Schwangerschaftsdiabetes

Schwangerschaftsdiabetes stellt eine Störung der Glukosetoleranz dar, die erstmals in der Schwangerschaft auftritt. Die Prävalenz der Erkrankung ist steigend.

Schwangere

Definition

Gestationsdiabetes mellitus (GDM) ist definiert als eine Glukosetoleranzstörung, die erstmals in der Schwangerschaft mit einem 75-g-oralen-Glukosetoleranztest (oGTT) unter standardisierten Bedingungen und qualitätsgesicherter Glukosemessung aus venösem Plasma diagnostiziert wird. Die Diagnose ist bereits mit einem erhöhten Glukosewert möglich.

Epidemiologie

Je nach untersuchter Population liegt die Prävalenz des GDM bei 1% bis 14%. In Deutschland lag die GDM-Prävalenz in der Perinatalstatistik im Jahr 2016 bei 5,38% (41.000 Fälle) und war damit im Vergleich zu 2015 um 14,6 % ansteigend.

Ursachen

Die Schwangerschaft stellt natürlicherweise einen diabetogenen Zustand dar. Ab dem zweiten Trimester erhöht sich die Insulinresistenz und verstärkt sich im Verlauf der übrigen Schwangerschaftsmonate. Als Hauptursache gilt die verstärkte Sekretion von Hormonen wie Östrogen, Gestagen, Cortisol, Plazentalaktogen, Prolaktin und Wachstumshormon. Diese Hormone stellen unter anderem sicher, dass dem Fötus ausreichend Glukose zur Verfügung steht.

Während einer normalen Schwangerschaft erhöht sich die Insulinausschüttung der Bauchspeicheldrüse um das bis zu Vierfache der regulären Produktion. Wenn die kompensatorische Ausschüttung von Insulin der Bauchspeicheldrüse nicht ausreicht, steigt der Blutglukosespiegel an und es bildet sich ein Schwangerschaftsdiabetes.

In ca. 1% aller Fälle einer Glukosetoleranzstörung in der Schwangerschaft wird eine Glukokinase (GCK)-Genmutation als Ursache identifiziert (GCK-MODY [Maturity Onset Diabetes of the Young]).

Pathogenese

Die Pathophysiologie des GDM entspricht zu einem großen Teil der des Typ-2-Diabetes. GDM stellt eine Variante des Prä-Typ-2-Diabetes dar und kann heute als eine chronische Funktionsstörung beschrieben werden, die durch zunehmende Insulinresistenz mit abfallender Betazell-Kompensation gekennzeichnet ist.

Symptome

In der Regel verläuft ein Schwangerschaftsdiabetes symptomarm. Typische Beschwerden eines Diabetes mellitus wie Durst, häufiges Wasserlassen und Müdigkeit können auftreten, werden jedoch selten beobachtet. Unspezifische Beschwerden wie eine erhöhte Anfälligkeit für Harnwegsinfektionen können auf einen Schwangerschaftsdiabetes hindeuten.

Akute Folgen für die Mutter

Es bestehen erhöhte Risiken für Harnwegs- und vaginale Infektionen mit dadurch gesteigerter Frühgeburtenrate, für schwangerschaftsinduzierte Hypertonie, Präeklampsien, Entbindung durch Sectio, Schulterdystokien, höhergradige Geburtsverletzungen, transfusionspflichtige postpartale Blutungen und Depressionen. Präkonzeptionelle Adipositas (BMI > 30 kg/m²) führt unabhängig von GDM häufiger zur Sectio und zu makrosomen Kindern.

Akute Folgen für das Kind

Das erhöhte intrauterine Glukoseangebot führt zu erhöhter fetaler Insulinsekretion (fetaler Hyperinsulinismus), einer verstärkten Aufnahme von Glukose und Nährstoffen in die Zellen und so zu einem verstärkten Wachstum, Deposition von Glykogen im Herzmuskel, Bildung von weißem Fettgewebe sowie reduzierter fetaler Surfactantbildung. Infolge eines erhöhten intrauterinen Erythopoetinspiegel steigt der fetale Hämatokrit.

