Maskentragen und das Risiko für Selbstinfektionen

Gesichtsmasken gelten als ein wichtiges Werkzeug, um Infektionswellen zu brechen. Sie stehen jedoch auch immer wieder im Verdacht, Infektionen zu begünstigen. Erklärt werden soll das damit, dass sich die Träger häufiger ins Gesicht fassen. Aber stimmt das überhaupt?

Schüler mit Makse

An Gesichtsmasken scheiden sich seit Beginn der Coronavirus-Pandemie die Geister. Während die einen darauf schwören, um Pandemie und aktuelle Infektionsausbrüche anderer über die Luft übertragbarer Erreger zu durchbrechen, sehen andere mehr Risiken als Nutzen in Masken. Ob sich die positiven und die negativen Aspekte aufheben, wird viel diskutiert

Gesichtsmasken können in Schulen dafür sorgen, dass weniger Viren des Typs SARS-CoV-2 übertragen werden. Vor allem in Gemeinschaftseinrichtungen und an Orten, an denen viele Menschen aufeinandertreffen, waren und sind sie ein wichtiger Teil der öffentlichen Gesundheitsmaßnahmen, um die Inzidenz von COVID-19 zu reduzieren und die Transmission des Virus zu vermeiden. In epidemiologischen Studien zeigte sich das in Schulen deutlich. In Gegenden, in denen in Schulen Maskenpflicht bestand, wurden weniger Ausbrüche und niedrigere Inzidenzen vermerkt.

Dem gegenüber stehen nicht nur das vermutete Risiko für Selbst- oder Autoinokulation, sondern auch andere mögliche negative Konsequenzen. Dazu können unerwünschte Auswirkungen auf die Atmung oder die Haut zählen, aber auch psychologische, kognitive und kommunikative Effekte. Deshalb ist es wichtig, Maßnahmen regelmäßig zu evaluieren und Vor- und Nachteile zu überprüfen. Eine kanadische Studie hat sich mit der weltweit immer wieder berichteten Vermutung befasst, Maskentragen würde das Risiko für Selbstinokulation erhöhen, weil sich Kinder mehr ins Gesicht fassen, und einen Back-to-School-Trial gestartet. Die Studie wurde im Journal »JAMA Pediatrics« veröffentlicht und mit der Identifikationsnummer NCT04531254 bei ClinicalTrials.gov registriert.

Zielsetzung

Mit der Studie sollte die Theorie überprüft werden, dass Gesichtsmasken die Rate der Hand-zu-Gesicht-Kontakte bei Kindern und Jugendlichen erhöht. Dazu wurde der Effekt von Gesichtsmasken auf diese Altersgruppen während der Schulzeit evaluiert.

Methodik

Die prospektive randomisierte klinische Studie fand im August 2020 an zwei Schulen in Toronto, Ontario, Kanada statt. Dafür wurden Schülerinnen und Schüler im Alter von 4 bis 17 Jahren auf zwei Gruppen aufgeteilt: eine Interventionsgruppe mit Maskenpflicht und eine Kontrollgruppe ohne Maskenpflicht. Die Untersuchung fand an zwei Tagen und zu einem Zeitpunkt statt, zu dem die Schulen noch für die Sommerferien geschlossen waren. Die Schultage dauerten jeweils von 08:35 Uhr bis 15 Uhr.

Eingeschlossen wurden Schülerinnen und Schüler, die im vorangegangenen Schuljahr eine Schule oder strukturierte Lernumgebung besucht hatten und keinen zusätzlichen Unterstützungsbedarf benötigten. Lehrkräfte mussten vom Ontario College of Teachers zertifiziert sein, um teilnehmen zu dürfen. Achtundvierzig Stunden vor Beginn der Intervention wurde bei allen Teilnehmenden ein PCR-Test durchgeführt. War dieser positiv oder bestanden Risikofaktoren für eine SARS-CoV-2 Infektion, war eine Teilnahme nicht möglich. Auch nicht teilnehmen konnte, wer eine bekannte Hypersensitivität hatte oder Allergien gegen in der Studie genutzt biologische Indikatoren.

Interventionssetting

Die Klassenräume wurden für die Untersuchung mit Kameras ausgestattet, die aus vier verschiedenen Winkel filmten. Alle teilnehmenden Schülerinnen und Schüler wurden in die jeweilige Klassenstufe eingeteilt, die sie zuletzt besucht hatten. Zusätzlich waren die Klassenzimmer so eingerichtet, dass ein Abstand von zwei Metern oder mehr zwischen den Tischen möglich war.

Die Teilnehmenden in der Maskengruppe wurden vorab gebeten, ihre eigenen Masken mitzubringen und während der gesamten zwei Schultage zu tragen. Für die, die ihre Masken vergessen hatten, standen pädiatrische Masken bereit.

In der Kontrollgruppe bestand für die Schülerinnen und Schüler der Klasse vier und jünger keine Maskenpflicht. Ab Klasse fünf mussten dort Masken getragen werden, wo das Abstandhalten nicht möglich war. Darüber hinaus war es den Schülerinnen und Schülern freigestellt, ihre Masken so oft und viel zu tragen, wie sie wollten. Lehrkräfte trugen in beiden Gruppen dauerhaft medizinische Masken.

