
Das Plattenepithelkarzinom der Haut (PEK)
Das Plattenepithelkarzinom der Haut (PEK) ist der zweithäufigste bösartige Hauttumor. Gemeinsam mit dem Basalzellkarzinom wird er auch als „weißer Hautkrebs“ oder „heller Hautkrebs“ bezeichnet. Die Inzidenz des PEK stieg in den letzten dreißig Jahren in Deutschland schätzungsweise um das Vierfache an. Das PEK kann primär in die regionären Lymphknoten metastasieren und Fernmetastasen bilden. Die Rate beträgt ca. 5%, in einzelnen Subgruppen bis zu 20%. Sind Fernmetastasen vorhanden, ist die Prognose schlecht.
Aktinische Keratosen (AK) sind raue, meist rötliche Hautveränderungen, die sich als präkanzeröse Vorstufe zu Plattenepithelkarzinomen weiterentwickeln können. Der wichtigste Risikofaktor für das Entstehen von aktinischen Keratosen und damit möglicherweise auch eines PEKs ist eine intensive UV-Exposition. Deswegen treten die Veränderungen hauptsächlich an Hautstellen auf, die häufig der Sonne ausgesetzt sind, beispielsweise im Gesicht, auf dem Kopf oder auf den Handrücken.
In der letzten Dekade konnte eine deutliche Zunahme der AK festgestellt werden. Man geht davon aus, dass aktuell in Deutschland 1,7 Millionen Menschen aufgrund von AK in dermatologischer Behandlung sind. Die Anzahl der Patienten, die wirklich an AK erkrankt sind, liegt jedoch wesentlich höher und wird in den nächsten Jahren entsprechend der Bevölkerungsstruktur weiter ansteigen.
Aktualisierung der Behandlungsleitlinie
Im Rahmen des Leitlinienprogramms Onkologie wurde die S3-Leitlinie „Aktinische Keratose und Plattenepithelkarzinom der Haut“ aktualisiert. Die S3-Leitlinie entstand unter Federführung der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO), der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) sowie unter Mitwirkung von 24 Fachgesellschaften und 13 Experten. Ziel ist es, evidenzbasierte Diagnose-, Behandlungs- und Nachsorgemöglichkeiten aufzuzeigen und so die Versorgung von Patienten mit PEK oder/und AK zu verbessern.
Die S3-Leitlinie richtet sich primär an Dermatologen, Chirurgen, Radiologen und Strahlentherapeuten in Klinik und Praxis, Hals-Nasen-Ohrenärzte, Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen und andere medizinische Fachrichtungen, die an der Diagnostik und Therapie von Patienten mit AK bzw. PEK beteiligt sind. Die Leitlinie soll außerdem Hausärzten, Internisten, Gynäkologen, Urologen, internistische Onkologen sowie weiteren Institutionen des Gesundheitswesens (z. B. Kostenträgern und politischen Entscheidungsträgern) zur Information und Orientierung dienen. Darüber hinaus richtet sich die Leitlinie an Patienten mit AK und/oder PEK der Haut sowie an Patienten, die gefährdet sind, diese Tumoren zu entwickeln.
Zu den Änderungen der überarbeiteten Fassung zählen unter anderem ein neues Kapitel zu Morbus Bowen und Empfehlungen zur Therapie der Cheilitis actinica. Zudem wurden die Empfehlungen zur Behandlung des PEKs durch System- sowie chirurgische Therapie aktualisiert. Mit diesen und weiteren Ergänzungen und Präzisierungen trägt die Leitlinie dazu bei, die Behandlung von AK und PEK weiter zu standardisieren und nach dem aktuellen Stand der Studien auszurichten.
Überblick über die wesentlichen Neuerungen
Therapie der aktinischen Keratose
Die Therapie der AK wurde aktualisiert und um neu zugelassene Präparate ergänzt. Das Balance-Sheet wurde weiter nach praktisch relevanten Aspekten überarbeitet.
Behandlung von Cheilitis actinica
Die Cheilitis actinica ist eine Variante der aktinischen Keratose im Bereich des Lippenrots. Es wird davon ausgegangen, dass sich 10-30% dieser Veränderungen zu PEKs weiterentwickeln können.
