DMARDs

DMARDs (disease-modifying anti-rheumatic drug, krankheitsmodifizierende antirheumatische Medikamente) sind verschiedene Wirkstoffe, die zur Behandlung rheumatischer Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis, Psoriasis Arthritis, systemischem Lupus erythematodes oder Vaskulitiden, als Basismedikamente angewendet werden.

Rheumatoide Arthritis

Anwendung

Disease modifying antirheumatic drugs (DMARDs) werden als Basistherapeutika im Bereich chronisch entzündlicher rheumatischer Erkrankungen (vor allem bei rheumatoider Arthritis, RA) eingesetzt. Bei degenerativen rheumatischen Erkrankungen wie Arthrose finden sie keine Anwendung.

Nahezu alle RA-Patienten sollten nach S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e.V. nach Diagnosestellung umgehend mit klassischen DMARDs behandelt werden, da hierdurch bei einem erheblichen Anteil zügig eine Remission bzw. eine sehr geringe Krankheitsaktivität erreicht werden kann

Aufgrund fehlender analgetischer Effekte der DMARDs wird eine Kombination mit nichtsteroidalen Antirheumatika NSAIDs/NSAR empfohlen. Wenn sich unter einer DMARD-Kombinationstherapie innerhalb von 12 Wochen keine ausreichende Unterdrückung der Krankheitsaktivität einstellt oder wenn initial schlechte Prognosefaktoren vorliegen (hochpositive Rheumafaktoren/ACPA-Werte [Antikörper gegen citrullinierte Peptide], hohe Krankheitsaktivität, frühe Erosionen), wird eine Biologika-Therapie empfohlen.

Wirkmechanismus

Jedes DMARD hat einen spezifischen Wirkmechanismus, der letztendlich kritische Signalwege in der Entzündungskaskade stört. Methotrexat zum Beispiel stimuliert die Adenosinfreisetzung aus Fibroblasten, reduziert die Adhäsion von Neutrophilen, hemmt die Leukotrien-B4-Synthese durch Neutrophile, hemmt die lokale IL-1-Produktion, reduziert die Konzentration von IL-6 und IL-8, unterdrückt die zellvermittelte Immunität und hemmt die synoviale Kollagenase Genexpression.

Andere Medikamente dieser Klasse hemmen die Lymphozyten-Proliferation oder führen zu einer Dysfunktion von Lymphozyten. Leflunomid hemmt die Dihydroorotat-Dehydrogenase, was zu einer Hemmung der Pyrimidinsynthese führt und somit die Lymphozytenproliferation blockiert. Sulfasalazin vermittelt seine entzündungshemmende Wirkung, indem es oxidative, nitrative und nitrosative Schäden verhindert. Demgegenüber ist Hydroxychloroquin ein sehr milder immunmodulatorischer Wirkstoff, der den intrazellulären Toll-like-Rezeptor TLR9 hemmt.

Biologika sind in ihrem Wirkmechanismus sehr selektiv. Zu den übergreifenden Wirkungen von Biologika zählen:

  1. die Störung der Zytokinfunktion oder -produktion
  2. die Hemmung der T-Zell-Aktivierung
  3. die Depletion von B-Zellen oder
  4. die Hemmung von Faktoren, die B-Zellen aktivieren

Nebenwirkungen

Die Nebenwirkungen unterscheiden sich je nach eingesetztem Wirkstoff und können im jeweiligen Wirkstoffprofil nachgelesen werden.

Obwohl die meisten herkömmlichen DMARDs ähnliche Nebenwirkungen auslösen, gibt es doch einige Effekte, die wirkstoffspezifisch sind. Hydroxychloroquin ist in dieser Hinsicht einzigartig, da es das beste Sicherheitsprofil aller herkömmlichen DMARDs aufweist. Im Vergleich zu diesen erhöht Hydroxychloroquin nämlich nicht das Risiko schwerer Infektionen noch verursacht es eine Hepatotoxizität oder Nierenfunktionsstörungen. Häufige Nebenwirkungen von Hydroxychloroquin sind Hautausschlag und Durchfall. Eine seltene, aber wichtige Nebenwirkung von Hydroxychloroquin ist eine Retinopathie/Makulopathie, die bei einer höheren kumulativen Dosis auftritt.

Zu den Risikofaktoren für eine Hydroxychloroquin-Makulopathie gehören eine Dosis von mehr als 5 mg/kg/Tag, mehr als 5 Jahre Therapie, zunehmendes Alter und chronische Nierenerkrankungen. Patienten, die Hydroxychloroquin erhalten, wird empfohlen, sich regelmäßig einer ophthalmologischen Untersuchung mit okulärer Kohärenztomographie zu unterziehen.

