
Ein erhöhtes Risiko für kardiometabolische Erkrankungen nach einer SARS-CoV-2-Infektion, einschließlich Diabetes mellitus Typ 2, Bluthochdruck und Hyperlipidämie, fiel bereits in früheren Studien auf, auch hierzulande. Für Deutschland analysierte Prof. Wolfgang Rathmann vom Deutschen Diabetes-Zentrum (DDZ) in Düsseldorf Anfang 2022 Daten von 8,8 Millionen HausarztpatientInnen. Demnach war das relative Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, im ersten Jahr der Pandemie bei Covid-19-PatientInnen um 28% höher als in der Vergleichsgruppe [1].
Ob die kardiometabolischen Risiken in der aktuellen Omikron-dominierten Pandemiephase fortbestehen oder abgeschwächt wurden, war bislang unklar; ebenso, ob sich der Impfstatus auf das Risikoverhalten auswirkt. Diese Aspekte untersuchte ein Team um Alan Kwan, Kardiologe vom Cedars Sinai Medical Center in Los Angeles. Die Ergebnisse ihrer Studie publizierten sie in der Open-Access-Zeitschrift „JAMA Network Open“ [2].
Daten von mehr als 23.000 Covid-19-Patienten ausgewertet
In einer Kohortenstudie analysierten Kwan und KollegInnen 23.709 erwachsene Covid-19-PatientInnen bezüglich der Neudiagnosen von Bluthochdruck, Hyperlipidämie und Diabetes vor oder nach der ersten Covid-19-Infektion. Der Beobachtungszeitraum erstreckte sich von März 2020 bis Juni 2022 und umfasste damit auch den ersten Teil der Omikron-Welle. Zudem wurde der Einfluss von Covid-19-Impfungen untersucht.
Um die Wahrscheinlichkeit zu schätzen, dass eine neue kardiometabolische Diagnose 90 Tage nach bzw. 90 Tage vor Covid-19 auftritt, verwendeten die Forschenden ein selbstkontrolliertes Expositions-Crossover-Design. Um zeitliche Störfaktoren zu berücksichtigen, die sich aus pandemiebedingten Unterbrechungen in der Inanspruchnahme gesundheitlicher Dienstleistungen ergaben, verglichen sie die Wahrscheinlichkeit einer neuen kardiometabolischen Diagnose mit der einer neuen Covid-19-unabhängigen Referenzdiagnose (Harnwegsinfektion und gastroösophagealer Reflux).
Mehr Diagnose nach Covid-19
Die Raten für eine Neudiagnose von Diabetes, Bluthochdruck, Hyperlipidämie, Harnwegsinfektion und gastroösophagealer Reflux waren in den 90 Tagen nach Covid-19 höher als vor der Erkrankung. Am höchsten war die Quote für Diabetes (Odds Ratio [OR] 2,35; 95%-Konfidenzintervall [95%-KI] 1,94–2,89; p < 0,001), gefolgt von
- Bluthochdruck (OR 1,54; 95%-KI, 1,35–1,76; p < 0,001),
- den Referenzdiagnosen (OR 1,42; 95%-KI, 1,25–1,61; p < 0,001) und
- Hyperlipidämie (OR 1,22; 95%-KI, 1,03–1,47; p = 0,03).
Diabetesdiagnose signifikant erhöht
Unter Berücksichtigung der Vergleichsdiagnosen war ein statistisch signifikanter Zusammenhang nur noch für Diabetes nachweisbar (OR 1,58; 95%-KI 1,24–2,20; p < 0,001). Bei einem Durchschnittsalter der ProbandInnen von 47,4 Jahren dürfte es sich zumeist um einen Diabetes mellitus Typ 2 gehandelt haben.
Die Risiken für Hypertonie und Hyperlipidämie im Vergleich zu den Referenzdiagnosen waren nach der Bereinigung nicht mehr erhöht.
Weniger Diabetesdiagnosen nach Covid-19-Impfung
Der Zusammenhang blieb auch in der Omikron-Welle bestehen. Mit einer OR von 1,78 (95%-KI 1,35–2,37; p < 0,001) fiel er für ungeimpfte Personen deutlich höher aus als für Geimpfte (OR 1,07; 95%-KI 0,64–1,77; p=0,80). Der Interaktionsterm zwischen Impfstatus und Diabetesdiagnose war aber statistisch nicht signifikant (OR 0,59; 95%-KI, 0,34–1,06; p=0,08).
Es gab keine Hinweise auf eine Interaktion zwischen Alter, Geschlecht oder bereits bestehenden kardiovaskulären Risikofaktoren, einschließlich Bluthochdruck oder Hyperlipidämie. Alter, Geschlecht und Zeitpunkt der Indexinfektion mit der Omikron-Variante waren in keinem Modell mit einem erhöhten Risiko für eine neue kardiometabolische Diagnose vor oder nach einer Covid-19-Infektion verbunden.
Fazit
In dieser Kohortenstudie ging eine SARS-CoV-2-Infektion mit einem erhöhten Diabetesrisiko einher. Das Risiko war bei ungeimpften Patienten höher als bei geimpften Menschen. Dies könnte auf einen Nutzen der Impfung hindeuten, so das Autorenteam.
Wenn es hier tatsächlich einen kausalen Zusammenhang gäbe, was in einer epidemiologischen Studie unmöglich zu belegen ist, müssten die Diabetesdiagnosen in den nächsten Jahren ansteigen – bei Ungeimpften stärker als bei Geimpften.