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Krankheiten
Die rheumatoide Arthritis stellt die häufigste entzündliche Erkrankung der Gelenke dar. Als chronisch-entzündliche Erkrankung befällt sie, meist symmetrisch, vor allem die stammfernen Gelenke.
Definition
Die rheumatoide Arthritis (RA) ist die häufigste entzündliche Erkrankung der Gelenke und eine systemische Autoimmunerkrankung. Sie führt ohne angemessene Behandlung zu chronischen Schmerzen, Funktionseinschränkungen und einer reduzierten Lebensqualität. RA befällt meist symmetrisch stammferne Gelenke wie Finger-, Hand- und Zehengelenke, Knie, Sprunggelenke, Schulter, Ellenbogen, Hüfte und die Halswirbelsäule, wobei oft beide Körperhälften betroffen sind.
Die Entzündung der Gelenkinnenhäute kann zur Zerstörung von Knorpel und angrenzendem Knochen führen. Auch Sehnenscheiden und Schleimbeutel können involviert sein. Systemische Symptome wie Müdigkeit, Leistungsschwäche, Fieber, Nachtschweiß und Gewichtsabnahme weisen auf die ernsthafte Natur der Erkrankung hin. Bei schweren Verläufen können zusätzlich Organe wie Augen, Herz, Lunge, Nerven und Blutgefäße betroffen sein.
RA beginnt typischerweise zwischen dem fünften und achten Lebensjahrzehnt, mit einem mittleren Erkrankungsalter zwischen 55 und 65 Jahren. Es gibt eine seropositive Form, die einen schwereren Verlauf zeigt, und eine seronegative Form. Circa 60% bis 80% der Patienten mit länger bestehender RA sind Rheumafaktor positiv.
Epidemiologie
Prävalenz und Inzidenz
- Frühere Schätzungen: Prävalenz von 0,5% bis 0,8% in der erwachsenen Bevölkerung.
- Neuere Daten: Prävalenz variiert zwischen 0,3% und 1,0%, abhängig von der Datengrundlage und Falldefinition.
- Inzidenz: 20 und 50 Neuerkrankungen pro 100.000 Personen pro Jahr in Nordamerika und Nordeuropa.
Geschlechtsspezifische Unterschiede
- Frauen: Erkranken mit 104/100.000 Patientinnen etwa doppelt so häufig wie Männer.
- Männer: Inzidenz bei 54/100.000 Patienten.
- Diagnoseprävalenz: Frauen haben über alle Jahre hinweg eine fast 2,5-fach höhere Diagnoseprävalenz als Männer.
Altersabhängigkeit
- Inzidenzanstieg: Mit dem Alter steigt die Inzidenz der RA.
- Häufigkeitsgipfel für Neuerkrankungen bei Frauen zwischen 55 und 64 Jahren und bei Männern zwischen 65 und 75 Jahren.
- Höchste Diagnoseprävalenz: Erreicht bei beiden Geschlechtern in der Altersgruppe der 75- bis 79-Jährigen.
Juvenile idiopathische Arthritis
- Kinder: Können ebenfalls an einer Form der rheumatoiden Arthritis erkranken.
Ursachen
Genetische Veranlagung
- Wichtigster genetischer Risikofaktor: Humane Leukozyten-Antigen HLA DBR1.
- Genetik ist für etwa 50% des Erkrankungsrisikos verantwortlich (Studien an eineiigen Zwillingen).
Umweltfaktoren und Lebensstil
Rauchen:
- Erhöht das Risiko und verschlechtert den Krankheitsverlauf.
- Direkter Einfluss auf die Bildung von Autoantikörpern.
- Risikoerhöhung: 3-fach bei 20 Packungsjahren; 16-fach bei Rauchern mit genetischer Veranlagung.
Infektionen:
- z.B. bakterielle Periodontitis kann die Entwicklung der RA fördern.
Krankheitsentwicklung
- Autoantikörper: Ihre Entwicklung geht dem Ausbruch der Krankheit um Jahre voraus.
- Rolle der Autoimmunität: Störungen in der immunologischen Selbsttoleranz durch Faktoren wie Rauchen können die Bildung von Autoantikörpern begünstigen.
Pathogenese
Grundlegende Mechanismen
- Komplexität: Multifaktoriell und bisher nur teilweise verstanden.
- Immunsystem: Fehlsteuerung führt zur Aktivierung von autoreaktiven T-Helferzellen und damit des spezifischen Immunsystems.
Einflussfaktoren
Genetische Faktoren:
- Besonders die MHC-Klasse II-Gene beeinflussen den Erkrankungsprozess.
Hormonelle Faktoren:
- Ebenfalls bedeutsam, jedoch in ihrer genauen Wirkungsweise weniger klar definiert.
Entzündungsprozess
Aktivierung des unspezifischen Immunsystems:
- Makrophagen und Fibroblasten produzieren proinflammatorische Zytokine (IL-1, IL-6, TNF-alpha), die den Entzündungsprozess aufrechterhalten.
Gewebedestruktion
- Pannusbildung: Unkontrollierte Proliferation von entzündlichem Gewebe.
- Rolle der Enzyme: Metalloproteinasen (wie Stromelysin) und verschiedene Kollagenasen tragen zur Destruktion von Knorpel und gelenknahem Knochen bei.
Symptome
Die rheumatoide Arthritis (RA) kann sowohl schleichend als auch plötzlich beginnen und verläuft typischerweise in Schüben, wobei ein spontaner Stillstand selten (unter 10%) auftritt. Die Entzündung betrifft symmetrisch beide Körperhälften, wobei anfänglich meist die kleinen Gelenke der Finger und Zehen betroffen sind, während die Fingerendgelenke üblicherweise nicht involviert sind. Im Krankheitsverlauf können auch größere Gelenke wie Schultern, Knie, Ellenbogen, Hüfte und die Halswirbelsäule betroffen sein.
