
Die Rheumatoide Arthritis (RA) ist eine systemische chronisch-entzündliche Autoimmunkrankheit und die häufigste entzündliche Erkrankung der Gelenke.
Erste Symptome sind Schmerzen und Morgensteifigkeit, die meist symmetrisch in den stammfernen Gelenken auftreten. Die Genese ist bislang unbekannt, es wird eine Immunreaktion auf einen unbekannten Infekt bei genetischer Disposition vermutet.
Bei der RA kommt es zu Entzündungen der Synovialis, welche von dort ausgehend Knorpel und Knochen angreifen. Zusätzlich können Sehnenscheiden und Schleimbeutel betroffen sein. Systemische Allgemeinsymptome können Müdigkeit, Leistungsschwäche, Fieber, Nachtschweiß oder auch Gewichtsabnahme darstellen.
Frauen sind dreimal häufiger betroffen als Männer. Die Prävalenz nimmt mit steigendem Alter zu, die meisten Patienten erkranken in der vierten oder fünften Lebensdekade. Das mittlere Erkrankungsalter liegt zwischen 55 und 65 Jahren. Die Krankheit kann sich allerdings auch früher manifestieren, sodass auch jüngere Frauen betroffen sein können.
Rheumatoide Arthritis in der Schwangerschaft
Während der Schwangerschaft werden die Patientinnen in einem Team von Rheumatologen, Geburtshelfern und Pädiatern betreut. RA könnte durch verschiedene Mechanismen zu problematischen Schwangerschaftsverläufen führen:
- Geringes Geburtsgewicht (LBW [low birth weight])
- Frühgeburt
- Kaiserschnitt (CS [caesarean section])
- Präeklampsie
- “Small for Gestational Age”-Feten (SGA)
- Perinatale Mortalität
Zielsetzung
Das Wissenschaftlerteam um Yun-Chen Tsai und Hsiao-Chun Chang der Abteilung für Rheumatologie, Allergologie und Immunologie des Chang Gung Memorial Hospital in Taoyuan in Taiwan untersuchte in ihrer retrospektiven Kohortenstudie den potenziell negativen Einfluss von RA auf die Schwangerschaft und Geburt, sowie das Outcome von Kind und Mutter.
Methodik
Für die Datengewinnung der retrospektiven Kohortenstudie wurden zwei Quellen genutzt: die Datenbank der staatlichen Krankenversicherung (NHI [National Health Insurance]) und das taiwanische Geburtenmeldesystem (TBRS [Taiwan Birth Reporting System]), welche 1995 bzw. 1993 eingeführt wurden.
Studiendesign und Datenerhebung
Die Datenbank der NHI wurde zur Identifizierung aller Schwangerschaften in Taiwan zwischen dem 1. Januar 2004 und dem 31. Dezember 2014 genutzt und mit dem TBRS im gleichen Zeitraum abgeglichen.
Patientinnen mit Risikofaktoren wie Mehrlingsschwangerschaften oder einem Alter <15 oder >45 wurden von der Studie ausgeschlossen.
Die Frauen mit einer RA-Diagnose nach ICD-9 Code 714.0 und einer Bescheinigung über die besondere Schwere ihrer Krankheit, wurden der Gruppe der Exponierten zugeteilt.
Die Gruppe der Nicht-Exponierten umfasste die übrigen Schwangeren in derselben Zeitspanne.
Klassifikation des Outcomes
Die mütterlichen Grundinformationen (Alter bei Beginn der Schwangerschaft, Nationalität, Wohnort, Einkommen, Komorbiditäten) wurden von der NHI-Datenbank bezogen. Informationen über das Geschlecht des Kindes und der Konsum von Alkohol und Nikotin, allerdings in Selbstauskunft, wurden durch das TBRS bereitgestellt.
LBW wurde definiert als Geburtsgewicht <2.500 g. Small for gestational age (SGA) bzw. large for gestational age (LGA) lag vor, wenn das Gewicht bei Geburt unter der 10. bzw. über der 90. Perzentile lag. Eine Geburt vor der 37. Schwangerschaftswoche (SSW) wurde als Frühgeburt klassifiziert. Totgeburten wurden in zwei Gruppen, geklärt und ungeklärt, eingeteilt.