Bei der Geburt zeigt sich in unterschiedlichem Ausmaß eine diabetische Fetopathie mit:

  • Hypoglykämien
  • Atemstörungen
  • Polyglobulie
  • Hypokalzämie
  • Hypomagnesiämie
  • Hyperbilirubinämie

Es treten häufiger Geburtskomplikationen auf.

Diagnostik

Screening bei Erstvorstellung in der Schwangerschaft

Bei der Erstvorstellung in der Frühschwangerschaft (vor Schwangerschaftswoche [SSW] 24) sollen Schwangere bei Vorliegen unabhängiger Risikofaktoren für die Entstehung von GDM auf das Vorliegen einer Glukosetoleranzstörung bzw. eines präexistenten (bisher unerkannten) Diabetes mellitus (Typ-1 oder -2) untersucht werden, z. B. bei:

  • vorangegangenen Schwangerschaften mit GDM
  • Körpergröße >1,64 m
  • Verwandten ersten Grades mit Diabetes
  • Herkunft aus dem östlichen oder südlichen asiatischen Raum

Ebenso sollte bei Vorliegen diabetesspezifischer Symptome auf einen präkonzeptionell unbekannten Diabetes mellitus untersucht werden.

Die Diagnose basiert auf

  • der klinischen Symptomatik (Polyurie, Polydipsie, ausgeprägter Glukosurie im Spontanurin) und
  • der Blutglukosemessung (> 126 mg/dl nüchtern)

In Zweifelsfällen können weitere Parameter für die Diagnosestellung herangezogen werden. Dazu zählen:

  • ein oraler Glukosetoleranztest (> 200 mg/dl nach 2 Stunden)
  • eine HbA1c-Bestimmung (> 6,5%)
  • bei Verdacht auf Typ-1-Diabetes: Autoantikörper (ICA, GAD65, IA2, IAA, ZnT8)

Screening auf GDM in SSW 24+0 bis 27+6

Nach der vorliegenden Evidenz sollte bei allen Schwangeren zum Screening auf GDM ein 75-g-oGTT zwischen SSW 24+0 und 27+6 durchgeführt werden. Nach den deutschen Mutterschaftsrichtlinien soll primär ein Screening auf GDM durch einen 50-g-GCT (Glukose Challenge Test) durchgeführt werden. Ein Blutglukosewert im venösen Plasma ≥135 mg/dl (7,5 mmol/l) nach einer Stunde gilt als positiver Befund und erfordert einen anschließenden diagnostischen 75-g-oGTT (oraler Glukosetoleranztest). Bei einem Blutglukosewert im venösen Plasma ≥ 200 mg/dl (11,2 mmol/l) wird die Diagnose eines GDM gestellt und der 75-g-oGTT entfällt.

Diagnostik des GDM mittels 75-g-oGTT

Der 75-g-oGTT wird unter Standardbedingungen morgens nüchtern durchgeführt. Ist das vorgesehene Zeitfenster (SSW 24+0 bis 27+6) überschritten, kann der Test nach Maßgabe der Betreuer auch noch später durchgeführt werden. Bei Hinweiszeichen für einen GDM (Polyhydramnion, Makrosomie mit AU > KU oder massive Glukosurie) besteht auch im dritten Trimenon bei negativem Ausfall eines Screenings in SSW 24 bis 28 die Indikation zur erneuten Testung auf GDM, dann direkt mit einem diagnostischen 75-g-oGTT.

Demaskierung einer Glukokinase-Genmutation

Hinweise für eine Glukokinase-Genmutation (GCK-MODY) sind:

  • erhöhte Nüchternblutglukosewerte von 99 – 144mg/dl (5,5 – 8,8 mmol/l)
  • nur geringer Blutglukoseanstieg im oGTT während oder nach der Schwangerschaft < 83 mg/dl (< 4,6 mmol/l)
  • normaler oder nur geringgradig erhöhter HbA1c-Wert
  • positive Familienanamnese

Die begründete Verdachtsdiagnose eines GCK-MODY wird durch eine Genanalyse gesichert. Bei der Konstellation einer Nüchternblutglukose > 99 mg/dl (5,5 mmol/l) und eines präkonzeptionellen BMI der Mutter < 25 kg/m² kann bei drei Genanalysen ein Fall von GCK-MODY erwartet werden.

