Bei Stillenden schützt mRNA-Impfstoff am besten

Mütter, die sich während der Stillzeit gegen Corona impfen lassen, schützen nicht nur sich, sondern auch ihre Babys. Denn Antikörper gegen SARS-CoV-2 werden über die Muttermilch weitergegeben. Doch nach welchem Vakzin bildet der Körper am zuverlässigsten Abwehrstoffe?

Stillende mit Säugling

Stillen ist nicht nur für den Aufbau einer emotionalen Verbundenheit wichtig, sondern die Muttermilch enthält neben zahlreichen Nährstoffen auch krankheitsspezifische Antikörper wie beispielsweise gegen das Coronavirus. Gebildet werden solche Abwehrstoffe nach einer COVID-19-Infektion oder -Schutzimpfung. Da diese in die Muttermilch übergehen, wird über das Stillen auch der Säugling mit Antikörper gegen SARS-CoV-2 versorgt. Es wird angenommen, dass die Antikörper diese Viren neutralisieren und das Kind so vor einer Coronaerkrankung schützen können – wissenschaftlich belegt wurde dies jedoch noch nicht [1].

Ein kleiner Rückblick

Dass Säuglinge über die Muttermilch mit Immunglobulinen versorgt werden können, wurde bereits in früheren Studien untersucht. Im April 2021 beispielsweise konnten israelischen Wissenschaftler um Sivan Haia Perl in ihrer prospektiven Kohortenstudie zeigen, dass sich nach der Impfung stillender Mütter Abwehrstoffe vom Typ Immunglobulin A (IgA) und Immunglobulin G (IgG) bilden, die auch in der Muttermilch nachgewiesen werden können [2].

Etwa ein Jahr später, im Februar 2022, veröffentlichten Kathleen Arcaro und Team von der University of Massachusetts, dass Stillende, die einen mRNA-Impfstoff erhalten hatten, über die Muttermilch Antikörper auf ihre Säuglinge übertragen. Neben Milch- und Blutproben der Mütter hatten die Forscher auch Stuhlproben der Babys untersucht [3].

Unterschied von IgA und IgG

Ziel der aktuellen Studie der Niederländerin Hannah Juncker [4] war es, den Corona-Impfstoff zu identifizieren, der die Titer der IgA- und IgG-Antikörper in der Muttermilch am zuverlässigsten erhöht.

IgA und IgG sind beides Antikörper, die als Teil des humoralen Abwehrsystems unter anderem Mikroorganismen neutralisieren. Etwa 10% der im Plasma vorkommenden Immunglobuline sind Antikörper vom Typ A. Sie werden nach einer Infektion schnell gebildet und kommen hauptsächlich in Körperflüssigkeiten wie Speichel oder Muttermilch vor. Dort bilden sie eine Abwehrbarriere gegen Krankheitserreger. IgG dagegen machen circa 80% der im Blut zirkulierenden Antikörper aus. Sie bilden sich erst nach einigen Wochen und sind Teil der Sekundärantwort des Immunsystems.

Die vier zugelassenen Corona-Impfstoffe

In den Niederlanden sind vier Impfstoffe erhältlich, von denen zwei Vakzine mRNA- und zwei Vektor-basiert sind:

Vektorimpfstoffe bestehen aus für den Menschen harmlose Viren, den sogenannten Vektoren. Diese enthalten den Bauplan für einen Virus-Bestandteil als DNA. Beim Corona-Impfstoff beispielsweise ist es das Spike-Protein. Nach der Injektion dringen die Viren in die Körperzellen ein und übertragen die DNA in den Zellkern, die dann von zelleigenen Proteinen in mRNA (messenger-RNA) umgewandelt wird. Nun kann die Zelle die Virus-Antigene produzieren, sie dem Immunsystem präsentieren und so eine Immunantwort auslösen. mRNA-Impfstoffe bestehen – im Unterschied zu Vektorimpfstoffen – nur aus einer mit einer Fetthülle umhüllten mRNA, die Informationen für einzelne Virus-Antigene enthält.

1650 Proben von 124 Stillenden

Teilnehmen an der prospektiven longitudinalen Studie von Juncker konnten stillende Frauen, die sich mit einem Vektor- oder einem mRNA-Impfstoff vollständig impfen hatten lassen. Diese insgesamt 124 Frauen sammelten über einen Zeitraum von 100 Tagen insgesamt 17 Muttermilch-Proben, was einem Probenumfang von 1.650 entspricht. Ausgeschlossen wurden Frauen, bei denen zum Studienbeginn bereits Antikörper gegen SARS-CoV-2 in der Muttermilch nachweisbar waren oder bei denen bereits einmal ein Polymerase Chain Reaction Test (PCR-Test) positiv ausgefallen war.

