
Hintergrund
Die gesundheitsbezogene Lebensqualität von Krebspatienten wird nicht allein durch die Chemotherapie selbst vermindert, sondern auch durch deren unerwünschte Nebenwirkungen wie verminderte kardiorespiratorische Fitness, Fatigue und erhöhte kardiovaskuläre Morbidität. All das kann sogar die Überlebenszeit der Patienten verkürzen. Vieles deutet darauf hin, dass körperliche Betätigung während und nach der Chemotherapie vorteilhaft ist und die nachteiligen Auswirkungen der Krebstherapie mildern kann. Man weiß, dass eine körperliche Aktivität während der Chemotherapie für den Patienten sicher ist. Bislang ist das Wissen über den optimalen Zeitpunkt und das optimale Ausmaß einer körperlichen Aktivität zur Verhinderung behandlungsbedingter Toxizitäten und verminderter kardiorespiratorischer Fitness jedoch sehr gering.
Zielsetzung
Das Studienziel war es festzustellen, ob der Beginn körperlicher Aktivität in Form von Training bereits während der Chemotherapie dem eingeleiteten Training nach Abschluss der Chemotherapie in Bezug auf die Verbesserung der langfristigen kardiorespiratorischen Fitness überlegen ist.
Methodik
In die Studie eingeschlossen wurden erwachsene Krebspatienten, bei denen vor kurzem Brustkrebs, Dickdarmkrebs, Hodenkrebs oder ein B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom diagnostiziert wurde und für die eine kurative Chemotherapie geplant war. Die Patienten wurden im Verhältnis 1:1 randomisiert und nahmen während (Gruppe A: Beginn 3 Monate vor geplantem Ende der Chemotherapie) oder nach Chemotherapie (Gruppe B: Beginn mit Ende der Chemotherapie) an einem vorgegebenen 24-wöchigigem Bewegungsprogramm teil. Dieses bestand aus einem 12-wöchigen betreuten Training, gefolgt von einem 12-wöchigen Training zu Hause ohne Aufsicht.
Der primäre Endpunkt war definiert als die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2) ein Jahr nach der Intervention. Sekundäre Endpunkte waren VO2 nach der Intervention, Muskelkraft, gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQoL), Fatigue, körperliche Aktivität und Selbstwirksamkeit. Die Analyse erfolgte in der Intention-to-Treat-Population.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 266 Krebspatienten in die Studie eingeschlossen und die beiden Gruppen bestanden aus je 133 Patienten. Bei 139 Patienten lag eine Brustkrebsdiagnose vor, bei 95 Hodenkrebs, bei 30 Darmkrebs und 2 Patienten hatten ein B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom. Die Drop-Out Rate lag bei 30 Patienten in Gruppe A und 29 Patienten in Gruppe B.
Maximale Sauerstoffaufnahme
In den ersten Wochen der Chemotherapie nahmen die Werte in Bezug auf VO2, HRQoL und Fatigue für beide Gruppen in ähnlicher Weise ab. Nach Abschluss der Chemotherapie waren die VO2-Spitzen in beiden Gruppen signifikant gesunken, mit Unterschieden innerhalb der Gruppen mit -2,8 ml/kg/min (95%-Konfidenzintervall (KI): -3,5 bis -2,0 ml/kg/min) in Gruppe A bzw. -5,8 ml/kg/min (95%-KI: -6,6 bis-5,1 ml/kg/min) in Gruppe B. Der Rückgang war in Gruppe A geringer als in Gruppe B (adjustierte Differenz zwischen beiden Gruppen: VO2 3,1 ml/kg/min, 95%-KI: 2,2 bis 4,0 ml/kg/min). Drei Monate nach Beendigung der Chemotherapie sowie ein Jahr nach Beendigung des Bewegungsprogramms waren die Werte für beide Gruppen wieder ähnlich.
Muskelkraft
Die Muskelkraft von Quadrizeps, Bizeps und Trizeps nahm unmittelbar nach der Chemotherapie in Gruppe A im Vergleich zu Gruppe B weniger stark ab mit den folgenden Unterschieden zwischen den Gruppen für diese Muskeln: 17,9 N (95%-KI: 3,9 bis32,0 N, p=0,012), 11,0 N (95%-KI: 2,9 bis19,1 N, p=0,008) und 6,3 N (95%-KI: 0,5 bis12,1 N, p= 0,033).
Gesundheitsbezogene Lebensqualität
Nach einem Jahr war die HRQoL in beiden Gruppen höher als zu Studienbeginn (Unterschiede innerhalb der Gruppe A: 8,2, 95%-KI: 4,5 bis 11,8 bzw. Gruppe B: 4,4, 95%-KI: 0,9 bis 7,9). Unmittelbar nach der Chemotherapie verschlechterte sich die HRQoL in Gruppe A weniger als in Gruppe B (adjustierte Unterschiede zwischen den Gruppen: 6,1; 95%-KI: 1,0 bis 11,2, p=0,027 und 5,5; 95%-KI: 0,6 bis 10,4, p=0,027).
Fatigue
Unmittelbar nach der Chemotherapie litten die Patienten der Gruppe A weniger unter allgemeiner und körperlicher Fatigue. Die adjustierten Unterschiede zwischen den Gruppen betrugen -2,1 für allgemeine Müdigkeit (95%-KI: -3,3 bis -0,8, p=0,001), -2,9 für körperliche Müdigkeit (95%-KI: -4,3 bis -1,5, p<0,001) und -1,5 für verminderte Aktivität (95%-KI: -2,9 bis -0,1, p=0,030).
Fazit
Die Studie zeigt, dass ein Bewegungsprogramm sicher für Krebspatienten während einer Chemotherapie durchgeführt werden kann. Es beugt Fatigue, einer Abnahme von VO2-Spitze, Muskelkraft und HRQoL vor und beschleunigt die Rückkehr der Funktionen nach der Chemotherapie. Sollte eine körperliche Aktivität während der Chemotherapie nicht möglich sein, kann das Bewegungsprogramm im Anschluss durchgeführt werden und die Patienten erlangen das gleiche Funktionsniveau wieder (gemessen 1 Jahr nach Abschluss der Maßnahme).