Therapie

Beim Diabetes in der Schwangerschaft muss die Blutglukoseregulierung insbesondere im Interesse des Kindes besonders streng erfolgen. Die zu erzielenden mütterlichen Blutglukosewerte in der Schwangerschaft liegen deutlich unterhalb der Werte außerhalb einer Schwangerschaft:

  • Nüchtern, präprandial: 65–95 mg/dl (3,6–5,3 mmol/l)
  • 1 Stunde postprandial: < 140 mg/dl (< 7,8 mmol/l)
  • 2 Stunden postprandial: < 120 mg/dl (< 6,7 mmol/l)

Bei Blutglukosewerten im Tagesmittel von mehr als 110 mg/dl (6,2 mmol/l) ist mit einer gestörten Organbildung oder mit unreifen Organen, insbesondere der Lunge des Kindes, zu rechnen. Werden die Zielwerte durch nicht-medikamentöse Maßnahmen nicht erreicht, ist eine Insulintherapie notwendig. Orale Antidiabetika sind für Schwangere in Deutschland nicht zugelassen.

Nicht-medikamentöse Maßnahmen

In einem ärztlichen Erstgespräch nach der GDM-Diagnose werden die Schwangeren über die Bedeutung der Diagnose sowie die Art und den Zeitrahmen der einzuleitenden Maßnahmen informiert. Weiterhin erfolgt eine Anleitung zur Einhaltung einer bedarfsangepassten Ernährung, zur Gewichtsnormalisierung, ggf. zum Nichtrauchertraining und zu regelmäßiger körperlicher Aktivität.

Regelmäßige körperliche Bewegung, Fitnessprogramme oder Sport mindern besonders bei präkonzeptionell adipösen Frauen das Risiko für einen GDM und verbessern die Belastbarkeit während Schwangerschaft und Geburt. Des Weiteren wird das Risiko für LGA (engl. large for gestational age, groß im Verhältnis zur Schwangerschaftsdauer) und Sectio gesenkt, sowie die Notwendigkeit einer Insulinbehandlung bzw. der tägliche Insulindosendarf reduziert.

Durch diese Maßnahmen sollen folgende Therapieziele unterstützt werden:

  • normnahe, schwangerschaftsspezifische Blutglukosezielwerte ohne Ketose und Hypoglykämien
  • die für die Schwangerschaft empfohlene Gewichtszunahme der Mutter
  • ein normales Wachstum des Fetus
  • die Vermeidung einer Insulintherapie

Die Gewichtszunahme während der Schwangerschaft sollte am präkonzeptionellen BMI orientiert sein:

Präkonzeptioneller BMI (kg/m²/WHO)Gewichtszunahme gesamt in der Schwangerschaft (kg)Gewichtszunahme/Woche  
2. und 3. Trimenon (kg)
18,512,5–180,5–0,6
18,5–24,911,5–16 0,4–0,5
25,0–29,97–11,50,2–0,3
≥ 305-90,2–0,3

Blutglukosekontrolle

Häufigkeit und Zeitpunkt der Selbstkontrollen werden dem Aufwand und dem Verlauf der Therapie und gemäß den gemessenen Ergebnissen fortlaufend im Einzelfall angepasst. Im Vordergrund stehen eine möglichst geringe Belastung der Schwangeren und eine Beschränkung der Selbstkontrollen auf das entscheidungsrelevante Minimum.

Zu Beginn wird für ein bis zwei Wochen die Erstellung eines 4-Punkte-Profils empfohlen (Messungen morgens nüchtern und ein oder zwei Stunden nach Beginn der Hauptmahlzeiten). Sind alle Werte innerhalb der ersten 2 Wochen im Zielbereich, wird nachfolgend auf eine einzige tägliche Messung im Rotationsverfahren oder auf ein 4-Punkteprofil zweimal pro Woche reduziert. Unter Insulintherapie sollte täglich ein 4-Punkte-Profil erstellt bzw. nur der Wert kontrolliert werden, der durch die Insulintherapie optimiert werden soll.
Zur Überwachung und Therapiekontrolle der Einstellung des Gestationsdiabetes hat der HbA1c-Wert keine Bedeutung.

