
Hintergrund
Strahlentherapie ist eine übliche Behandlungsmethode bei einem Rektalkarzinom. Auch wenn die Bestrahlung eine gut etablierte Methode zur lokoregionären Kontrolle des Rektalkarzinoms darstellt, so ist sie nicht mit einem besseren Langzeitüberleben verbunden. Das mit der Strahlentherapie im Zusammenhang stehende Auftreten sekundärer Primärtumoren ist zwar selten aber dennoch eine nicht zu vernachlässigende Spätfolge der Krebstherapie. Bisherige Studien bezüglich sekundärer gynäkologischer maligner Neoplasmen (SGMN) sind limitiert und widersprüchlich. Dabei wurden in den meisten Studien die verschiedenen Typen gynäkologischer Tumore in einer Kategorie zusammengefasst, ohne dass die Heterogenität der einzelnen Tumore und Unterschiede in der Pathogenese berücksichtigt wurden [1].
Zielsetzung
Forscher vom National Cancer Center/Cancer Hospital der Chinese Academy of Medical Sciences & Peking Union Medical College, Bejing, China, untersuchten, ob es bei Frauen einen Zusammenhang gibt zwischen der Strahlentherapie eines Rektalkarzinoms und dem späteren Auftreten verschiedener Typen sekundärer gynäkologischer maligner Neoplasmen und ob die Strahlentherapie einen Einfluss auf die Prognose der Patienten hat.
Methodik
Die große bevölkerungsbasierte Kohortenstudie wurde mit Frauen durchgeführt, bei denen zwischen 1973 und 2015 ein Rektalkarzinom als erster Primärtumor diagnostiziert wurde. Diese wurden anhand von neun Krebsregistern der US-amerikanischen Datenbank SEER (Surveillance, Epidemiology and End Results) identifiziert. Die insgesamt 20142 Patientinnen, die in die Studie eingingen, wurden entsprechend ihrer Initialbehandlung in zwei Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe hatte neben der Operation eine neoadjuvante externe Strahlentherapie erhalten während Patienten der zweiten Gruppe zwar eine Operation aber keine Strahlentherapie erhalten hatten.
Als SGMN waren gynäkologische maligne Tumore (Gebärmutterhalskrebs, Uteruskarzinom, Eierstockkrebs und Tumore anderer weiblicher Genitalorgane) definiert, die mehr als fünf Jahre nach der Diagnose des Rektalkarzinoms auftraten. Die Follow-up-Phase begann 5 Jahre nach der Diagnose des Rektalkarzinoms und endete mit dem Datum der Diagnose eines SGMN oder bei Eintritt des Todesfalls oder nach 30 Jahren, was immer zuerst eintrat.
Die kumulative Inzidenz der SGMN während der Follow-up-Phase wurde mithilfe der Fine-Gray konkurrierenden Risikoregressionsanalyse geschätzt. Poisson Regression wurde verwendet, um das mit der Strahlentherapie assoziierte Risiko (RR) für SGMN im Vergleich zu nicht-strahlentherapeutisch behandelten Patienten zu analysieren. Für die Bewertung der Überlebenschancen der Patienten mit SGMN wurde die Kaplan-Meier Methode eingesetzt.
Ergebnisse
Das mediane Alter der zu ca. 83% weißen Studienpopulation lag bei 65 Jahren (Quartilsabstand 54-74 Jahre). Insgesamt erhielten 5310 (34,3%) Patienten Operation und Bestrahlung, 14832 (65,7%) Patienten erhielten nur die Operation und keine Bestrahlung. Während der 30-jährigen Follow-up-Phase lag die kumulative Inzidenz von SGMN bei Patienten mit Bestrahlung bei 4,53% und bei Patienten ohne Bestrahlung bei 1,53%. Die Strahlentherapie war im Vergleich zur Therapie ohne Bestrahlung mit einem höheren Risiko für Krebs des Gebärmutterkörpers (angepasste Hazard Ratio [HR] 3,06; 95% Konfidenzintervall [KI] 2,14-4,37; P<0,001) und der Eierstöcke (angepasste HR 2,08; 95% KI 1,22-3,56; P=0,007) verbunden.
Das dynamische mit der Strahlentherapie assoziierte Risiko für Gebärmutterkrebs erhöhte sich signifikant mit zunehmendem Alter bei der Diagnose des Rektalkarzinoms und mit zunehmender Latenzzeit seit der Rektalkarzinom-Diagnose nahm das Risiko ab. Das Risiko für Eierstockkrebs dagegen erhöhte sich mit zunehmender Latenzzeit seit Diagnose des Rektalkarzinoms. Das 10-Jahres-Gesamtüberleben der Patienten mit Strahlentherapie-assoziiertem Uteruskarzinom war signifikant niedriger als das von vergleichbaren Patienten, die ein primäres Uteruskarzinom hatten (21,5% versus 33,6%; P=0,01).
Stärken und Schwächen der Studie
Stärken der Studie sind insbesondere die lange Follow-up-Phase von 30 Jahren und die große Studienpopulation mit relativ homogenem Behandlungsschema. Zu den Limitationen gehören die fehlende Randomisierung zum Zeitpunkt der Initialbehandlung des Rektalkarzinoms. Ein Zusammenhang zwischen dem SGMN-Risiko und den Modalitäten der Strahlentherapie einschließlich Strahlendosis und Anzahl der Bestrahlungen konnte nicht bestimmt werden. Auch ist eine Fehlklassifizierung von Patienten möglich, da die SEER Datenbank lediglich Informationen zur Initialbehandlung des Rektalkarzinoms beinhaltet und keine Informationen darüber, ob eine Strahlentherapie zu einem späteren Zeitpunkt eingesetzt wurde.
Fazit
Die Strahlentherapie eines Rektalkarzinoms bei Frauen war in der Studie mit einem erhöhten Risiko für Gebärmutterkörper- und Eierstockkrebs verbunden. Um mit der Strahlentherapie im Zusammenhang stehende sekundäre gynäkologische maligne Neoplasmen zu reduzieren und die Prognose der Patienten zu verbessern ist folglich besondere Vorsicht geboten.