
In den letzten Jahrzenten wurden zur Therapie von rheumatologischen Erkrankungen neue Medikamente wie biologische krankheitsmodifizierende antirheumatische Medikamente (biological disease modifying anti-rheumatic drugs, bDMARDs) und zielgerichtete synthetische DMARDs (tsDMARDs) entwickelt und zugelassen. Eine der häufigsten rheumatologischen Erkrankungen bei Kindern ist die juvenile idiopathische Arthritis (JIA).
Weil viele wichtige Aspekte der Pathophysiologie noch unbekannt sind, werden Patienten mit JIA häufig nach ihrem klinischen Erscheinungsbild klassifiziert. Dies ermöglicht zwar eine einheitliche Nomenklatur für die Grundlagen- und klinische Forschung, jedoch werden voraussichtlich therapeutisch wichtige Aspekte wie molekulare Signaturen in der Klassifizierung außenvorgelassen. Nur selten besitzen die derzeit genutzten Klassifizierungen auch einen prognostischen Wert oder beschreiben die für die Gruppe am besten geeignete Therapie.
In einer neuen Übersichtsarbeit beschreiben Mitglieder des CLUSTER-Konsortiums wie molekulare Charakteristika von JIA genutzt werden können, um Therapieziele festzulegen und klinische Studien aufzubauen. Das CLUSTER-Konsortium ist in Großbritannien ansässig und zielt u. a. darauf ab, personalisierte Medizin für JIA-Patienten zu etablieren [1].
Evidenzgenerierung für derzeitige Therapie von JIA
Die Entwicklung von Tumornekrosefaktor-Inhibitoren und anderen Zytokin-Inhibitoren bei Erwachsenen mit rheumatologischen Erkrankungen führte zusammen mit spezifischer Gesetzgebung in den USA und der EU zu einer Vielzahl an zugelassenen Medikamenten für JIA-Patienten. Die Evidenzgrundlage für die Wirksamkeit und Sicherheit dieser Medikamente bei JIA wurde durch große internationale Netzwerke geschaffen.
Die interventionellen Studien zu bDMARDs und tsDMARDs bei JIA-Patienten basierten häufig auf einem Studiendesign, bei dem alle Patienten zunächst die aktive Substanz erhalten haben und in einem zweiten Schritt randomisiert entweder das Verum weitergeführt oder entzogen und durch Placebo ersetzt wurde. Diese Studien waren oft erfolgreich und ermöglichten Kindern den Zugang zu neuen Medikamenten, jedoch war eine Stratifizierung nach Subtyp häufig nicht möglich und Non-Responder wurden nur selten im Detail untersucht.
In den bisher durchgeführten Studien wurden meist nur Patienten mit polyartikulärem Verlauf bzw. Beteiligung von fünf oder mehr Gelenken rekrutiert, obwohl die neu zugelassenen Substanzen in der Praxis auch bei Patienten mit nur drei oder vier beteiligten Gelenken genutzt werden.
Systematische Reviews können zwar die Wirksamkeit verschiedener bDMARDs bei JIA-Patienten nur schwer vergleichen, kamen in der Vergangenheit aber zu dem Ergebnis, dass die auf klinischem Erscheinungsbild beruhenden ILAR-Kategorien (International League of Associations for Rheumatology) das Ansprechen auf eine Therapie nicht vorhersagen können [1].
Molekulare Signaturen können Therapie beeinflussen
Bei den meisten JIA-Kategorien spielt die molekulare Signatur keine oder nur eine untergeordnete Rolle bei der Auswahl von zu untersuchenden Medikamenten. Eine Ausnahme ist die systemische JIA, bei der die Existenz der primär pathologisch veränderten Zytokine dazu geführt hat, dass Interleukin-1-Inibitoren und Interleukin-6-Rezeptor-Inhibitoren getestet wurden und nun auch als initiale Monotherapie empfohlen werden.
Der Serum-Biomarker S100A8/9 korreliert mit der Krankheitsaktivität von JIA und kann als Prädiktor genutzt werden, um eine Subgruppe an Patienten zu identifizieren, die gut auf Methotrexat ansprechen und die ein hohes Risiko auf ein Wiederaufflammen der Arthritis haben, wenn eine Therapie mit Methotrexat beendet wird.
Es existieren jedoch keine validierten Biomarker für JIA-Patienten, die auf Methotrexat nur ungenügend ansprechen. In der Praxis beruht die Wahl für oder gegen ein bestimmtes Medikament primär auf „Trial-and-Error“ und hängt mehr mit der historischen Verfügbarkeit, nationaler Vorgehensweise und lokaler Erfahrung zusammen als mit der Pathophysiologie und molekularen Signatur der Erkrankung [1].
Enttäuschende Resultate für die Patienten
Trotz der bisherigen Fortschritte in der Behandlung von JIA bleiben die derzeitigen Behandlungsresultate für die Patienten unzureichend und die Therapie-freie Remission bleibt eine Seltenheit. Eine Studie mit 434 JIA-Patienten aus Skandinavien zeigt, dass selbst im mittleren Alter von 24 Jahren 46% immer noch eine aktive Erkrankung besitzen und 38% noch mit DMARDs therapiert werden [1,2].