Insulintherapie

Können die Stoffwechselziele nach Ausschöpfen der Lebensstilmaßnahmen (Ernährungsoptimierung, körperliche Aktivität) nicht erreicht werden, besteht die Indikation zur Insulintherapie. Etwa 20% bis 30% der Schwangeren mit GDM benötigen Insulin. Eine Insulintherapie ist indiziert, wenn innerhalb einer Woche ≥ 50% der Selbstmessungen aus den 4-Punkt-Profilen oberhalb der Zielwerte liegen.

Die Auswirkungen mütterlicher Hyperglykämie auf den Fetus sind individuell verschieden und je nach Wachstumsmuster mit unterschiedlichen Risiken assoziiert. Bei der Indikationsstellung zur Insulintherapie soll daher das Wachstum des fetalen Abdominalumfangs (AU) berücksichtigt werden. Eine Modifikation der Blutglukosezielwerte in Abhängigkeit vom Wachstumsmuster des Feten soll sowohl eine Über- als auch eine Untertherapie vermeiden helfen.

Bei asymmetrischer Makrosomie mit einem fetalen AU ≥ 75. Perzentile, v. a. bei Vorliegen weiterer Risikofaktoren für eine fetale Makrosomie (BMI > 30 kg/m²), vorhergehende Geburt eines LGA-Neugeborenen, Nüchternblutglukose > 110 mg/dl im Tagesprofil bei Therapiebeginn, sollte eher großzügig mit einer Insulintherapie begonnen werden und etwas niedrigere Blutglukosezielwerte angestrebt werden. Auch im Verlauf der Schwangerschaft sollten die fetalen Wachstumsparameter im Ultraschall bei der Interpretation der gemessenen Blutglukoseselbstkontrollwerte und den Therapiekonsequenzen mitberücksichtigt werden. Bei normosomer Entwicklung des Fetus im Bereich der < 75. Perzentile des AU sind geringfügige Überschreitungen der Zielwerte tolerierbar und die Insulinindikation kann eher streng gestellt werden.

MODY: Nur Feten Schwangerer mit GCK-Mutation, die nicht Träger der GCK-Mutation sind, haben ein erhöhtes Risiko für Makrosomie und nachfolgende Komplikationen einer erhöhten maternalen Glukose während der Schwangerschaft. Eine Insulintherapie sollte nur bei Feten von Schwangeren mit GCK-Mutation initiiert werden, wenn ein überproportionales Wachstum (AU ≥ 75. Perzentile) im Ultraschall festgestellt wurde.

Die Insulineinstellung soll nach dem Prinzip der ICT (intensivierte konventionelle Insulintherapie) erfolgen. Es kann aber auch nur Basal- oder kurzwirksames Insulin nötig sein. Können kurzwirksame Humaninsuline bei ausreichender Dosierung die postprandialen Blutglukosewerte nicht zielgerecht absenken, sollte der Wechsel auf Insulin aspart oder lispro erwogen werden.
Sowohl kurz- als auch langwirksame Insulinanaloga können auch primär eingesetzt werden. Die Insulineinstellung sollte in der Regel ambulant begonnen werden und in der Betreuung von diabetischen Schwangeren erfahrenen Diabetologen und Perinatalmedizinern mit entsprechenden Schwerpunkten vorbehalten bleiben.

Orale Antidiabetika und GLP-1-Analoga

Bei Schwangeren mit GDM und Verdacht auf ausgeprägter Insulinresistenz (Insulinbedarf > 1,5 IE/kg Körpergewicht) sowie nach individueller Indikationsstellung kann die Gabe von Metformin nach therapeutischer Aufklärung über den off-label-use erwogen werden. Es müssen zuvor internistische Kontraindikationen abgeklärt werden und vor der ersten Gabe von Metformin Laborparameter bestimmt werden, z. B. Serum-Kreatinin und Kreatinin-Clearance. Eine Metformin-Tagesdosis von 2,0 g sollte nicht überschritten werden.
Sulfonylharnstoffpräparate sollen während der Schwangerschaft nicht eingesetzt werden. Alpha-Glukosidasehemmer, Glitazone, Glinide, DPP-4-Hemmer und GLP-1-Analoga sollen mangels Zulassung, fehlender Erfahrung und unzureichender Studien bei Schwangeren mit GDM nicht verordnet werden.

