Apotheken und Pharmaindustrie kritisieren Finanzstabilisierungsgesetz für GKV

Der Gesetzesentwurf des BMG für das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz hat Empörung bei Apotheken und Pharmaindustrie ausgelöst. Die geplanten Maßnahmen stellen für die Branche eine weitere Belastung dar.

Gesetzliche Richtlinie

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat ein Sparpaket für den Arzneimittelmarkt vorgestellt, dass eine Steigerung der Beitragssätze der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) verhindern soll. Der Entwurf des sogenannten GKV-Finanzstabiliserungsgesetzes sieht eine Anhebung des pauschalen Hersteller- sowie des Kassenabschlags für Apotheken vor. Zudem soll die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel auf 7% gesenkt werden.

Ursächlich für die Sparmaßnahmen sind nur zu einem geringen Teil die Folgen der Corona-Pandemie. Einen größeren Anteil haben teure Reformen der Vorgängerregierungen.

Ziel ist es, im Jahr 2023 eine Anhebung der Betragssätze um einen Prozentpunkt sowie ein Defizit von rund 16 Milliarden Euro zu verhindern. Die Kassen sollen zudem dazu gebracht werden, ihre Rücklagen von derzeit 10 Milliarden Euro weiter auszubauen, um den Fehlbetrag zu senken. Die derzeitige Rücklage entspricht einer halben Monatsausgabe und kann die Liquidität der Krankenkassen nur begrenzt gewährleisten. Zudem soll die Reserve im Gesundheitsfonds weiter abgesenkt werden.

„Schlag ins Gesicht“ für Apotheken

Im Talk der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) „Lass uns reden!“ nannte ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening die Erhöhung des Apothekenabschlags von derzeit 1,77 Euro auf 2 Euro einen „Schlag ins Gesicht“. Der Koalitionsvertrag habe Hoffnung auf die Stärkung der Apotheken geweckt, doch der Referentenentwurf zum GKV-Finanzierungsgesetz nehme den Apotheken etwas weg, statt die Dynamisierung zu fördern.

Tatsächliche Verluste deutlich höher

Overwiening erklärte außerdem, dass der im Entwurf genannte Betrag von 170 Millionen Euro, den die Apotheken einbüßen würden, in der Realität viel höher sei. Neben der Erhöhung des Abschlags um 23 Cent pro Arzneimittelpackung trage auch die geplante Senkung der Mehrwertsteuer auf 7% zu einem deutlichen Verlust für die Apotheken bei. Da der Kassenabschlag den Preis inklusive Mehrwertsteuer beinhaltet, ergibt sich für die Apotheken insgesamt ein Defizit von 38 Cent pro Packung, was einer Reduktion des Festbetrags von rund 4,5% entspricht.

Auch Dirk Heidenblut, Abgeordneter der SPD-Bundestagsfraktion erklärte, der Referentenentwurf aus dem Ministerium habe ihn auch zeitlich gesehen überrascht. Er habe Reformen bezogen auf die Apotheken vor Ort in andere Richtung erwartet.

Höherer Herstellerabschlag gefährdet Versorgung

Auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI) äußerte sich empört zu dem Gesetzesentwurf, der zur absoluten Unzeit käme. „Gerade in der aktuellen Situation, in der wir es mit massiven Lieferschwierigkeiten zu tun haben, dringend auf die Entwicklung von neuen Medikamenten angewiesen sind und zusätzlich noch die Versorgungsschwierigkeiten durch den Ukrainekrieg haben, ist jede weitere Belastung nicht zu verantworten!“ so BPI-Vorsitzender Dr. Hans Georg Feldmeier.

Maßnahme für Hersteller inakzeptabel

Sowohl BPI als auch der Bundesverband der Arzneimittelhersteller e.V. (BAH) erklärten, dass durch Rabattverträge, Abschläge und Festbeträge bereits jetzt erhebliche Sparbeträge zugunsten der GKVen geleistet würden. Gleichzeitig würden die Hersteller durch gestiegene Produktionskosten stärker belastet. Eine Verdreifachung des Herstellerabschlags sei daher völlig inakzeptabel, so der BAH.

