
Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi) hat eine Studie zu den Erkrankungsfällen von Lyme-Borreliose in den Jahren 2010-2019 in seinem Versorgungsatlas veröffentlicht [1]. Ein Team um den Erstautor Dr. Manas Akmatov hat Daten zur Häufigkeit sowie zu zeitlichen und räumlichen Trends von Lyme-Borreliose in Deutschland ausgewertet. Die Kenntnis dieser Zahlen ist im Hinblick auf die öffentliche Gesundheit und mögliche Einflüsse des Klimawandels von Bedeutung.
Auswertung von Versichertendaten aus 9 Jahren
Die Ziele der nun publizierten Studie waren die Schätzung von Diagnoseprävalenz und -inzidenz in Deutschland sowie das Aufdecken möglicher regionaler und zeitlicher Trends. Zur Auswertung nutzten die Forscher die bundesweiten vertragsärztlichen Abrechnungsdaten gemäß § 295 SGB V. Dabei werden alle gesetzlich Versicherten mit Vertragsarztkontakt berücksichtigt. Im Jahr 2019 waren dies 71.412.530 Personen. In die Auswertung gingen Personen ein, bei denen die ICD-10-Diagnose A69.2, Lyme-Krankheit, mit der Zusatzbezeichnung „gesichert“ in mindestens einem Quartal eines Kalenderjahres auftauchte. Es erfolgte die Berechnung von Diagnoseprävalenz und -inzidenz neu diagnostizierter Fälle je 100.000 Versicherte.
Höheres Alter und weibliches Geschlecht mit erhöhtem Risiko assoziiert
Die Studienergebnisse zeigen für das Jahr 2019 eine Diagnoseprävalenz der Lyme-Borreliose von 429 je 100.000 Versicherte. Konkreter bedeutet dies, dass in diesem Jahr bei 306.000 gesetzlich Versicherten eine Lyme-Borreliose diagnostiziert wurde. Dies entspricht der Einwohnerzahl von Städten wie Mannheim oder Karlsruhe.
Ältere Menschen waren häufiger betroffen, die höchsten Werte zeigten sich in der Altersgruppe der 70- bis 79-Jährigen. In allen Altersgruppen war die Diagnoseprävalenz bei Frauen höher als bei Männern. Betrachtet man die Entwicklung der Fallzahlen im zeitlichen Verlauf, so zeigt sich ein Rückgang der Erkrankungshäufigkeit über alle Altersgruppen von 2010 bis 2019.
Regionale Unterschiede mit höchster Prävalenz in Thüringen
Die Lyme-Borreliose tritt bundesweit auf, es bestehen aber deutliche regionale Unterschiede. Die höchsten Prävalenzen zeigen sich in der Studie in einem Cluster von 45 Kreisen. Diese sind vor allem im Osten der Republik gelegen und umfassen Kreise in Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Bayern. Im Osten von Bayern gibt es ebenfalls einen Cluster, bestehend aus acht Kreisen, welche an die Tschechische Republik angrenzen. Im Jahr 2019 war die Diagnoseprävalenz mit 89 je 100.000 Versicherte in Herne (Westfalen-Lippe) am geringsten und im Saale-Orla-Kreis in Thüringen am höchsten (1.481 je 100.000 Versicherte).
Wissen um Borreliose-Risiko hilft bei Prävention
Die aktuellen Daten des Zi, welche auch regionale und zeitliche Unterschiede abbilden, sind für die Risikoeinschätzung sowie für künftige Präventionsmaßnahmen von Bedeutung.
„Unsere Studie liefert aktuelle regional differenzierte Daten zur Verbreitung der Lyme-Borreliose in Deutschland. Die Ergebnisse bilden eine Grundlage für künftige Präventionsmaßnamen, mit denen das Infektionsrisiko reduziert werden kann. Prävention wird wichtiger, weil sich die Zecken als Überträger der Krankheitserreger immer weiter ausbreiten“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried [2].
Wie sich die Infektionszahlen in den kommenden Jahren entwickeln werden, bleibt abzuwarten. So war die Zahl der FSME-Infektion im Jahr 2020 auf ein Rekordhoch gestiegen, was Wissenschaftler sowohl auf den Klimawandel als auch auf das veränderte Freizeitverhalten der Bevölkerung im Zuge der COVID-19-Pandemie zurückführen.