Glukosekontrolle der Mutter unter der Geburt und im Wochenbett

Wird die Geburt eingeleitet, sind kurzwirksame Insuline zur besseren Steuerbarkeit einzusetzen.  Das Blutglukoseziel unter der Geburt im kapillären Plasma liegt zwischen 90 und 140 mg/dl (4,4–7,2 mmol/l).  Bei Schwangeren, deren Blutglukose über Ernährungstherapie gut eingestellt wurde, ist eine routinemäßige mütterliche Blutglukosekontrolle unter der Geburt nicht erforderlich. Bei Schwangeren unter Insulintherapie sollten die Blutglukosewerte zweistündliche gemessen werden. Bei GDM wird selten unter der Geburt Insulin benötigt. Die Insulintherapie wird postpartal beendet. Eine weitere Kontrolle sollte am zweiten Tag post partum durch ein 4-Punkte-Tagesprofil vorgenommen werden. Es gelten die Grenzwerte wie bei nicht schwangeren Frauen. Insulin ist postpartal indiziert bei Blutglukosewerten ≥ 200 mg/ dl (11,1 mmol/l) oder bei hyperglykämischen Symptomen.

Prognose

Ungünstige Ergebnisse von Schwangerschaften bei Frauen mit GDM können durch rechtzeitige Diagnostik und intensive Behandlung abgemildert oder verhindert werden.
Das erhöhte Risiko für Frauen mit GDM, bereits in den ersten 10 Jahren einen Diabetes zu entwickeln, erfordert eine kontinuierliche Nachsorge mit Kontrollen des Glukosestoffwechsels.

Langzeitfolgen für die Mutter

Diabetesrisiko im späteren Leben

Nach der Schwangerschaft bildet sich die Glukosetoleranzstörung in ca. 13–40% der Fälle nicht zurück. Nach einem GDM entwickeln 35–60% der Frauen innerhalb von 10 Jahren einen Diabetes (7- bis 8-faches Risiko im Vergleich zu glukosetoleranten Schwangeren). Bereits im ersten Jahr nach der Schwangerschaft weisen rund 20% der europäischen Frauen verschiedene Formen des gestörten Glukosestoffwechsels auf. Das Risiko für die Konversion in einen manifesten Diabetes ist erhöht bei

  • präkonzeptionell adipösen Frauen
  • Asiatinnen
  • GDM-Diagnose < SSW 24
  • Insulintherapie
  • 1-h-Belastungswert im Schwangerschafts-oGTT ≥ 200 mg/dl (11,1 mmol/l)
  • HbA1c ≥ 5,7% bei GDM-Diagnose

Die Inzidenz eines Typ-1-Diabetes liegt bei Risikogruppen 5–10 Jahre nach GDM bei 2,3–10%.  

Kardiovaskuläres Risikoprofil

Frauen nach GDM haben ein höheres Risiko für die Entwicklung eines metabolischen Syndroms. Das geht einher mit einem schon in jungen Jahren höheren Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen (koronare Herzkrankheit mit Myokardinfarkt, koronarem Bypass, Koronarangioplastie/Stentversorgung, Schlaganfall, pAVK).  

Wiederholungsrisiko für GDM

Bei Frauen kaukasischer Herkunft liegt das Wiederholungsrisiko für GDM in weiteren Schwangerschaften bei 35–50%. Risikofaktoren sind Adipositas (BMI > 30 kg/m²), die Zahl der Schwangerschaften, eine GDM-Diagnose vor SSW 24 in früheren Schwangerschaften, eine Insulintherapie, ein Abstand von < 24 Monaten zwischen den Schwangerschaften, eine Gewichtszunahme von mehr als 3 kg zwischen den Schwangerschaften und eine erhöhte Nüchternblutglukose zwei Monate postpartum.
Bei vorliegender Ethnizität mit hohem Diabetesrisiko (Asien, Lateinamerika) erhöht sich das Nachfolgerisiko auf 50–84%.

