Apr; 13(3):215–23; DOI: 10.1007/s10194-012-0425-x.
Stovner, L. J., Andree, C. (2010): Prevalence of headache in Europe: a review for the Eurolight project. J Headache Pain. 2010 Aug; 11(4):289–99; DOI: 10.1007/s10194-010-0217-0.
Burch, R. C. et al. (2015): The prevalence and burden of migraine and severe headache in the United States: updated statistics from government health surveillance studies. Headache. 2015 Jan; 55(1):21–34; DOI: 10.1111/head.12482.
Abu-Arafeh, I. et al. (2010): Prevalence of headache and migraine in children and adolescents: a systematic review of population-based studies. Dev Med Child Neurol. 2010 Dec; 52(12):1088–97; DOI: 10.1111/j.1469-8749.2010.03793.x.
Victor, T. W. et al. (2010): Migraine prevalence by age and sex in the United States: a life-span study. Cephalalgia. 2010 Sep; 30(9):1065–72; DOI: 10.1177/0333102409355601.
Holzhammer J. Wöber, C. (2006): Alimentäre Triggerfaktoren bei Migräne und Kopfschmerz vom Spannungstyp. Schmerz. 2006 Apr; 20(2):151–9; DOI: 10.1007/s00482-005-0390-2.
Holzhammer J. Wöber, C. (2006): Nichtalimentäre Triggerfaktoren bei Migräne und Kopfschmerz vom Spannungstyp. Schmerz. 2006 Jun; 20(3):226–37; DOI: 10.1007/s00482-005-0413-z.
Hacke, W.: Neurologie, Springer, 14. Auflage, 2016, S. 446.
Diener, H‑C et al. (2020): Prophylaxe der Migräne mit monoklonalen Antikörpern gegen CGRP oder den CGRP-Rezeptor, Ergänzung der S1-Leitlinie Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne – Zusammenfassung der Empfehlungen der DGN und DMKG. DGNeurologie 2020 Feb; 3:124–8; DOI: 10.1007/s42451-020-00163-z.
Diener H.-C. et al. (2019): Prophylaxe der Migräne mit monoklonalen Antikörpern gegen CGRP oder den CGRP-Rezeptor, Ergänzung der Leitlinie 030/057 Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne, 2019, Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Stand 19. Februar 2020; abgerufen am 16. März 2022.
Ornello, R. et al. (2019): The appropriate dosing of erenumab for migraine prevention after multiple preventive treatment failures: a critical appraisal. J Headache Pain. 2019 Oct; 20(1):99; DOI: 10.1186/s10194-019-1054-4.