Indien: Erster DNA-Impfstoff gegen COVID-19 zugelassen

ZyCoV-D ist der weltweit erste DNA-basierte Impfstoff gegen COVID-19. Im Gegensatz zu anderen Corona-Impfungen sind für eine Grundimmunisierung drei Dosen erforderlich. Diese werden mit einem nadelfreien intradermalen System appliziert.

DNA

Hintergrund

ZyCoV-D des indischen Pharmaunternehmens Zydus Cadila unterscheidet sich deutlich von den bisherigen COVID-19-Impfstoffen. Die Vakzine erhielt von der indischen Medikamentenzulassungsstelle Drug Controller General of India (DCGI) als erster Plasmid-DNA-Impfstoff für Kinder ab zwölf Jahren die Notfallzulassung (Emergency Use Authorization, EUA). Die verimpfte DNA soll sowohl die humorale als auch die zelluläre Immunantwort stimulieren.

Die Impfung kommt ohne Piks aus. Vielmehr wird ZyCoV-D mit dem PharmaJet Tropis®, einem nadellosen Injektionssystem, intradermal verabreicht. Und noch ein Unterschied: Statt nach einer oder zwei Impfdosen sind für die Grundimmunisierung drei Applikationen im Abstand von vier Wochen (an den Tagen 0, 28 und 56) notwendig. Eine weitere Zulassung für ein Zwei-Dosen-Schema ist in Vorbereitung [1,2].

Zulassungsstudie

Die Zulassung beruht auf Daten aus einer pivotalen klinischen Phase-III-Studie mit mehr als 28.000 Probanden, unter ihnen Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren. ZyCoV-D war allgemein gut verträglich und sicher. Daneben überzeugte der Impfstoff mit einer robusten Immunogenität. Ein Artikel im Fachmagazin Nature verweist auf eine Schutzwirkung von 67 Prozent.

Genauer wurden in der geimpften Gruppe 21 symptomatische Fälle einer SARS-CoV-2-Infektion diagnostiziert, im Placeboarm hingegen 60. Somit ist die Wirksamkeit den mRNA-Impfstoffen prozentual unterlegen, jedoch ähnlich wie die von Vektorimpfstoffen. Die Zahlen sind allerdings nicht direkt vergleichbar, weiß Shahid Jameel, Virologe an der Ashoka-Universität in Sonipat, Indien.

Zu Beginn der Studie dominierte in Indien bereits die stark ansteckende Delta-Mutation, währen bei anderen früheren mRNA-Impfstoffstudien die weniger übertragbaren Varianten zirkulierten. „Die Wirksamkeit richtet sich im Wesentlichen gegen die Delta-Variante, das ist also ziemlich gut", erklärt der Virologe [3].

So wirkt der DNA-Impfstoff

ZyCoV-D enthält ringförmige DNA-Stränge, so genannte Plasmide. Diese beinhalten die Gensequenz des Spike-Proteins von SARS-CoV-2 sowie eine Promotorsequenz, die das Ablesen des Gens aktiviert. Sobald die Plasmide in den Zellkern von intradermalen Immunzellen eindringen, werden sie in mRNA umgeschrieben. Diese wandert ins Zytoplasma der Zellen. Dort können sie von den Ribosomen abgelesen werden, um anschließend das Spike-Protein zu generieren. Das körpereigene Immunsystem reagiert auf das Eiweiß und produziert passgenaue Immunzellen, die vor zukünftigen COVID-19-Infektionen schützen. Die Plasmide werden in der Regel innerhalb von Wochen bis Monaten abgebaut, die Immunität bleibt erhalten.

Die Plasmid-DNA kann sich weder im menschlichen Gen replizieren noch das Erbgut verändern [3].

Vorteile von DNA-Impfstoffen

RNA-Impfstoffe zeigen in klinischen Versuchen schneller starke Immunreaktionen und wurden inzwischen hundertmillionenfach auf der ganzen Welt verabreicht. DNA-Impfstoffe bieten jedoch eine Reihe von Vorteilen: Sie sind vergleichsweise einfach herzustellen und die fertigen Produkte sind stabiler als mRNA-Vakzine. Letztere müssen meist bei sehr niedrigen Temperaturen gelagert werden. ZyCoV-D wird bei 2 bis 8°C aufbewahrt und zeigt selbst bei 25°C eine gute Stabilität über drei Monate. Darüber hinaus können DNA-Vakzine ebenso wie mRNA-Impfstoffe schnell an Virusvarianten angepasst werden [3].

