
Die rekombinante SARS-CoV-2-Subvariante XBB.1.5, die im Vergleich zu XBB.1 eine zusätzliche Ser486Pro-Substitution aufweist, breitet sich in den USA und vielen anderen Ländern aus – auch in Deutschland. Der zugrundeliegende Mechanismus für die hohe Ansteckungsfähigkeit bleibt unklar. Einer Laborstudie aus China zufolge weist XBB.1.5 im Vergleich zu BQ.1.1 und XBB/XBB.1 eine wesentlich höhere Bindungsaffinität am ACE2-Rezeptor, was auf eine erhöhte Übertragbarkeit (aber nicht notwendigerweise erhöhte Pathogenität) hindeutet [1].
Tixagevimab/Cilgavimab (Evusheld) konnte XBB.1/XBB.1.5 nicht neutralisieren [1]. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde (Food and Drug Administration [FDA]) informierte ebenfalls über diesen Zusammenhang und wies Ärzte und Ärztinnen darauf hin, ihre Patienten über das Risiko zu informieren. [2].
Zielsetzung
Ein Team chinesischer ForscherInnen um Yunlong Cao von der Universität Peking haben XBB.1 und XBB.1.5 näher erforscht. Zum einen untersuchten sie die Bindungsaffinität an den humanen ACE2-Rezeptor, zum anderen die neutralisierende Wirkung von Rekonvaleszenten-Plasmaproben. Die Proben stammten hauptsächlich von Personen, die mit CoronaVac (ein Covid-19-Impfstoff des chinesischen Arzneimittelherstellers Sinovac Biotech) geimpft wurden. Einige Probanden hatten die mRNA-Impfstoffe BNT162b2 (Comirnaty) von BioNTech/Pfizer oder mRNA-1273 (Spikevax) von Moderna erhalten [1]. Außerdem prüften sie die Wirksamkeit von monoklonalen Antikörpern.
Ergebnisse
XBB.1.5. bindet stärker am hACE2-Rezeptor als andere SARS-CoV-2-Varianten. Die Forschenden ermittelten eine Dissoziationskonstante von 3,4 nM. Diese war deutlich niedriger als bei XBB.1 (19 nM) und BQ.1.1 (8,1 nM) [1]. Eine niedrige Dissoziationskonstante signalisiert eine stärkere Rezeptorbindung und somit bessere Voraussetzung für die Infektion einer Zelle.
Rekonvaleszente Plasmaproben von Personen mit BA.1-, BA.5- und BF.7-Durchbruchsinfektionen wurden sowohl von XBB.1 als auch von XBB.1.5 signifikant umgangen, wobei XBB.1.5 eine etwas schwächere Fähigkeit zur Immunevasion aufwies als XBB.1. In der Kohorte, die mit Impfstoffen von BioNTech/Pfizer oder Moderna geimpft worden war und sich anschließend mit der Omikron-Variante BA.5 infiziert hatte, war die neutralisierende Wirkung 40-fach geringer als gegen den Wildtyp von SARS-CoV-2 (mit D614G-Mutation) [1].
Wirksamkeit von Antikörper-Präparaten
Tixagevimab/Cilgavimab (Evusheld® und Bebtelovimab (ein in den USA zugelassener antiviraler Antikörper von Lilly) konnten XBB.1 und XBB.1.5 nicht neutralisieren. Sotrovimab (Xevudy) behielt eine schwache Reaktivität bei. Der in China entwickelte experimentelle Antikörper SA55 blieb bei den Untersuchungen hochwirksam [1].
Von den getesteten Wirksubstanzen ist Evusheld das derzeit einzige zur Präexpositionsprophylaxe zugelassene monoklonale Antikörperpräparat in der Europäischen Union (EU). Es wird bei Personen eingesetzt, die nach einer Impfung keine körpereigenen Antikörper produziert haben. Zu dieser Gruppe gehören beispielsweise immundefiziente Patienten und Menschen nach einer Organtransplantation.
Der SARS -CoV-2-neutralisierende monoklonale Antikörper Sotrovimab ist in der EU zur Behandlung im Frühstadium von Covid-19 zugelassen.
Fazit
„Die Tatsache, dass XBB.1 und XBB.1.5 eine vergleichbare Antikörperevasion, aber eine unterschiedliche Übertragbarkeit aufweisen, deutet darauf hin, dass eine erhöhte Rezeptorbindungsaffinität tatsächlich zu größeren Wachstumsvorteilen führen würde“, schreiben die Autoren.
„Die starke hACE2-Bindung von XBB.1.5 könnte auch seine Toleranz gegenüber weiteren Immun-Escape-Mutationen ermöglichen, die genau beobachtet werden sollten.“ [1]