„Auch die Behandlung der Cheilitis actinica haben wir neu in die Leitlinie aufgenommen. Da diese Läsionen der Lippe zu den aktinischen Keratosen gehören, stehen theoretisch dieselben Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Allerdings sollte die gesamte Lippenregion behandelt werden. Das erfordert eine Konzentration auf bestimmte Methoden, die wir im neuen Kapitel ausführlich beschrieben haben,“ sagte Prof. Dr. Carola Berking vom Uniklinikum Erlangen. Gemeinsam mit Prof. Dr. Ulrike Leiter-Stöppke von der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, und PD Dr. Markus Heppt, ebenfalls vom Uniklinikum Erlangen, koordinierte sie die Aktualisierung der Leitlinie.
Ablative und arzneimittelgestützte Verfahren werden dargestellt und evidenzbasierte Empfehlungen hierzu abgegeben. Die Therapieoptionen werden in einem Balance-Sheet zusammengefasst
Morbus Bowen
Morbus Bowen stellt eine Vorstufe des PEKs dar, die deutlich seltener auftritt als die AK. Die veränderten Stellen sind in der Regel gut abgegrenzt, flach, rötlich-braun verfärbt und schuppig oder verkrustet.
„Der Morbus Bowen ist zumeist gut zu behandeln. In der Leitlinie geben wir nun erstmals Empfehlungen und ordnen die Verfahren nach unterschiedlichen Gesichtspunkten wie Wirksamkeit und Nebenwirkungsprofil ein. Damit wollen wir eine bessere Orientierung für die Behandlung der betroffenen Personen geben,“ sagte Berking. Hier wurde eine Adaptation aus dem Cochrane Review aus 2012 vorgenommen, dieses wurde als Grundlage herangezogen und die Literaturrecherche aktualisiert.
Therapiealgorithmus zum Plattenepithelkarzinom
PEK werden hauptsächlich chirurgisch behandelt. Für die genaue Gestaltung dieser Behandlung und der nachfolgenden Untersuchungen gab es jedoch bislang kein einheitliches Vorgehen.
Die aktualisierte Leitlinie enthält nun einen Behandlungsalgorithmus, in dem die chirurgische Therapie des PEK, die Wahl der Sicherheitsabstände, die Empfehlungen zur histologischen Schnittrandkontrolle und Empfehlungen zur Nachexzision jeweils unter Berücksichtigung spezieller Risikofaktoren präzisiert und schematisch dargestellt sind.
Die Empfehlungen zur adjuvanten und postoperativen Radiatio wurden separat dargestellt.
Auch die Empfehlung zur Systemtherapie des PEKs wurde aktualisiert. Hierbei wurde auf Änderungen seit der Zulassung von Cemiplimab 08/2019 und auf Alternativen nach Progress und bei Kontraindikationen eingegangen.
Hat ein Tumor bereits Metastasen gebildet oder ist lokal weit fortgeschritten, kann die Indikation für eine Systemtherapie – also beispielsweise eine Immun- oder Chemotherapie – gegeben sein. Diese Entscheidung soll ein interdisziplinäres Tumorboard prüfen. Wird hier die Indikation zu einer Systemtherapie bestätigt, empfiehlt die Leitlinie zunächst eine Immuntherapie mit einem hierfür zugelassenen PD1-Inhibitor. Für diese Behandlung liegt aktuell auch die beste Datenlage vor. Zudem ist zu prüfen, ob die Teilnahme an einer klinischen Studie möglich ist.
Ein Abschnitt zur Palliativmedizin wurde ergänzt.
Vor- und Nachsorge beim Plattenepithelkarzinom
Die Empfehlungen zur Nachsorge des PEKs wurden tabellarisch überarbeitet, die Empfehlungen zur Lymphknotensonographie auf sechs- bis zwölfmonatige Abstände reduziert. Weiter wurde ergänzt, dass auch bei geringem Rezidivrisiko nicht auf eine Nachsorge verzichtet werden kann, sondern diese auch hier zur Früherkennung von sekundären PEK der Haut durchgeführt werden soll.