Methotrexat, Leflunomid und Sulfasalazin sind in ihrem Nebenwirkungsprofil ähnlich. Gastrointestinale Beschwerden (Übelkeit, Bauchschmerzen, Durchfall), Hautausschlag/allergische Reaktion, Knochenmarksuppression, Hepatotoxizität und eine höhere Inzidenz schwerwiegender Infektionen sind häufige Nebenwirkungen all dieser Wirkstoffe. Sowohl Methotrexat als auch Leflunomid können Alopezie verursachen. Andere Nebenwirkungen von Methotrexat sind interstitielle Lungenerkrankung, Folsäuremangel und Leberzirrhose. Leflunomid kann zu Hypertonie, peripherer Neuropathie und Gewichtsverlust führen. Eine Sulfasalazin-Behandlung birgt ein sehr hohes Risiko für Magen-Darm-Beschwerden und kann selten auch ein DRESS-Syndrom verursachen.

Die besorgniserregendste Nebenwirkung aller biologischen DMARDs ist ein erhöhtes Risiko für häufige und schwere Infektionen, einschließlich bakterieller, Pilz- und Virusinfektionen. Auch eine Reaktivierung von Tuberkulose, Herpes Zoster und Hepatitis B/C kann auftreten. In seltenen Fällen wurde bei biologischen DMARDs über Knochenmarksuppression und Hepatotoxizität berichtet.

TNFα-Antagonisten können eine Verschlechterung von schwerer kongestiver Herzinsuffizienz, arzneimittelinduziertem Lupus und demyelinisierenden Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) verursachen. Darüber hinaus wurden Lymphome und nicht-melanozytäre Hautkrebsarten mit der Anwendung von TNFα-Antagonisten in Verbindung gebracht.

Hyperlipidämie, erhöhte Leberwerte und Panzytopenie können durch IL-6-Hemmer und JAK-Hemmer verursacht werden. Als Folge einer Abatacept-Therapie wurde über Verschlechterungen einer chronisch obstruktiven Atemwegserkrankung berichtet. IL-17-Hemmer können entzündliche Darmerkrankungen verursachen/verschlimmern. Bei mit Rituximab behandelten Patienten gibt es Berichte über eine progressive multifokale Leukenzephalopathie.

Wechselwirkungen

Die Therapie von chronisch entzündlichen Rheumaerkrankungen erfordert neben dem Einsatz von DMARDs die Gabe von Glukokortikoiden (Überbrückungstherapie bis zum Wirkungseintritt der DMARDs) und NSAIDs (symptomatische Schmerzlinderung). Hierbei ist unbedingt zu beachten, dass sich das gastrointestinale Blutungsrisiko bei gleichzeitiger Gabe von Glukokortikoiden und NSAIDs signifikant erhöht. Sofern eine Kombination unvermeidbar ist, wird der Einsatz eines Protonenpumpeninhibitors (PPI) zur Prophylaxe empfohlen.

Die parallele Gabe von MTX mit NSAIDs sollte ebenfalls vermieden werden, da diese Kombination eine verminderte Ausscheidung von MTX bedingt. Folglich steigt die MTX-Plasmakonzentration und damit das Nebenwirkungsrisiko.

Spezifische Wechselwirkungen können im jeweiligen Wirkstoffprofil nachgelesen werden.

Kontraindikationen

DMARDs, insbesondere biologische DMARDs, sollten bei Patienten mit einer aktiven Infektion, Patienten mit vorbestehender Knochenmarkhypoplasie, Leukopenie oder Immunschwächesyndrom nicht angewendet werden. Eine Anwendung von Methotrexat und Leflunomid ist bei Patienten mit schwerer Lebererkrankung zu vermeiden.

Die Kontraindikationen unterscheiden sich jedoch nach eingesetztem Wirkstoff und können im jeweiligen Wirkstoffprofil nachgelesen werden.

Schwangerschaft und Stillzeit

Methotrexat und Leflunomid sind aufgrund ihrer teratogenen Wirkung in der Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert. Sulfasalazin kann beim Säugling Gelbsucht verursachen, insbesondere wenn es im dritten Schwangerschaftstrimester angewendet wird.

Es liegen nur begrenzte Sicherheitsdaten zu den biologischen DMARDs in der Schwangerschaft vor. Von allen Biologika ist Certolizumab jedoch das einzige, das aufgrund der größeren Molekülgröße nicht die Plazenta passiert und in der Schwangerschaft als relativ sicherer gilt.

Wirkstoffe

Unter DMARDs werden verschiedene Wirkstoffe mit unterschiedlichen aber hauptsächlich immunmodulierenden und antiinflammatorischen Wirkungen verstanden, die sich wie folgt unterteilen lassen:

Konventionelle, synthetische DMARDs (conventional synthetic, csDMARDs)

  • Methotrexat (MTX) ist die Standard-Basistherapie bei der rheumatoiden Arthritis
  • Leflunomid
  • Sulfasalazin
  • Hydroxychloroquin

Gezielt wirkende, synthetische DMARDs (targeted synthetic, tsDMARDs)

Biologische DMARDs (biological, bDMARDs)