Bei fetalen Anomalien wurden die Fälle mit Daten der NHI zu den ICD-9 Codes 655 (Bekannte oder vermutete Abnormität des Fetus, die auf den Zustand der Mutter wirkt) verglichen. Ebenfalls von der NHI wurden Daten zu Fetalem Distress (ICD-9 656.3x) und Anomalien der fetalen Herzfrequenz oder des Herzrhythmus (ICD-9 659.7) bezogen und analysiert.
Daten über das Outcome der Mutter wurden während der Schwangerschaft bis zum Ende des entbindungsbedingten Krankenhausaufenthalts erhoben. Sie beinhalteten u. a. Tod, kardiovaskuläre Ereignisse, Ereignisse und Eingriffe unter der Geburt, Ereignisse und Eingriffe während einer OP. Informationen über Kaiserschnitte wurden dem TRBS entnommen.
Bei Todesfällen wurden die Fälle mit dem Taiwan National Death Registry abgeglichen.
Kovariaten und statistische Analyse
Es wurden sowohl mütterliche (Alter, Urbanisierungsgrad, Einkommensniveau, Beruf und Nationalität) als auch fetale Confounder (Geburtsjahr und Geschlecht) als Kovariaten identifiziert. Diese Werte wurden im Anschluss in Unterkategorien eingeteilt, mit dem Charlson Comorbidity Index (CCI) geprüft und eine individuelle Summe für jede Studienteilnehmerin ermittelt.
Es wurden die Inzidenzen der einzelnen Ereignisse zwischen den beiden Gruppen vergleichen. Ein allgemeines Schätzmodell wurde angewandt, um zu berücksichtigen, dass eine Frau mehrere Schwangerschaften im Studienzeitraum haben konnte.
Aufgrund der nahezu vollständigen Daten von NHI und TBRS, wurde keine Anpassung für fehlende Daten vorgenommen. Ein zweiseitiger Signifikanztest mit einem Niveau von 0,05 wurde für alle Hypothesen vorgenommen. Alle Analysen wurden mit der SAS-Software (Statistical Analysis System) durchgeführt.
Ergebnisse
Zwischen 2004 und 2014 gab es 2.100.143 Einlingsschwangerschaften, einbezogen wurden sowohl Lebend- als auch Totgeburten. Ausgetragen wurden die Schwangerschaften von 1.468.318 Frauen, in 922 Fällen (0,044%) lag bei der Mutter eine RA-Erkrankung vor.
Demographische Daten
Mütter der Exponierten-Gruppe waren zum Zeitpunkt der Schwangerschaft im Schnitt älter (32,4 Jahre) als die Nicht-Exponierten (30,2 Jahre). Außerdem waren sie seltener erwerbslos, häufiger im Dienstleistungssektor tätig und hatten zudem ein höheres Einkommen.
Mehr als 13% der Frauen mit RA hatten eine oder mehrere Komorbiditäten. Der durchschnittliche CCI-Score war signifikant erhöht (0,17), wenn man ihn mit dem der Nicht-Exponierten verglich (0,03; p<0,0001).
Fetal-neonatales Outcome
Neugeborene von Müttern mit RA hatten ein doppelt so hohes Risiko für LBW (OR 2,03; 95%-KI 1,66 bis 2,50, 123 Kinder) und Frühgeburtlichkeit (OR 1,99; 95%-KI 1,64 bis 2,40) wie Kinder der Nicht-Exponierten. Der OR für SGA lag bei 1,77 (95%-KI 1,46 bis 2,15).
Ein APGAR-Score von <7 (OR 1,54; 95%-KI 1,05 bis 2,25) und fetaler Distress (OR 1,35; 95%-KI 1,03 bis 1,78) kam in der RA-Gruppe häufiger vor. Allerdings wurde in einem Statement der American Academy of Pediatrics und des American College of Obstetricians and Gynecologists bekannt gegeben, dass der einminütige APGAR-Score allein nicht aussagekräftig für das Outcome eines Neugeborenen ist.