Für die Auswertung verwendeten die Wissenschaftler einen Enzym-gekoppelten Immunadsorptionstest (ELSIA; Enzyme Linked Immunosorbent Assay) mit SARS-CoV-Spike-Protein. Sensitivität und Spezifität betrugen für IgA in der Muttermilch 68% sowie 99%, für IgG 96% sowie 99%. Für jeden der vier Impfstoffe wurde der Prozentsatz der Teilnehmerinnen mit detektierbaren Antikörpern berechnet und mithilfe einer Kaplan-Meier Kurve für IgA und IgG separat dargestellt.

Antikörper gegen SARS-CoV-2 in Muttermilch nach mRNA-Impfung

Während die Wissenschaftler bei fast allen stillenden Frauen, die einen mRNA-Impfstoff erhalten hatten, Immunglobuline vom Typ A in der Muttermilch nachweisen konnten, lag der Anteil der mit einem Vektor-basierten Vakzin geimpften Frauen mit IgA in der Milch deutlich niedriger:

  • 96% (25 von 26) nach einer Impfung mit Biontech
  • 97% (37 von 38) nach Moderna-Impfung
  • 39% (13 von 33) nach einer Impfung mit AstraZeneca
  • 48% (10 von 21) nach Johnson & Johnson-Impfung.

Nach zweifach Impfung mit einem mRNA-Impfstoff oder dem Vakzin von AstraZeneca wiesen alle Frauen Antikörper gegen SARS-CoV-2 vom Typ IgG in der Muttermilch auf – der Zeitpunkt des Auftretens variierte jedoch: Während bei mRNA-Impfstoffen IgGs bereits nach 23 (Comirnaty) beziehungsweise 32 (Spikevax) Tagen nach der ersten Impfung in der Probe detektierbar waren, dauerte es nach der Impfung mit AstraZeneca 94 Tage. Grund hierfür ist laut der Wissenschaftler, dass die zweite Dosis beim AstraZeneca-Vakzin deutlich später verabreicht wird als bei mRNA-Impfstoffen. Dagegen konnten die niederländischen Forscher um Juncker nach einer Impfung mit dem Janssen-Vakzin nur bei 28% (6 von 23) der Frauen IgG-Antikörper in der Muttermilch nachweisen.

mRNA-Impfstoff für Stillende empfohlen

Basierend auf ihren Studienergebnissen empfehlen Juncker und Team für Mütter, sich in der Stillzeit mit einem mRNA-Vakzin gegen Corona impfen zu lassen - und stützen damit die derzeitige Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO). Der Grund für diesen Ratschlag sei, so die Autoren, dass SARS-CoV-2-spezifisches IgA nach einer mRNA-Impfung häufiger in der Muttermilch nachweisbar war und es eine „Schlüsselrolle in der ersten Verteidigungslinie gegen angreifende Viren“ spiele.

Allerdings räumen die Wissenschaftler ein, dass sie sich nur mit dem Vorkommen von Antikörpern in der Muttermilch befasst hatten. Ob diese tatsächlich bei den Säuglingen SARS-CoV-2 neutralisieren können, wurde nicht untersucht. Zudem existiert bis heute keine Studie, die eindeutig belegt, dass IgA aus der Muttermilch vor Atemwegsinfektionen schützt.

Quelle:
  1. Robert Koch Institut: Impfung bei Schwangeren, Stillenden und bei Kinderwunsch
  2. Perl et al. (2021): SARS-CoV-2-Specific Antibodies in Breast Milk After COVID-19 Vaccination of Breastfeeding Women. JAMA, DOI: 10.1001/jama.2021.5782
  3. Narayanaswamy et al. (2022): Neutralizing Antibodies and Cytokines in Breast Milk After Coronavirus Disease 2019 (Covid-19) mRNA Vaccination. Obstet Gynecol., DOI: 10.1097/AOG.0000000000004661
  4. Juncker et al. (2022): Comparing Human Milk Antibody Response After 4 Different Vaccines for COVID-19. JAMA, DOI: 10.1001/jamapediatrics.2022.0084
  • Teilen
  • Teilen
  • Teilen
  • Drucken
  • Senden

Anzeige

Orphan Disease Finder

Orphan Disease Finder

Hier können Sie seltene Erkrankungen nach Symptomen suchen:

 

Seltene Krankheiten von A-Z
Schwerpunkt Seltene Erkrankungen