DKK 2022: Therapieziel Organerhalt beim Rektumkarzinom

Beim lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinom kann eine TNT hohe pathologische Komplettansprechraten erzielen. Ob bei kompletten Ansprechen auf eine Op verzichtet werden kann, ist bislang unklar.

Vortrag Kongress

Die totale neoadjuvante Therapie (TNT) bei Patientinnen und Patienten mit lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom wurde erstmals durch die RAPIDO-Studie etabliert, stellte Professor Dr. Claus Rödel, klinischer Direktor des Universitären Zentrums für Tumorerkrankungen (UCT) am Universitätsklinikum Frankfurt, in einer Keynote-Lecture anlässlich des Deutschen Krebskongresses 2022 in Berlin fest [1,2].

Die TNT bestand in der Studie aus einer Kurzzeitbestrahlung (5 x 5Gy) und einer Chemotherapie mit einem Fluoropyrimidin und Oxaliplatin (6 Zyklen CAPOX oder 9 Zyklen FOLFOX) nach Wahl des Prüfarztes. Die totale mesorektale Exzision (TME) erfolgte erst 22-24 Wochen nach Randomisierung. Damit hatte die Bestrahlung länger Zeit, ihre Wirksamkeit zu entfalten.

Ergebnisse der TNT in der RAPIDO-Studie

Es zeigte sich gegenüber dem Standard (Radiochemotherapie mit 50,4 Gy plus Capecitabin) eine Verdoppelung der Rate des pathologischen Komplettansprechens (pCR; 28,4% vs. 14,3%) [2]. Die Rate des krankheitsassoziierten Behandlungsversagens, der primäre Endpunkt der Studie, wurde um 25% reduziert (23,7% vs. 30,4%).

Die TME-Qualität war bei TNT allerdings etwas schlechter: Eine mesorektale Integrität war bei 78% der Patientinnen und Patienten nach der Op gegeben, bei Standardtherapie bei 85%. Derzeit ist die TNT eine mögliche Option vor allem bei Patient*innen mit Hochrisikokriterien, erklärte Prof. Rödel.

Gesucht: die optimale Sequenz der TNT

Welche Sequenz von Radiochemotherapie und Chemotherapie bei der TNT günstiger ist, prüfte die deutsche Phase-II-Studie ACO/ARO/AIO-12 [3]. Die Radiochemotherapie mit 50,4 Gy plus Capecitabin gefolgt von einer Chemotherapie mit FOLFOX führte bei 25% der Behandelten zu einer pCR, die umgekehrte Reihenfolge bei 17%. Für die lokale Kontrolle scheint der Beginn mit der CRT günstiger, onkologisch macht die Reihenfolge aber keinen Unterschied, betonte Rödel: Die auf drei Jahre bezogene krankheitsfreie Überlebensrate war mit 73% in beiden Gruppen gleich.

Immuntherapie-Euphorie: Organerhalt ist möglich

Die Diskussion um den Organerhalt nach neoadjuvanter Therapie hat eine Fallserie mit Durstalimab bei Mismatch-Repair-defizienten (dMMR) lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinomen entfacht [4]. Bei zwölf Patientinnen und Patienten führte die Therapie mit neun Zyklen des Checkpoint-Inhibitors zu einem 100%igen klinischen Komplettansprechen (cCR).

Bei allen Behandelten wurde daraufhin auf eine Op verzichtet. Nach bis zu 25 Monaten hatte es noch keinen Progress und kein Rezidiv gegeben. Allerdings weisen nur 5% aller Rektumkarzinome eine dMMR auf, erläuterte Prof. Rödel.

Neues Therapieziel: Rektumerhalt

Eine Watch&Wait-Strategie bei cCR ist aber auch bei lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinomen ohne dMMR und mit konventioneller multimodaler Therapie denkbar. Die STAR-TREC-Studie verglich bei Patientinnen und Patienten mit weniger stark fortgeschrittenen Rektumkarzinomen (cT1-3b, N0 M0) die Kurzzeitbestrahlung mit einer Radiochemotherapie mit 25 x 2Gy plus Capecitabine und der TME als Kontrollbedingung.

In den Gruppen mit Bestrahlung oder Radiochemotherapie wurde bei gutem Ansprechen nach drei Monaten weiter beobachtet. War nach 20-22 Wochen eine cCR erreicht, wurde Watch&Wait angeboten.

Bei 60% der Betroffenen konnte auf diese Weise ein Organerhalt über zwölf Monate erzielt werden [4]. In der OPRA-Studie war nach drei Jahren noch bei 53% der Patient*innen mit distalen Stadium-II- und -III-Rektumkarzinomen der Enddarm erhalten [5]. Hier bestand die TNT wieder wahlweise aus der Radiochemotherapie gefolgt von Chemotherapie (FOLFOX/CAPOX) oder der umgekehrten Sequenz.

Wie in der deutschen Studie zur optimalen Sequenz gab es auch hier keinen Unterschied in der 3-Jahres-Rate des krankheitsfreien Überlebens (jeweils 76%).

Prüfung von Watch&Wait in Deutschland

Aktuell läuft eine randomisiert-kontrollierte Phase-III-Studie ACO/ARO/AIO-18.1, die das RAPIDO-Regime und das Regime der Studie ACO/ARO/AIO-12 vergleicht. Ein erstes Restaging ist jeweils erst nach 22 bis 24 Wochen geplant.

Wird dann eine cCR erreicht, ist in beiden Studienarmen ein Watch&Wait möglich, ansonsten erfolgt die TME. Primärer Endpunkt der Studie ist der Organerhalt nach drei Jahren, betonte Rödel. Die Rekrutierung für diese Studie läuft deutlich schneller als geplant – an dieser Studie machen die Patientinnen und Patienten gerne mit. Die Studie wird unterstützt von der Deutschen Krebshilfe.

Autor:
Stand:
22.11.2022
Quelle:
  1. Prof. Dr. Claus Rödel: „Entwicklung der mulitmodalen therapie des Rektumkarzinoms in den letzten 30 Jahren“, 35. Deutscher Krebskongress 2022, Berlin, Plenarsitzung „Gastrointestinale Tumoren II: Schnittstellen in der Viszeralonkologie“ am 14.11.2022
  2. Bahadoer RR, Dijkstra EA, van Etten B et al. (2021) Short-course radiotherapy followed by chemotherapy before total mesorectal excision (TME) versus preoperative chemoradiotherapy, TME, and optional adjuvant chemotherapy in locally advanced rectal cancer (RAPIDO): a randomised, open-label, phase 3 trial. The Lancet Oncology. DOI:10.1016/S1470-2045(20)30555-6
  3. Fokas E, Schlenska-Lange A, Polat B et al. (2022). Chemoradiotherapy Plus Induction or Consolidation Chemotherapy as Total Neoadjuvant Therapy for Patients With Locally Advanced Rectal Cancer: Long-term Results of the CAO/ARO/AIO-12 Randomized Clinical Trial. JAMA Oncology. DOI: 10.1001/jamaoncol.2021.5445
  4. Cercek A, Lumish M, Sinopoli J et al. (2022) PD-1 Blockade in Mismatch Repair-Deficient, Locally Advanced Rectal Cancer. New England Journal of Medicine. DOI:10.1056/NEJMoa2201445
  5. Bach SP, de Wilt JHW, Peters F et al. (2022) STAR-TREC phase II: Can we save the rectum by watchful waiting or transanal surgery following (chemo)radiotherapy versus total mesorectal excision for early rectal cancer? Journal of Clinical Oncology. DOI: 10.1200/JCO.2022.40.16_suppl.3502
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