
Spätestens seit die Bedeutung des Mikrobioms für unsere Gesundheit deutlicher wird, ist die Darm-Hirn-Achse in aller Munde. Der Hauptvermittler zwischen den beiden Organen ist der Nervus vagus. Über sensorische Neurone werden mit der Nahrungsaufnahme einhergehende Signale an das Gehirn übermittelt, um Sättigungsgefühl und Blutglukosespiegel zu steuern. Über Feedback-Mechanismen wird so die Nahrungsaufnahme reguliert. Störungen in diesem Signalweg sind mit metabolischen Dysfunktionen assoziiert, die in Adipositas und Diabetes resultieren können.
Ganglion als Ansatzpunkt zur Therapie von Adipositas & Co.
Ein detaillierteres Verständnis darüber, wie die Regulation der Nahrungsaufnahme gesteuert wird, könnte demnach zur Entwicklung von Therapien bei Adipositas, Diabetes und weiteren metabolischen Störungen beitragen. Forscher vom Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung in Köln haben sich die Schaltzentrale des Vagus-Nerven, das Ganglion nodosum, daher näher angeschaut [1].
Differenzierte Betrachtung im Mausmodell
Das Ganglion nodosum, auch Ganglion inferius nervi vagi genannt, liegt in der Fossula petrosa an der äußeren Schädelbasis. Die unterschiedlichen Nervenzellen im Ganglion nodosum übernehmen verschiedene Aufgaben. Manche Neurone reagieren auf mechanische Reize, die bei der Ausdehnung des Magens während der Nahrungsaufnahme entstehen, während andere Neurone chemische Signale aus der Nahrung verarbeiten.
„Um die Aufgabenteilung der Nervenzellen im Nodose Ganglion zu untersuchen, haben wir die verschiedenen Typen von Nervenzellen durch ein genetisches Verfahren in Mäusen sichtbar gemacht. Das ermöglicht uns, genau zu sehen, welcher Typ Nervenzelle welches Organ ansteuert und gibt uns einen Eindruck davon, welche Signale wahrgenommen werden“, sagt Studienleiter Dr. Henning Fenselau [2]. „Außerdem können wir damit die unterschiedlichen Typen von Nervenzellen gezielt ein- und ausschalten, um ihre genaue Funktion während der Nahrungsaufnahme herauszufinden.“
Steuerung von Sättigungsgefühl und Blutzuckerspiegel
Die Forscher identifizierten bei ihren Untersuchungen zwei Nervenzelltypen, die unterschiedliche Rezeptoren exprimieren. Vagale Afferenzen, die den GLP1-Rezeptor (Glucagon-like Peptide 1 Receptor) exprimieren, sind für das Sättigungsgefühl und damit die Beendigung der Nahrungsaufnahme verantwortlich. Weiterhin führt die Aktivierung der GLP1R-positiven Zellen zu einer verbesserten Glukose-Toleranz. Die Inhibition dieser Neurone führt zu einem Anstieg des Blutzuckerspiegels unabhängig von der Nahrungsaufnahme.
Die andere Population von Nervenzellen, die GPR65 exprimiert, steigert bei Aktivierung die Glukoseproduktion durch die Leber und aktiviert Neurone im Nucleus parabrachialis im Hirnstamm, die für die Kontrolle des Blutzuckerspiegels verantwortlich sind. Für die Regulation der Nahrungsaufnahme sind diese Neurone allerdings entbehrlich.
Nervenzellen reagieren unterschiedlich auf Nahrungsaufnahme
Studienleiter Fenselau fasst die Ergebnisse der Studie zusammen: „Die Reaktion unseres Gehirns auf die aufgenommene Nahrung ist vermutlich ein Zusammenspiel dieser beiden Nervenzelltypen“, so der Forscher. „Die Aufnahme von Nahrung mit viel Volumen dehnt unseren Magen, aktiviert die dort liegenden Nervenzelltypen. Diese stoppen ab einem gewissen Punkt die weitere Nahrungsaufnahme und passen gleichzeitig den Blutzuckerspiegel entsprechend an. Nahrung mit hoher Nährstoffdichte führt eher zu einer Aktivierung der Nervenzellen im Darm. Diese erhöhen den Blutzuckerspiegel weiter aktiv, indem körpereigene Glukose ausgeschüttet wird, stoppen aber nicht die weitere Nahrungsaufnahme.“