
Hintergrund
Bei ausgewählten Schlaganfallpatienten mit einem Verschluss großer Hirngefäße kann eine mechanische Thrombektomie (MT) als Ergänzung der intravenösen Thrombolyse (IVT) mit rekombinantem Gewebeplasminogenaktivator (tissue-type plasminogen activator [tPA]) das absolute Risiko für Behinderung und Tod signifikant senken. Aufgrund widerstreitender Studienergebnisse gibt es bisher keinen Konsens darüber, ob der Eingriff unter Allgemeinanästhesie, Sedierung oder Lokalanästhesie durchgeführt werden sollte [1,2].
Vor- und Nachteile der Allgemeinanästhesie
Eine Allgemeinanästhesie mit Intubation hat den Vorteil einer kompletten Immobilisation des Patienten, die meist mit einem besseren angiographischen Bildgebung und einer kürzeren Gesamtdauer des Eingriffs verbunden ist. Allgemeinanästhesie mit Intubation können jedoch die Lendenpunktion und folglich die Rekanalisation verzögern. Die vasodilatorischen Eigenschaften von Allgemeinanästhetika können außerdem zu einem Blutdruckabfall führen und die zerebrale Blutversorgung verringern. Die Intubation und Beatmung erhöhen das Pneumonie-Risiko der Patienten.
Spätfolgen der Beatmung
Im Allgemeinen erhöht sich das Risiko von Komplikationen und Spätfolgen mit der Dauer der Beatmung. Auf der anderen Seite kann eine verfrühte Beendigung der Beatmung und Extubation zu einem bedrohlichen Blutdruckanstieg und zu respiratorischen Problemen führen. Sie erhöht darüber hinaus das Aspirationsrisiko. Diese Risiken müssen gegeneinander abgewogen werden. Bislang liegt nur eine Studie mit MT-Patienten vor, die zeigt, dass eine Extubation nach 24h mit einem schlechteren klinischen Ergebnis verbunden ist. Daten über das klinisch-funktionelle Ergebnis nach drei Monaten bei Beatmungszeiträumen <6h und 6-24h liefert nun die Studie eines Teams um Dr. Thomas Gattringer (PhD) an der Medizinischen Universität Graz, Österreich.
Zielsetzung
Ziel der Studie war es festzustellen, welche Auswirkungen die Dauer der künstlichen Beatmung bei Schlaganfallpatienten hat, bei denen eine mechanische Thrombektomie unter Allgemeinanästhesie durchgeführt worden war.
Methoden
In der Studie wurden die Beatmungsdaten von Patienten (≥ 18 Jahre) analysiert, bei denen in den Jahren 2011-2019 eine mechanische Thrombektomie unter Allgemeinanästhesie im Schlaganfallzentrum der Medizinischen Universität Graz durchgeführt worden war. Ausgeschlossen wurden Patienten, bei denen eine Hemikraniektomie zur Dekompression durchgeführt werden musste. Die Daten zur Beatmung (Beatmungsdauer und exakter Zeitpunkt der Extubation), zu frühen Komplikationen des Schlaganfalls auf der Neurointensivstation sowie Komplikationen inklusive Pneumonien während des Aufenthalts in der Stroke-Unit wurden prospektiv im Rahmen einer Kohortenstudie aufgezeichnet.
Einstufung der Extubation
Die Extubation wurde in die Kategorien früh, verzögert und spät wie folgt eingestuft.
- Früh: Extubation innerhalb von 6 h nach dem Eingriff, entweder unmittelbar danach oder auf der neurologischen Intensivstation.
- Verzögert: Extubation 6-24 h nach dem Eingriff
- Spät: Extubation >24h nach dem Eingriff.
Klinisch-funktionelles Ergebnis nach drei Monaten
Das klinisch-funktionelle Ergebnis wurde nach drei Monaten nach der modifizierten Rankin Skala (modified Rankin Scale [mRS]) mit Punkten bewertet. Ein Punktwert von 0-2 wurde als günstig ein Wert von 3-6 als ungünstig eingestuft.
Ergebnisse
Bei den 447 in die Studie aufgenommenen Patienten (Durchschnittsalter 69 ±13 Jahre, 50,1% weiblich) betrug die mediane Beatmungszeit 3 h. Von 441 Patienten lagen Daten für das klinisch-funktionelle Ergebnis nach drei Monaten vor. Bei 42,6% dieser Patienten war dieses Ergebnis mit einem mRS Punktwert von 0-2 günstig und korrelierte mit einer kürzeren Beatmungszeit (Spearman’s Rho=0,39, p<0,001). Bei den Gruppen innerhalb des 24 Stunden-Zeitraums war das klinisch-funktionelle Ergebnis bei Patienten mit früher Extubation (<6h) um den Faktor 2,4 besser als das der Patienten mit verzögerter Extubation (6-24h) (Odds Ratio 2,40, 95% Konfidenzintervall 1,53-3,76, p<0,001).
Pneumonierisiko
Die Pneumonierate auf der neurologischen Intensivstation stieg erwartungsgemäß mit der Beatmungsdauer an. Sie betrug bei früher Extubation 9,6%, bei verzögerter Extubation bei 20,6% und bei später Extubation bei 27,7%. Während die meisten Fälle mit später Extubation (>24h) durch Komplikationen infolge des Schlaganfalls verursacht wurden, waren die verzögerten Extubationen (6-24 h) auf eine Einweisung außerhalb der Kernarbeitszeiten zurückzuführen.
Fazit
Eine verlängerte Beatmungsdauer nach einer mechanischen Thrombektomie geht mit einer höheren Rate für ungünstige klinisch-funktionelle Ergebnisse nach drei Monaten einher und ist mit einer erhöhten Pneumonie-Rate verbunden. Die Autoren plädieren daher dafür, den Patienten so früh es unter Sicherheitsaspekten möglich, ist zu extubieren.