Kognitive Beeinträchtigungen durch Toxoplasma?

Die Hinweise mehren sich, dass eine Toxoplasma-Infektion neurologische Langzeitfolgen bei ansonsten gesunden Menschen haben könnte. Eine Meta-Analyse erbrachte nun, dass seropositive Personen in kognitiven Tests im Mittel etwas schlechter abschnitten als Seronegative.

Toxoplasmose

Hintergrund

Der einzellige Parasit Toxoplasma gondii ist weltweit verbreitet. Er kann sich ausschließlich im Verdauungstrakt von Feliden geschlechtlich vermehren, aber in zahlreichen Zwischenwirten, darunter auch dem Menschen überleben. Die Zwischenwirte infizieren sich durch die Aufnahme infektiösen Oozysten aus der Umwelt oder beim Verzehr von unzureichend gegartem Fleisch, in dem sich Toxoplasma-Bradyzoiten (Ruhestadien des Parasiten) befinden. Man schätzt, dass ca. 30% der Weltbevölkerung bereits eine meist stumme Toxoplasma-Infektion durchgemacht haben. Die Seroprävalenz nimmt dabei mit dem Alter zu.

Folgen der Toxoplasma-Infektion

Die akute Infektion T. gondii verläuft bei immunkompetenten Menschen in der Regel unauffällig. Früher ging man daher davon aus, dass T. gondii nur für Ungeborene im Mutterleib und immunsupprimierte Menschen ein ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko darstellt. Seit einigen Jahren mehren sich jedoch die Hinweise, dass T. gondii auch bei immunkompetenten Menschen Veränderungen im Gehirn verursachen kann, die möglicherweise das Verhalten und die Kognition beeinflussen oder zur Entstehung von psychischen Erkrankungen beitragen.

Verhaltensänderungen und psychische Erkrankungen

T. gondii kann nachweislich die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Im Tierexperiment gingen infizierte Nagetiere höhere Risiken ein als ihre Toxoplasma-freien Artgenossen. In weiteren Studien wiesen infizierte Mäuse eine verzögerte Reaktionszeit, eine reduzierte Lernkapazität und verringerte motorische Fähigkeiten auf. Diese neurologischen Veränderungen beim Zwischenwirt tragen möglicherweise zur Verbreitung des Parasiten bei, weil die infizierten Nager dadurch leichter zur Beute für den Hauptwirt Katze werden. In Studien beim Menschen wurden Zusammenhänge von Seropositivität für T. gondii der Häufung von Verkehrsunfällen, einer erhöhten Suizidalität sowie dem Auftreten Depressionen, Angststörungen oder Schizophrenie beobachtet.

Auswirkungen auf die Kognition

Es gibt auch Studien, die darauf hinweisen, dass eine T. gondii-Infektion die kognitiven Fähigkeiten von immunkompetenten und ansonsten gesunden Menschen beeinträchtigen könnte. Die Studienlage ist jedoch sehr heterogen. Um festzustellen, welchen Einfluss eine Toxoplasmose auf spezifische kognitive Fähigkeiten von ansonsten gesunden Menschen hat und wie bedeutend dieser Einfluss tatsächlich ist, hat ein Team um Arjen L. Sutterland, Facharzt für Psychiatrie, an der Universität Amsterdam eine Meta-Analyse entsprechender Studien durchgeführt.

Zielsetzung

Die Studie hatte zum Ziel, bisherige Studienergebnisse dahingehend systematisch zu analysieren, ob und in welchem Ausmaß eine Seropositivität für T. gondii bei ansonsten gesunden Menschen mit Veränderungen spezifischer kognitiver Fähigkeiten assoziiert ist.

Methoden

Zwei in der Literaturrecherche erfahrene Forscher suchten in den Datenbanken PubMed, MEDLINE, Web of Science, PsycInfo, and Embase unabhängig voneinander nach Studien, in denen kognitive Test mit gesunden Menschen durchgeführt und der Toxoplasma-Serostatus der Probanden untersucht worden waren. Nach Ausschluss von Duplikaten und der Überprüfung auf Qualität, Inhalt sowie Vollständigkeit der für die Analyse relevanter Daten wurden von den ursprünglichen 1.954 Datenbanktreffern in der Stichwortsuche 13 Studien in die Meta-Analyse eingeschlossen. In der Analyse ging es um den Vergleich der kognitiven Leistungen von seropositiven und seronegativen gesunden Personen. Folgende kognitive Funktionen standen im Fokus: Verarbeitungsgeschwindigkeit, Arbeitsgedächtnis, verbales Kurzzeitgedächtnis und exekutive Funktionen. Bewertet wurden diese Fähigkeiten mithilfe etablierter kognitiver Tests.

Ergebnisse

An den 13 ausgewählten Studien hatten insgesamt 13.289 gesunde Personen im mittleren Alter von 46,7 Jahren teilgenommen. Knapp die Hälfte der Teilnehmer (49,6 %) war männlich. Seropositiv für T. gondii waren 3006 (22,6 %) der Teilnehmer. In 11 Studien wurde mehr als nur eine kognitive Fähigkeit getestet und das Ergebnis von seropositiven und seronegativen Probanden verglichen. Bei allen Fähigkeiten schnitten die Seronegativen signifikant besser ab als die Seropositiven. In der Meta-Analyse ermittelten die Forscher folgende standardisierte Mittelwertdifferenzen (SMD):

  • Verarbeitungsgeschwindigkeit: seronegativ vs. seropositiv SMD 0,12; 95% Konfidenzintervall [CI] 0,05-0,19; p=0,001)
  • Arbeitsgedächtnis: seronegativ vs. seropositiv SMD 0,16; 95% CI 0,06-0,26; p=0,002)
  • Verbales Kurzzeitgedächtnis: seronegativ vs. seropositiv SMD 0,18; 95% CI 0,06-0,26; p=0,002)
  • Exekutive Funktionen: seronegativ vs. seropositiv SMD 0,15; 95% CI 0,01-0,28; p=0,03)

Eine Meta-Regressions-Analyse erbrachte auch einen positiven Zusammenhang zwischen zunehmendem Lebensalter und Defiziten exekutiver Funktionen (Q=6,17; p=0,01)

Fazit

Die Autoren sehen die Stärken ihrer Meta-Analyse in der sorgfältigen Auswahl von Studien hoher Qualität. Sie räumen aber auch Limitationen ein, wie beispielsweise die Verwendung von Durchschnittswerten, die eine Kausalität nicht belegen können. Es wäre beispielsweise denkbar, dass nicht die Infektion mit T. gondii für das schlechtere Abschneiden der Seropositiven in den kognitiven Tests verantwortlich ist, sondern dass Personen mit schlechteren kognitiven Fähigkeiten anfälliger für Toxoplasmose-Infektionen sind. Im Grunde gehen die Autoren jedoch davon aus, dass stumme Toxoplasma-Infektionen die kognitiven Fähigkeiten ansonsten gesunder Personen beeinträchtigen können. Diese Effekte sind im Einzelfall zwar gering, stellen jedoch angesichts der hohen Seroprävalenz der Toxoplasmose ein gesamtgesellschaftliches Problem dar, das weiter erforscht und beispielsweise durch Hygiene-Programme eingedämmt werden muss.

Autor:
Stand:
27.07.2021
Quelle:
  1. JAMA: Association of Toxoplasma gondii Seropositivity with Cognitive Function in Healthy People: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA Psychiatry. DOI:10.1001/jamapsychiatry.2021.1590
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