Zusätzliche Belastung durch verlängertes Preismoratorium

Auch die Verlängerung des Preismoratoriums um weitere vier Jahre verschärfe die Situation weiter. „Wenn für Unternehmen eine kostendeckende Produktion nicht mehr möglich ist, müssen sie das Produkt aus dem Markt ausnehmen. Für Patientinnen und Patienten gehen dann wertvolle Therapieoptionen verloren“, gibt Dr. Hubertus Cranz, Hauptgeschäftsführer des BAH zu bedenken. Auch die Weiterentwicklung bekannter Substanzen werde durch das Preismoratorium verhindert.

Innovation fördern statt ausbremsen

Auch die geplante Geltung des AMNOG-Erstattungspreises ab dem 7. Monat sowie die Aufweichung des Orphan Drug Status seine fatale Signale. „Neue Arzneimittel müssen in Deutschland weiterhin schnell verfügbar sein. Die aktuelle Corona-Krise belegt, wie wichtig dafür ein innovationsoffenes System ist.“, so der BPI-Vorsitzende. Anstatt gerade an diesem Punkt zu kürzen, solle die Arzneimittelversorgung vor dem Hintergrund instabiler Lieferketten und steigender Kosten für Forschung, Entwicklung und Produktion gesichert werden. Dafür seien verlässliche Rahmenbedingungen und auskömmliche Preise für alle Arzneimitteltherapien nötig.

Dämpfer für internationaler Wettbewerb

Der Präsident des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa), Han Steutel bezeichnet den geplanten pauschalen erhöhten Herstellerabschlag auf Arzneimittel als „verheerendes Signal in die internationale Investorenszene“. Durch die Erfolge mit der mRNA-Technologie habe Deutschland eine aktuell die Chance im globalen Wettbewerb aufzusteigen und andere zu überholen. Die geplante Erhöhung des Zwangsrabattes für moderne Medikamente beende diesen Imagegewinn und schiebe die forschenden Unternehmen über die Klippe des globalen Wettbewerbs. Die geplanten Maßnahmen gefährdeten die geplante Stärkung von Deutschland als Pharmastandort, so auch der BAH.

Bisher keine Abstimmung mit Koalition

Laut dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) hieß es aus Koalitionskreisen, die vorgeschlagenen Maßnahmen des Gesetzesentwurfes seien nicht abgesprochen. Eine Mehrwertsteuersenkung wird aufgrund der angespannten Haushaltslage aktuell als unwahrscheinlich eingestuft, da diese eine Mindereinnahme von rund vier Milliarden Euro verursachen würde. Während diese Maßnahme auch gar nicht im Koalitionsvertrag auftaucht, fehlen dort vereinbarte Entlastungen wie ein erhöhter Beitrag für den Bund für Harzt-IV-Empfänger im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz.

Beitragserhöhung dennoch nötig

Mit den von Lauterbach vorgesehenen Einsparungen von über 10 Milliarden Euro kann das Defizit der Krankenkassen nicht vollständig gedeckt werden. Informationen des RND zufolge wären zusätzliche Beitragserhöhungen nötig, etwa 0,1 Punkte pro 1,6 Milliarden Euro.

Autor:
Stand:
17.03.2022
Quelle:
  1. ABDA: "Lass uns reden! - Der ABDA-Talk" vom 16.03.2022
  2. BAH: Pressemitteilung – Entwurf für Spargesetz gefährdet Pharmastandort Deutschland (16.03.2022)
  3. BPI: Pressemeldung – GKV-Finanzierungsgesetz: Maßnahmen gefährden kritische Infrastruktur! Versorgungsrisiken drohen akut! (16.03.2022)
  4. RND: Defizit bei den Krankenkassen – Lauterbach legt Sparpaket vor (16.03.2022)
  5. Vfa: Pressemitteilung – Zwangsrabatt freut unsere internationalen Wettbewerber (16..03.2022)
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