
Hintergrund
Die SARS-CoV-2-Pandemie stellt das Gesundheitswesen und die medizinische Versorgung weltweit vor große Herausforderungen. Notfalleinrichtungen und Krankenhäuser müssen ihre Kapazitäten für die aktuellen und die in Zukunft erwarteten COVID-19 Patienten ausbauen. Das geht zu großen Teilen nur durch die Limitierung der medizinischen Versorgung anderer Erkrankungen. Dabei gilt es Behandlungen nach Dringlichkeitsgrad zu priorisieren und elektive Therapien und Operationen zu verschieben.
Stellungnahme der Kommission Zerebrovaskuläre Erkrankungen
Die Versorgung von Schlaganfällen und zerebrovaskuläre Erkrankungen gehört selbstverständlich nicht zu den aufschiebbaren Behandlungen. Dennoch werden auch mit Intensivbetten der Stroke Units Kapazitäten für COVID-19 Patienten geschaffen. Die Kommission Zerebrovaskuläre Erkrankungen in der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) fordert daher in einer Stellungnahme, dass dabei auf keinen Fall die Qualität der akuten Versorgung und der Nachbehandlung von Schlaganfallpatienten gefährdet werden darf. In der Stellungnahme fasst die DGN-Kommission Zerebrovaskuläre Erkrankungen auch den Kenntnisstand zu den Auswirkungen von SARS-CoV-2 und COVID-19 auf zerebrovaskuläre Erkrankungen zusammen.
Schlaganfallrisiko und SARS-CoV-2
Die Infektion mit SARS-CoV-2 ist nach derzeitigem Kenntnisstand nicht direkt mit Schlaganfällen oder anderen zerebrovaskulären Erkrankungen assoziiert. Zentren in China und Italien berichten jedoch über ein potenziell gehäuftes Auftreten von zerebrovaskulären Komplikationen und Schlaganfällen bei einer SARS-CoV-2 Infektion. Dieses Phänomen wird auf pathophysiologische Prozesse zurückgeführt, die auch bei anderen schweren Virusinfektionen zu beobachten sind, wie beispielsweise die Aktivierung des Gerinnungssystems, eine disseminierte intravasale Gerinnung sowie vaskuläre Veränderungen infolge von Organschäden.
Stationäre Aufnahmen gehen zurück
Seit Beginn der Pandemie gehen die stationären Aufnahmen aufgrund von Schlaganfällen und transitorischen ischämischen Attacken (TIA) weltweit und in Deutschland zurück. Die Ursachen für diesen Rückgang sind unbekannt. Die DGN-Kommission Zerebrovaskuläre Erkrankungen fordert dazu auf, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, dass eine unverzügliche Schlaganfallversorgung in deutschen Krankenhäusern weiterhin höchste Priorität hat und ohne Einschränkungen durchgeführt wird. Bei Schlaganfallsymptomen muss sofort über den Notruf 112 medizinische Hilfe gerufen werden.
COVID-19 in der Stroke Unit
Die Umwandlung von Betten in den Stroke Units zu Beatmungsplätzen für COVID-19 Patienten verringert die Kapazitäten für die Akutversorgung von Schlaganfällen. Darüber hinaus müssen sich die Stroke Units auch auf die Versorgung von Schlaganfallpatienten mit Verdacht auf oder bestätigter SARS-CoV-2 Infektion einstellen. Die notwendigen Maßnahmen bedeuten eine erhebliche Mehrbelastung für die Stroke Units. Dennoch, so betont die DGN-Kommission Zerebrovaskuläre Erkrankungen, dürfen die Therapiestandards bei Schlaganfallpatienten nicht aufgeweicht und die reibungslose, optimale Organisation der Versorgung nicht gefährdet werden.
Fallkonferenzen per Video durchführen
Die DGN-Kommission befürchtet vor allem, dass es bei der Rehabilitation und der Sekundärprävention von zerebrovaskulären Erkrankungen zu einer schlechteren Betreuung der Patienten kommen könne. Sie empfiehlt, interdisziplinäre und sektorenübergreifende Fallkonferenzen als Videokonferenzen durchzuführen, um direkte Treffen zu vermeiden und das Infektionsrisiko für die beteiligten Ärzte und die medizinischen Fachkräfte zu verringern.
Ziel: Qualität erhalten
Eine sorgfältige Einschätzung des Einzelfalls soll bei der Priorisierung von Behandlungsmaßnahmen helfen, die Abteilung durch die Verschiebung elektiver Behandlungen entlasten und damit auch den Infektionsschutz verbessern. Die DGN-Kommission Zerebrovaskuläre Erkrankungen sieht die Hauptaufgabe für alle in der Schlaganfallversorgung tätigen Neurologen derzeit darin: “Die hohe Qualität der Versorgung zerebrovaskulärer Erkrankungen in Deutschland auch unter den aktuell erschwerten Bedingungen bestmöglich aufrecht zu erhalten.“