Zu den Hauptmerkmalen der RA gehören:
- Gelenksentzündungen: Sie führen zu Schmerzen, besonders in Ruhe, und Morgensteifigkeit, die länger als 30 Minuten anhält. Typisch ist auch eine symmetrische Verteilung der Entzündung über mehrere Gelenke.
- Allgemeine Symptome: Erschöpfung, Müdigkeit, Fieber, Gewichtsabnahme und Nachtschweiß kennzeichnen das allgemeine Krankheitsgefühl.
- Weitere Entzündungen: Neben Gelenken können Sehnenscheiden, Schleimbeutel und bei bis zu 20% der Patienten Rheumaknoten betroffen sein. Bei fast der Hälfte der Erkrankten sind auch andere Organe wie das Herz-Kreislaufsystem oder die Lunge involviert.
- Langzeitfolgen: Zu Beginn kommt es zu einer Entkalkung des Knochens nahe der Gelenke (Osteoporose), gefolgt von Knochenerosion und Knorpelabbau, was zu Deformierungen, Fehlstellungen und eingeschränkter Beweglichkeit führt.
Die fortschreitende Entzündung hat nicht nur eine Verringerung der Lebensqualität durch Schmerzen und Bewegungseinschränkungen zur Folge, sondern ist auch mit einem erhöhten Sterberisiko verbunden.
Diagnostik
Früherkennung: Es ist essenziell, RA früh zu erkennen, da die Behandlungschancen in den ersten drei Monaten nach Krankheitsbeginn am größten sind.
Diagnosestellung: Die Diagnose basiert auf Krankheitssymptomen und rheumatologischer Untersuchung.
Klinisch richtungsweisende Befunde:
- Mehr als zwei betroffene Gelenke seit mindestens 6 Wochen.
- Polyartikuläres, symmetrisches Verteilungsmuster.
- Morgensteifigkeit von 60 Minuten oder länger.
Zusätzliche Untersuchungen:
Laboruntersuchungen:
Beinhalten unspezifische serologische Entzündungszeichen wie BSG und CRP sowie spezifische Labortests (ACPA und RF).
Bildgebende Verfahren:
- Röntgenuntersuchung der Hände und Füße.
- Gegebenenfalls Szintigraphie, Gelenksonographie (einsch
Therapie
Initiale Therapie
- Methotrexat (MTX): Der Goldstandard für die Erstlinienbehandlung der RA, ein Beispiel für ein sDMARD (synthetisches DMARD).
Therapieanpassung bei unzureichendem Ansprechen
Ergänzung durch andere konventionelle sDMARDs:
Wenn auf MTX kein ausreichendes Ansprechen erfolgt, einschließlich:
- Sulfasalazin: Ein weiteres sDMARD, verwendet bei Unverträglichkeit oder Kontraindikationen gegenüber MTX.
- Hydroxychloroquin: Ebenfalls ein sDMARD, vor allem bei milder RA oder als Teil einer Triple-Therapie mit MTX und Sulfasalazin.
- Leflunomid: Kann als Alternative zu MTX eingesetzt werden, ein weiteres Beispiel für ein sDMARD, besonders bei mittelschwerer bis schwerer RA.
Einsatz von Glukokortikoiden
- Zum Beispiel Prednison oder Prednisolon, kurzfristig zur raschen Symptomkontrolle eingesetzt.
- Nicht zu den DMARDs zählend, aber wichtig für die anfängliche Entzündungskontrolle.
Biologische DMARDs (bDMARDs) und zielgerichtete synthetische DMARDs (tsDMARDs)
Einsatz bei unzureichendem Ansprechen auf sDMARDs:
bDMARDs: Biologische Wirkstoffe wie:
tsDMARDs: Zielgerichtete synthetische Wirkstoffe wie:
Begleittherapie
Neben der medikamentösen Behandlung werden physiotherapeutische Maßnahmen, Ergotherapie und Patientenschulungen empfohlen, um das funktionelle Outcome zu verbessern und Patienten im Umgang mit der Erkrankung zu unterstützen.
Prognose
Der Verlauf einer rheumatoiden Arthritis kann im Einzelfall kaum vorhergesagt werden. Während früher nur bei 10 % bis 15 % der Patienten dauerhaft eine Remission erreicht werden konnte, ist dies heute bei früh einsetzender Behandlung für mehr als die Hälfte der Betroffenen möglich. Bei allen anderen Betroffenen, insbesondere denen mit spät einsetzender Therapie, ist immer wieder mit Phasen höherer Krankheitsaktivität und potenzieller Gelenkzerstörung zu rechnen.
Prognostisch ungünstige Faktoren
Prognostisch ungünstige Faktoren sind:
- positiver Rheumafaktor und/oder Antikörper gegen citrullinierte Peptide/Proteine
- höheres Alter bei Beginn der Erkrankung (> 60 Jahre)
- weibliches Geschlecht
- fehlende soziale Bezugssysteme, schlechte ökonomische Bedingungen
- niedriges Bildungsniveau
- Rauchen
- bereits eingetretene knöcherne Destruktion (Erosionen, Knochenödem)
- verzögerter Therapiebeginn mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten
Prophylaxe
Für die Autoimmunreaktionen der rheumatoiden Arthritis gibt es bislang keine effektive Möglichkeit zur Vorbeugung. Eine fischöl- und vitaminreiche »Mittelmeerernährung« scheint jedoch einen gewissen Schutz vor der Erkrankung zu bieten, während der Verzehr von viel rotem Fleisch mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko assoziiert ist. Der Verzicht auf Tabakkonsum nach Krankheitsausbruch scheint zu einem milderen Verlauf beizutragen.