Hintergrund
Mehr als 10 % aller Menschen leiden unter Migräne. Die Erkrankung führt zu massiven Beeinträchtigungen bei den Betroffenen bis hin zur Arbeitsunfähigkeit und sozialer Isolation. Laut der Global Burden of Disease Study 2016 ist Migräne die zweite Hauptursache für Arbeitsunfähigkeit und ist für mehr Fälle von Arbeitsunfähigkeit verantwortlich als alle anderen neurologischen Erkrankungen zusammen. Ursache und Pathogenese der Migräne sind bis heute nicht eindeutig erklärt. Zur Behandlung und zur Vorbeugung von Migräneattacken werden neben Pharmazeutika auch zahlreiche nicht-pharmakologische Methoden eingesetzt. Zu diesen gehören beispielsweise Lebensstiländerungen, Ausdauersport, Entspannungstechniken, Kopfschmerzschulungen oder Methoden zum Stressmanagement.
Stress als Migränetrigger
Stress ist als Auslöser für Migräne schon lange bekannt. Die achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (mindfulness-based stress reduction [MBSR]) ist eine beliebte Methode in den USA, um Stress-getriggerten Migräneattacken vorzubeugen beziehungsweise die Symptome von Attacken zu mildern. Sie ist vergleichsweise einfach zu erlernen und sollte daher nach absehbarer Zeit Erfolge erzielen. An der Wake Forest School of Medicine in Winston Salem / North Carolina hat eine Arbeitsgruppe um Rebecca Erwin Wells untersucht, ob eine MBSR, die auf Yoga und Meditationen beruht, Migräneanfällen besser vorbeugen und gegebenenfalls auch die Intensität der Migränebeschwerden deutlicher mildern kann als eine Kopfschmerzschulung. [1]
Zielsetzung
Ziel der Studie war es herauszufinden, ob eine achtsamkeitsbasierten Stressreduktion (MBSR) Intensität und Frequenz von Migräne effektiver verbessert als eine Kopfschmerzschulung.
Methoden
An der Studie nahmen Patienten teil, die an 4-20 Tagen im Monat unter starken Kopfschmerzen litten. Die Teilnehmer wurden in eine MBSR-Gruppe und eine Kopfschmerzschulungsgruppe randomisiert. Die MBSR-Methode wurde in 8 wöchentlichen Sitzungen von jeweils 2 Stunden Dauer erläutert und geübt. Sie bestand aus Yoga und Mediationen. Die Teilnehmer wurden gebeten, die Übungen täglich zuhause zu wiederholen. In der gleichen Zeit erhielt die andere Gruppe eine Kopfschmerzschulung. Als primärer Endpunkt wurde die Zahl der Kopfschmerztage pro Monat innerhalb von 12 Wochen festgelegt. Sekundäre Endpunkte waren Veränderungen hinsichtlich der Beeinträchtigung, Lebensqualität, Selbstwirksamkeit, Schmerzkatastrophisierung, Depressions-Score und experimentell induzierte Schmerzintensität.
Ergebnisse
Insgesamt nahmen 89 Erwachsene mit einer durchschnittlichen Anzahl von 7,3 Kopfschmerztagen pro Monat an der Studie teil. Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 43,9 Jahren. Die mit 92% (n=82) überwiegende Mehrheit der Teilnehmer war weiblichen Geschlechts. Die Teilnehmer beider Gruppen berichteten nach 12 Wochen von weniger Kopfschmerztagen in den vergangenen Monaten (MBSR-Gruppe -1,6 Tage/Monat; 95% Konfidenzintervall [CI] −0,7 bis−2,5 / Schulungsgruppe -2 Tage/Monat; 95% CI −1,1 bis−2,9). Der Unterschied zwischen den Gruppen war nicht signifikant.
Sekundäre Endpunkte
Gegenüber der Gruppe, die an der Kopfschmerzschulung teilgenommen hatte, zeigte die MBSR-Gruppe eine deutlichere Verbesserung gegenüber den Baselinewerten bei einigen sekundären Endpunkten. Hier die Differenzwerte zwischen den beiden Gruppen hinsichtlich der Baselineverbesserung:
- Beeinträchtigungsscore: 5,92; 95% CI 2,8-9,0; p < .001
- Lebensqualität: 5,1; 95% CI 1,2-8,9; p = 0,01)
- Selbstwirksamkeit: 8,2; 95% CI 0,3-16,1; p = 0,04
- Schmerzkatastrophisierung: 5,8; 95% CI 2,9-8,8; p < 0,001
- Depressionsscore: 1,6; 95% CI 0,4-2,7; p = 0,008
Die Patienten in der MBSR Gruppe berichteten auch von einer Abnahme der Schmerzintensität um durchschnittlich 36,3% (95% CI 12,3%-60,3%) und Unwohlsein um 30,4% (95% CI 9,9%-49,4%. Die Teilnehmer an der Kopfschmerzschulung sogar von einer Verschlechterung dieser Parameter: Bei der Schmerzintensität um 13,5% (95% CI −9,9%-36,8%) und dem Unwohlsein um 11,2% (95% CI −8,9% -31,2%) nach 36 Wochen.
Fazit
Mithilfe der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion (MBSR) konnte die Migränefrequenz nicht mehr senken als die Kopfschmerzschulung. Die MBSR erzielte jedoch bessere Ergebnisse hinsichtlich des Krankheitsbildes als die Kopfschmerzschulung. So empfanden sich Teilnehmer der MBSR-Gruppe weniger beeinträchtigt und selbst-wirksamer als die Absolventen der Kopfschmerzschulung. In der MBSR-Gruppe wurden auch bessere Werte für Lebensqualität, Schmerzkatastrophisierung und Depressionen erzielt. Darüber hinaus nahm die gefühlte Intensität von induziertem Schmerz bei der MBSR ab, was die Autoren als veränderte Schmerzbewertung interpretieren. Die Autoren schließen aus den Studienergebnissen, dass MBSR die Gesamtbelastung des Patienten durch die Migräne verringern kann, empfehlen aber weitere und größere Studien zur Überprüfung ihrer Ergebnisse.