Outcomes

Als primären Endpunkt definierte das Studienteam die Anzahl der Hand-zu-Gesicht-Kontakte pro Schülerin und Schüler und Stunde. Gemessen wurde nur am zweiten Interventionstag, dort jeweils eine Stunde lang vormittags und nach dem Mittagessen.

Als Hand-zu-Gesicht-Kontakt galt, wenn die Hand das Gesicht berührte. Die Handkontakte wurden nach verschiedenen Lokalisationen in acht verschiedene Kategorien eingeteilt:

  1. Mund und/oder der Nase
  2. Augen
  3. Brille
  4. Nichtmukosahaltige Anteile des Gesichtes wie beispielsweise Kinn, Ohren, Wange oder Stirn
  5. Zentrale Bereiche der Maske (über Mund/Nase)
  6. Periphere Bereiche der Maske (Seiten der Maske, Bebänderung)
  7. Abnahme der Maske
  8. Aufsetzen der Maske

Die ersten beiden Kategorien galten als Hand-zu-Gesicht Kontakte mit Kontakt zur Mukosa (den Schleimhäuten) im Gesicht, die anderen (Kategorie 3 bis 8) als solche ohne Mukosakontakt. Diese Unterscheidung wurde als sekundärer Endpunkt betrachtet.

Ausgewertet wurde das Bildmaterial durch geschulte und eingewiesene Coder. Zur Kontrolle der Kategorisierungsqualität überprüfte jeweils eine zweite Person zehn zufällig ausgewählte Minuten.

Ergebnisse

An der Studie nahmen insgesamt 174 Schülerinnen und Schüler teil, von denen 171 für beide Schultage anwesend waren.

Demographische Charakteristika

Gut die Hälfte der Teilnehmenden in beiden Gruppen war männlich. Das mediane Alter lag bei 12,4 Jahren (Interquartilenabstand 9,1 bis 15,2). Knapp die Hälfte (48,5%) war weiblich und mit 50,3% die Hälfte weiß. Im Vorjahr eine öffentliche Schule besucht hatten 61% der Teilnehmenden.

Hand-zu-Gesicht Kontakte

In beiden Gruppen fassten sich die Schülerinnen und Schüler etwa gleich oft während der Unterrichtszeit ins Gesichts. In der Maskengruppe waren es 88,2 Ereignisse pro Stunde und Schülerin oder Schüler und in der Kontrollgruppe 88,7 (Relatives Risiko (RR) 1,00, 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,78 bis 1,28; p>0,99).

Beim sekundären Outcome, den Schleimhautkontakten, unterschieden sich die beiden Gruppen allerdings signifikant. Während sich die Kinder und Jugendlichen ohne Maskenpflicht 26,8-mal pro Stunde an den Schleimhäuten im Gesicht berührten, kamen diese Kontakte bei Kindern mit Maskenpflicht nur 4,2-mal pro Stunde vor (RR 0,12, 95%-KI 0,07 bis 0,21). Anders sah es bei der Rate der Hand-zu-Nichtmukosa Kontakten aus. Hier berührten die Schülerinnen und Schüler mit Maskenpflicht ihr Gesicht mit 84,4-mal pro Stunde deutlich häufiger als die Kontrollgruppe mit 58,1-mal pro Stunde (RR 1,40, 95%-KI 1,08 bis 1,82).

Auch beim Hand-Zu-Maske Kontakt lag die Rate in der Maskengruppe mit 60,3 höher als in der Kontrollgruppe mit 14,2 Ereignissen pro Stunde (RR 16,43, 95%-KI 2,49 bis 103,73). Dafür berührten sie deutlich seltener andere Gesichtsbereiche (21,1 vs. 42,7 Ereignisse pro Stunde; RR 0,46, 95%-KI 0,33 bis 0,65). Die Kinder und Jugendlichen in der Gruppe mit Maskenpflicht nahmen ihre Maske im Durchschnitt 0,6-mal pro Schüler oder Schülerin und Stunde ab.

Alter, Geschlecht, Ethnizität oder Schulform hatten keinen Einfluss auf das Verhalten der Schülerinnen und Schüler.

Fazit

Schülerinnen und Schüler fassen sich sowohl mit als auch ohne Maske mit vergleichbarer Häufigkeit während des Unterrichts mit der Hand ins Gesicht. Masken können jedoch helfen, die Rate der Schleimhautberührungen durch die eigenen Hände zu verringern. Deshalb ist es, so die Studienautorinnen und -autoren unwahrscheinlich, dass Masken das Risiko für Selbstinokulation erhöhen und so das Infektionsrisiko für Schülerinnen und Schüler steigen könnte. Im Gegenteil: Die niedrigere Rate an Hand-zu-Schleimhaut Kontakten könnte einen zusätzlichen Schutz bieten und Infektionen jeglicher Art reduzieren. Gleichzeitig sind Infektionen mit SARS-CoV2- durch Hand-zu-Schleimhaut Kontakte generell weniger wahrscheinlich, weil das Virus vorrangig über die Luft übertragen und eingeatmet wird.

Autor:
Stand:
13.12.2022
Quelle:

Science M, Caldeira-Kulbakas M, Parekh RS et al. (2022): Effect of Wearing a Face Mask on Hand-to-Face Contact by Children in a Simulated School Environment: The Back-to-School COVID-19 Simulation Randomized Clinical Trial. JAMA Pediatrics. DOI:10.1001/jamapediatrics.2022.3833

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