Die absolute Risikodifferenz für einen geringen APGAR und Fetalen Distress zwischen den beiden Gruppen war relativ gering (1,33% bzw. 1,6%). Der OR für Fetal Distress lag bei 1,35 (95%-KI 1,03 bis 1,78) und betraf 60 Kinder.
Dabei wiesen nur drei Kinder nach 5 Minuten einen APGAR-Score von <7 auf, was darauf schließen lässt, dass sich die Gruppe der Kinder mit einem geringen einminütigen APGAR-Score sehr schnell klinisch bessert. Somit lässt sich festhalten, dass Neugeborene von Müttern mit RA kein signifikant höheres Risiko haben, unter der Geburt klinisch relevante Asphyxie oder Hypoxie zu erfahren.
Mütterliches Outcome
Auch nach Anpassung der Kovariaten erlitten Mütter mit RA häufiger eine peripartale Blutung (OR 1,24; 95%-KI 1,00 bis 1,52) und hatten häufiger einen Kaiserschnitt (OR 1,32; 95%-KI 1,15 bis 1,51). In 3 der 922 RA-Schwangerschaften (0,33%), kam es zu einer disseminierten intravasalen Koagulopathie (OR 3,33; 95%-KI 1,07 bis 10,34).
Es bestand kein höheres Risiko für postpartale Todesfälle, kardiovaskuläre Ereignisse, chirurgische Komplikationen oder systemische Organdysfunktionen bei RA-Schwangeren. Ebenfalls wurde RA nicht mit höheren Risiken für hypertensive Krankheiten oder Gestationsdiabetes während der Schwangerschaft und dem Wochenbett assoziiert.
Fazit
Schwangerschaften von Patientinnen mit RA waren mit einem höheren Risiko für verschiedene fetale, wie mütterliche ungünstige Outcomes assoziiert. Trotzdem ist das Risiko für Totgeburten oder Müttersterblichkeit gering. Die meisten schwangerschaftsbedingten Komplikationen lassen sich mit einer angemessenen Betreuung durch ein multidisziplinäres Team abwenden.
Limitationen
Die Autoren nennen einige Einschränkungen der Studie, welche zu berücksichtigen sind: An erster Stelle wird hervorgehoben, dass eine mögliche medikamentöse Therapie während des Studienzeitraums und der Schwangerschaft nicht berücksichtigt wurde. Damit könnten sich in der Gruppe der Exponierten interindividuelle Unterschiede im Verlauf ergeben. Die potenziellen Auswirkungen einer fortlaufenden Therapie auf Schwangerschaft und Kind wurden somit nicht berücksichtigt.
Des Weiteren lagen keine Daten zur Krankheitsaktivität der RA oder Entzündungsmarkern vor, daher lässt sich nicht feststellen, ob bspw. eine Exazerbation ebenfalls Einfluss hat. Das Follow-up belief sich zudem auf nur ein Jahr, sodass etwaige langfristige Folgen auf Mutter und Kind nicht beurteilbar sind.
Die Autoren schließen auch mögliche Fehleinordnung in die Gruppen nicht vollständig aus, sodass eine Über- bzw. Unterschätzung einiger Outcomes möglich ist, allerdings sollte die strengere RA Definition dieses Risiko minimieren.
Zuletzt sind einige Ereignisse nur sehr selten (<5) aufgetreten, weshalb Risikoschätzungen unpräzise sein könnten.
Stärken
Als Stärken lassen sich die gut auswertbaren und umfassenden Daten nennen. Zusätzlich umfasst die Studie die Zeitspanne seit Anwendung von Biologika in der Therapie. Daher stellt die Kohorte der Exponierten eine aktuelle und repräsentative Patientinnengruppe dar.
Die Studie wurde vom Chang Gung Memorial und dem Ministry of Science and Technology in Taiwan unterstützt.