Der Gebrauch von langfristiger ineffektiver immunsuppressiver Therapie birgt das Risiko von zunehmenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen zusammen mit einem Verlust an Lebensqualität durch die schlecht kontrollierte Erkrankung. Dadurch, dass die derzeitige Wahl eines Medikaments nicht auf pathophysiologischen Grundlagen basiert, ist es zudem möglich, dass Patienten das Zeitfenster verpassen, in dem die richtige Therapie den größtmöglichen Erfolg erzielen würde.
Dementsprechend gibt es einen großen Bedarf für die Identifizierung von JIA-Subgruppen, die auf ihrer Pathophysiologie und molekularen Signaturen beruhen. Dies könnte dabei helfen, für jeden Patienten das richtige Medikament zu finden und prognostische Aussagen zu treffen mit dem Ziel, eine frühe Therapie-freie Remission zu ermöglichen [1].
Wie diese Ziele erreicht werden können
Um das Ziel hin zu einer personalisierten Medizin mit einer molekularen Nomenklatur von JIA zu erreichen, ist es laut den Autoren der Übersichtsarbeit u. a. notwendig, dass Studiendaten frei zugänglich sind und geteilt werden, biologische Proben in alle klinischen und Beobachtungsstudien mit integriert werden, Studien nicht mit zu engen Indikationen eingeschränkt werden und adaptive Studiendesigns genutzt werden.
Die Strategie des CLUSTER-Konsortiums besteht darin, bereits existierende Daten und Proben von 5.400 JIA-Patienten und neu generierte Genom-, Transkriptom-, Proteom- und Immunphenotypisierungs-Daten mit klinischen Daten wie dem Ansprechen auf verschiedene Therapien zu integrieren und in einem interdisziplinären Netzwerk mit Experten u. a. aus der klinischen Rheumatologie, Genetik, Epidemiologie, Bioinformatik und Statistik zu analysieren.
Auch andere Netzwerke wie UCAN (Understanding Childhood Arthritis Network) zielen darauf ab, Biomarker mit diagnostischem oder prognostischem Wert bei JIA zu entdecken [1].
Entwicklung neuer Biomarker für JIA
Zwar wären Kinder-freundliche Biomarker optimalerweise im Blut nachweisbar, günstig und breit verfügbar, jedoch war die Suche nach solchen Biomarkern bei JIA weitestgehend erfolglos. Mit der Verbreitung von Single-Cell-Sequenzierung wurden in den letzten Jahren Zellpopulationen in der Synovia und deren angrenzenden Gewebe entdeckt, die zusammen eine Stratifizierung von JIA erlauben könnten [1].
Innovative Studiendesigns bei JIA
Randomisierte Entzugsstudien, bei denen ein Studienarm nach einiger Zeit ein Placebo statt des Verums erhält, könnten durch Studiendesigns ersetzt werden, bei denen reale Therapieoptionen mit der Standardtherapie verglichen werden. Auch sollten zukünftige Studien bestenfalls alle Arten der pädiatrischen Arthritiden einschließen statt nur einzelner JIA-Kategorien, damit möglichst viele Patienten von der neuen Evidenz profitieren können.
Weiterhin ist das standardisierte Sammeln von biologischen Proben zusammen mit den klinischen Daten für das Entwickeln von Biomarkern unerlässlich und könnte ebenso wie das Teilen der Daten nach den FAIR-Prinzipien (findable, accessible, interoperable, reusable) zukünftig auch von den regulatorischen Institutionen oder Sponsoren vorausgesetzt werden. Adaptive Studiendesigns, die alle bisher bekannten Daten nutzen, um die statistische Power zu erhöhen, könnten ebenfalls helfen, die Herausforderung der geringen Prävalenz von JIA zu lösen [1,3].
Fazit: Richtung personalisierter Medizin bei JIA
Die Autoren der Übersichtsarbeit beschreiben schlüssig, warum es bei der seltenen Gruppen von JIA-Erkrankungen einen ungedeckten Bedarf an einer pathophysiologischen Klassifikation mit Implikationen für die Therapie und Prognose gibt. Dafür werden verbundene klinische und biologische Daten benötigt und die bioinformatische Expertise, um diese zu analysieren.
Herausfordernd bleibt bei dieser Zielsetzung jedoch, dass JIA selten ist und Kinder aufgrund von biologischen, ethischen und rechtlichen Gründen häufig schwieriger in klinische bzw. biomedizinische Studien einzuschließen sind. Zudem sind vorhandene Datenbanken oft unvollständig und qualifizierte Bioinformatiker zu finden kann schwierig sein.
Jedoch ist es möglich, diese Herausforderungen zu überkommen, wenn Studien nach international harmonisierten Anforderungen und ggf. adaptiv geplant und durchgeführt werden, Eltern der Kinder und Betroffene selbst die Forschung unterstützen und die erhobenen klinischen und biologischen Daten nach den FAIR-Prinzipien geteilt werden [1].