Herausforderung – der Weg zum Zellkern

„Sowohl DNA- als auch mRNA-Impfstoffe befinden sich seit den 1990er-Jahren in der Entwicklung“, so David Weiner, Direktor des Vaccine & Immunotherapy Centers am Wistar-Institute in Philadelphia, Pennsylvania. „Die Herausforderung bei DNA-Impfstoffen besteht darin, dass sie den gesamten Weg zum Zellkern zurücklegen müssen. Im Gegensatz dazu müssen mRNA-Impfstoffe nur das Zytoplasma erreichen“, erklärt Jameel. Daher hatten DNA-Impfstoffe lange Zeit Schwierigkeiten, in klinischen Versuchen wirksame Immunreaktionen hervorzurufen. Aus diesem Grund waren sie bisher auch nur als Impfstoffe für Tiere, zum Beispiel Pferde, zugelassen [3].

Impfen ohne Nadel

Um dieses Problem zu lösen, wird ZyCoV-D nicht tief ins Muskelgewebe injiziert, sondern unter der Haut deponiert. Dieser Bereich ist reich an Immunzellen, die Fremdkörper wie Impfstoffpartikel aufnehmen und verarbeiten. „Dadurch wird die DNA viel effizienter eingefangen als im Muskel“, sagt Jameel. Ungewöhnlich ist, dass der Impfstoff mit einem nadelfreien Gerät in die Haut gelangt. Dieses wird gegen die Haut gedrückt. Infolge entsteht ein feiner, unter hohem Druck stehender Flüssigkeitsstrom, der die Oberfläche durchdringt. Dem Hersteller zufolge ist die nadelfreie Applikation weniger schmerzhaft als die übliche Injektion [2,3].

Fazit

Mit ZyCoV-D konnte gezeigt werden, dass DNA-basierte Impfstoffe prinzipiell vor einem symptomatischen COVID-19-Verlauf schützen und bei der Kontrolle der Pandemie helfen können. Allein das ist nach Ansicht der Forscher von entscheidender Bedeutung. Peter Richmond, ein pädiatrischer Immunologe an der University of Western Australia in Perth, resümiert: „Dies ist ein wirklich wichtiger Schritt nach vorn im Kampf gegen COVID-19 weltweit, denn es zeigt, dass wir eine weitere Klasse von Impfstoffen einsetzen können.“

Insgesamt befinden sich fast ein Dutzend DNA-Impfstoffe gegen COVID-19 in der klinischen Erprobung und mindestens ebenso viele in früheren Entwicklungsstadien. In der Endphase (II/III) werden zwei DNA-Impfstoffkandidaten untersucht: eine Vakzine vom japanischen Unternehmen AnGes mit Sitz in Osaka und ein Impfstoff von Inovio Pharmaceuticals in Plymouth Meeting, Pennsylvania (USA). Letzterer wird ebenfalls intradermal verabreicht. „Wenn sich DNA-Impfstoffe als erfolgreich erweisen, ist dies wirklich die Zukunft der Vakzinologie ", so Shahid Jameel [3,4,5].

Autor:
Stand:
13.09.2021
Quelle:
  1. Zydus Cadila: Zydus receives EUA from DCGI for ZyCoV-D, the only needle-free COVID vaccine in the world, 20. August 2021; abgerufen am 11. September 2021.
  2. PharmaJet: PharmaJet partner Zydus Cadila announces Emergency Use Authorization approval for world’s first plasmid DNA COVID-19 vaccine. 23. August 2021; abgerufen am 11. September 2021.
  3. Mallapaty, S. (2021): India’s DNA COVID vaccine is a world first – more are coming. Nature 2021 Sep; 597(7875):161–2; DOI: 10.1038/d41586-021-02385-x.
  4. U.S. National Library of Medicine: Safety, Immunogenicity, and Efficacy of INO-4800 for COVID-19 in Healthy Seronegative Adults at High Risk of SARS-CoV-2 Exposure. ClinicalTrials.gov Identifier: NCT04642638, letztes Update 09. September 2021; abgerufen am 11. September 2021.
  5. U.S. National Library of Medicine: Phase II / III Study of COVID-19 DNA Vaccine (AG0302-COVID19). ClinicalTrials.gov Identifier: NCT04655625, letztes Update 09. April 2021; abgerufen am 11. September 2021.
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