Anti-IL6-Rezeptor-Antikörper

  • Tocilizumab oder Sarilumab
  • Die Wirkung tritt nach 4 bis 6 Wochen ein und kann nach 12 Wochen beurteilt werden.
  • Unter Tocilizumab kann es zu teils schweren Veränderungen des Blutbilds und der Leberfunktionswerte kommen. Bei einer Thrombozytopenie (50 bis 100 Zellen x 103/µl und Neutrozytopenie (Anzahl neutrophiler Granulozyten 0,5 bis <1) sowie Transaminasenerhöhungen (>3- bis 5-Fache des Referenzwerts) muss die Tocilizumab-Therapie unterbrochen werden, bei Rückläufigkeit kann ein Versuch mit reduzierter Dosis (4 mg/kg Körpergewicht) unternommen werden.
  • Eine Interleukin-6-Blockade hemmt auch die Bildung des C-reaktiven Proteins in der Leber, weshalb es bei Auftreten einer akuten Infektion oft nur zu einem geringen CRP-Anstieg kommt, der das Ausmaß der Infektion nicht adäquat widerspiegelt.
  • Unter Tocilizumab kann es zu einer vermehrten Cytochrom-P450-Produktion kommen, sodass es notwendig sein kann, die Dosierung von Medikamenten, die über das Enzym verstoffwechselt werden ( z.B. Atorvastatin, Calciumkanalblockern, Theophyllin, Cumarinen, Phenytoin, Ciclosporin oder Benzodiazepinen), individuell zu erhöhen.

Anti-CD20-Antikörper

  • Rituximab

Anti-IL1-Rezeptor-Antagonisten

CTLA-4-IgG-Fusionsproteine

  • Abatacept (CTLA-4 ist ein wichtiger „Checkpoint“ der Immunantwort, siehe auch Checkpoint-Inhibitoren)

Anwendungshinweise

  • Vor Beginn einer DMARD-Therapie sollten Patienten auf Hepatitis B und C gescreent werden und es wird dringend empfohlen, vor der Einleitung einer Therapie mit biologischen DMARDs auf das Vorliegen einer Tuberkulose zu untersuchen.
  • Einige Wirkstoffe sind teratogen, während für andere Wirkstoffe die Sicherheit in der Schwangerschaft nicht nachgewiesen wurde. Bei Frauen im gebärfähigen Alter muss vor der Einnahme dieser Medikamente deshalb ein Schwangerschaftstest durchgeführt werden. Darüber hinaus müssen alle Frauen im gebärfähigen Alter, die diese Arzneimittel (insbesondere Methotrexat oder Leflunomid) anwenden, eine geeignete Verhütungsmethode anwenden.
  • Myelosuppression und Hepatotoxizität treten häufiger zu Therapiebeginn auf, können jedoch auch jederzeit während der Therapie auftreten. Daher wird eine häufigere Überwachung bei Einleitung der Behandlung empfohlen, und eine weniger häufige, aber regelmäßige Überwachung sollte so lange fortgesetzt werden, wie der Patient mit DMARDs behandelt wird.
  • Ein komplettes Blutbild und ein Leberfunktionstest sind zunächst monatlich für mindestens 3 Monate und danach alle 2 bis 3 Monate bei Patienten, die mit Wirkstoffen wie Methotrexat, Leflunomid, Sulfasalazin, Tocilizumab, Tofacitinib und Sarilumab behandelt wurden, durchzuführen.
  • Das Lipidprofil ist zu Studienbeginn und dann alle 3 Monate für mindestens 6 Monate und danach alle 6 Monate bei Patienten, die mit Tocilizumab, Tofacitinib und Sarilumab therapiert werden, zu überwachen.
  • Das Blutbild muss bei Patienten, die eines der biologischen DMARDs erhalten, alle 6 Monate überwacht werden.
  • Für Patienten, die DMARDs erhalten, wird eine engmaschige Überwachung der Nierenfunktion alle 3 bis 6 Monate empfohlen.
  • Umfassende ophthalmologische Untersuchungen einschließlich Gesichtsfeldtests und okulärer Kohärenztomographie sind bei Patienten unter Hydroxychloroquin erforderlich.

Alternativen

Die Therapie von chronisch entzündlichen rheumatischen Erkrankungen bietet keine Alternative zu DMARDs. Ein frühzeitiger Therapiebeginn nach Diagnosestellung ist essenziell, um eine Krankheitsprogression zu verzögern. Zusätzlich zu DMARDs werden die immunsuppressiv und antiinflammatorisch wirkenden Glukokortikoide sowie NSAIDs zur symptomatischen Schmerzlinderung eingesetzt.

Quelle:
  1. Freissmuth et al., Pharmakologie und Toxikologie, 2020, Springer
  2. Mutschler et al., Mutschler Arzneimittelwirkungen, 2019, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
  3. DGRh: S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie 
  4. Arzneimitteltherapie: Pharmakotherapie der rheumatoiden Arthritis
  5. StatPearls; Benjamin O, Bansal P, Goyal A, et al.: Disease Modifying Anti-Rheumatic Drugs (DMARD) [Updated 2021 Jul 6]

Abbildung:

Adapted from „Pathogenesis of Rheumatoid Arthritis”, by BioRender.com




 

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