
Hintergrund
Die Forderungen nach der Vergabe von Corona-Schutzimpfungen in Arztpraxen werden immer lauter. Neben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) drängt nun auch der Bundestag auf eine rasche Ausweitung der Impfmöglichkeiten. Die stetig zunehmenden Liefermengen von Impfstoffdosen werden in naher Zukunft nicht mehr von den rund 400 bundesweit verteilten Impfzentren bewältigt werden können. Ab Mai rechnen Wissenschaftler mit mindestens 3 Millionen und ab Juli mit rund 7,5 Millionen unverbrauchten Impfdosen pro Woche. Deshalb ist es wichtig, das Impfsystem auszuweiten und Hausärzte in die Impfkampagne einzubeziehen. Diese könnten nach wissenschaftlicher Schätzung rund eine Million Corona-Impfungen pro Werktag bzw. etwa fünf Millionen Schutzimpfungen pro Woche abdecken.
Starttermin voraussichtlich im April/Mai 2021
Noch gibt es keinen Termin, ab wann COVID-19-Schutzimpfungen in Haus- und Facharztpraxen verabreicht werden können. Nach Aussage des KBV-Vorstandsvorsitzenden Dr. Andreas Gassen sei mit einem Start in der ersten Hälfte des zweiten Quartals zu rechnen; genauer zwischen der zweiten und dritten Aprilwoche. Voraussetzung dafür sei jedoch eine zuverlässige und ausreichende Belieferung von Impfstoffen und Zubehör wie Kanülen und Spitzen, so Gassen. Ferner gelte es, zusätzliche bürokratische Hürden zu vermeiden, ergänzt KBV-Vorstandsvize Dr. Stephan Hofmeister.
Konzept zur Impfstofflieferung
Die KBV hat gemeinsam mit Vertretern aus Apotheken und des pharmazeutischen Großhandels ein Konzept zur Impfstofflieferung an Vertragsärzte entwickelt. Demnach sollen die Praxen bis Dienstagmittag den für die Folgewoche benötigten Impfstoff nebst Zubehör über das Formular 16 bei ihrer Apotheke bestellen. Diese liefert das Material jeweils zu Beginn der Woche. Der Rhythmus ist insbesondere für die stark zu kühlende Vakzine von BioNTech/Pfizer erforderlich. Diese ist nach dem Auftauen nur 120 Stunden bei Kühlschranktemperaturen von 2 bis 8 Grad Celsius lagerfähig. Mit dem angestrebten Konzept hätten die Praxen fünf Tage Zeit, das Serum zu verimpfen.
Dokumentation
Die derzeit für die Impfzentren geltenden Dokumentationsvorgaben sollen an den Praxisbetrieb angepasst werden, so der Vorstandsvize. In einem von der KBV entwickelten Software-Tool müssten Vertragsärzte lediglich die Anzahl der Erst- und Zweitimpfungen eintragen, die pro Impfstoff tagesaktuell verabreicht wurden. Weitere Details könnten über die Abrechnungsdaten nachgeliefert werden. Dieses Vorgehen sei gerechtfertigt, da sich in den Praxen voraussichtlich bereits bekannte Patienten einen Impftermin geben lassen würden, sagt Hofmeister.
Keine Wahl des Impfstoffs möglich
Wie in den Impfzentren soll es auch in den Arztpraxen nicht möglich sein, sich einen Wunsch-Impfstoff auszusuchen. Das widerspreche dem Ansatz, schnell und sicher zu impfen. „Wer das nicht möchte – es gibt keine Impfpflicht – der muss warten bis er das bekommt, was er sich wünscht“, erklärt Hofmeister. Gassen betont in diesem Zusammenhang, dass der Impfstoff von AstraZeneca kein Impfstoff zweiter Klasse sei. Vielmehr verweist er auf den bestehenden Zeitdruck und darauf, dass Impfen die einzige Exitstrategie sei, um sich nicht mehr nur „von Lockdown zu Lockdown“ zu hangeln.
AstraZeneca in Spezialpraxen
Eine gewisse Skepsis und Verunsicherung in der Bevölkerung gegenüber AstraZeneca führt derzeit zu ungenutzten Impfdosen. Zum Abbau der Bestände schlägt Hofmeister vor, diese – außerhalb der Priorisierung – an onkologische Praxen oder Dialyseeinrichtungen zu übersenden.
Priorisierung
Sobald Deutschland über ausreichende Impfstoffmengen verfügt, wird nach Einschätzung des KBV-Vorstands die derzeit geltende starre Priorisierung an Bedeutung verlieren. Dennoch kann noch nicht jeder sofort einen Impftermin erhalten. Eine gewisse Reihenfolge bei der Terminvergabe bliebe vorerst auch in den Praxen bestehen, so Gassen. Aktuelle Modellprojekte laufen dazu bereits in mehren Hausarztpraxen.
Online-Tool informiert über Impffortschritt
Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) hat am Mittwoch (24.02.2021) ein Online-Tool veröffentlicht, das die Berechnung von Impfszenarien auf Bundesebene und pro Bundesland ermöglicht. Auf der Homepage können Informationen über den Stand der aktuell verfügbaren Impfdosen abgerufen werden. Überdies bietet das Zi ein Zeit- und Mengengerüst für den Verlauf der nationalen Impfkampagne. Abhängig von der Impfstoffverfügbarkeit wird dynamisch dargestellt, wie sich Veränderungen der Impfkapazität oder verschiedene Impfstrategien auf den Impffortschritt der Bevölkerung je Bundesland und im Bundesgebiet auswirken, erläutert der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik Graf von Stillfried.