Langzeitfolgen für das Kind

Während unklar ist, ob ein GDM als solcher für ein Kind mit metabolischen Langzeitfolgen verbunden ist, erhöhen insbesondere mit GDM assoziierte Faktoren (mütterliche, aber auch väterliche Adipositas, familiäre Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten) das langfristige Risiko für eine kindliche Adipositas und die Entwicklung einer gestörten Glukosetoleranz („intrauterine Fehlprogrammierung“ des kindlichen Stoffwechsels). Ernährung und Hormone prägen die künftige Funktion von Organen und Organsystemen dauerhaft. Die Insulinsekretion des Ungeborenen legt den Sollwert für die Regulation der Insulinsekretion nach der Geburt fest.

Interventionen während der Schwangerschaft zum Absenken erhöhter Glukosewerte allein reichen nicht aus, um eine spätere Adipositas des Kindes zu verhindern. Postnatale Maßnahmen im Sinne einer Lebensstiloptimierung (Stillen, Art der Säuglings- und Kleinkindnahrung, Bewegungsfrühförderung) müssen folgen.

Prophylaxe

Zur Prävention des GDM existieren zahlreiche Studien zu Lebensstilveränderungen (Ernährungsumstellung, Steigerung der körperlichen Aktivität, Einnahme von Supplementen wie z. B. Myoinositol, Vitamin D, Probiotika, Fischöl) ohne eindeutige Ergebnisse. Frauen mit Übergewicht und Adipositas sollte jedoch bereits bei Schwangerschaftsplanung eine Gewichtsreduktion durch gesunden Lebensstil empfohlen werden. Dieser sollte während der Schwangerschaft beibehalten werden.

Hinweise

Geburtsmedizinische Betreuung

Schwangere mit GDM sind Risikoschwangere. Das Präeklampsie-Risiko und das Risiko für intrauterinen Fruchttod sind bei ungenügender Therapie des GDM erhöht. Die fetale Überwachung ist von zusätzlichen Risikofaktoren und dem Schweregrad der mütterlichen Hyperglykämie abhängig. Die Geburt sollte mit Unterstützung einer Geburtsklinik mit diabetologischer Erfahrung und angeschlossener Neonatologie geplant werden.

Stillen und Auswirkungen auf die mütterliche und kindliche Gesundheit

Mütter nach GDM stillen ihre Kinder seltener und kürzer als Frauen ohne Diabetes, insbesondere bei Übergewicht und Adipositas, insulinbehandeltem GDM und geringerem Bildungsniveau.

Stillen hat kurzfristige positive Effekte auf den mütterlichen Metabolismus (Verbesserung der Glukosehomöostase, Insulinsensitivität und der Fettstoffwechselparameter). Darüber hinaus scheint Stillen das Risiko für Typ-2-Diabetes und metabolisches Syndrom bei Müttern mit GDM bis zu 15 Jahre nach der Entbindung deutlich zu verringern. Kein oder kürzeres Stillen (< 3 Monate) ist mit späterem Übergewicht der Kinder assoziiert, vor allem bei Kindern von adipösen Müttern mit GDM. Frauen mit GDM sollen deshalb nachdrücklich zum Stillen ihrer Kinder über einen möglichst langen Zeitraum ermutigt werden.

Quelle:
  1. DDG Praxisempfehlung Definition, Klassifikation und Diagnostik des Diabetes mellitus, Nauck M et al., Diabetologie 2017; 12 (Suppl 2): S94–S100
  2. The Expert Committee on the diagnosis and classification of Diabetes Mellitus: Report of the Expert Committee on the Diagnosis and Classification of Diabetes Mellitus. Diabetes Care, 2002, 25: 5-20, letzter Zugriff: 27.09.2018
  3. DDG, DGGG-AGG: S3-Leitlinie Gestationsdiabetes mellitus (GDM), Diagnostik, Therapie und Nachsorge, Stand: 28.02.2018
  4. DDG, DGGG-AGG: S3-Leitlinie Gestationsdiabetes mellitus (GDM), Diagnostik, Therapie und Nachsorge - Praxisempfehlung, Stand: 28.02.2018
  5. Diabetesinformationsportal diabinfo, letzter Zugriff: 10.10.2018
  6. Deutsche Diabetes Gesellschaft: Evidenzbasierte Leitlinien
  7. Deutsche Diabetes Gesellschaft: Praxisempfehlungen
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