Diabetes mellitus Typ 1 ist gekennzeichnet durch eine progrediente, autoimmune Zerstörung der insulinproduzierenden Betazellen des Pankreas und resultiert in einem absoluten Insulinmangel. Die Erkrankung tritt meist bereits im Kindesalter und bei jungen Erwachsenen auf. Personen mit familiärerer Vorbelastung haben ein erhöhtes Risiko einen Typ-1-Diabetes zu entwickeln.
Stadien des Typ-1-Diabetes
Die Erkrankung kann in drei Stadien eingeteilt werden. Das erste Stadium ist gekennzeichnet durch das Vorhandensein von Autoantikörpern (mindestens zwei Inselautoantikörper) bei normalen Blutzuckerwerten und fehlenden Symptomen. In Stadium 2 kommen Veränderungen des Glukosestoffwechsels hinzu, die allerdings noch nicht diagnostisch für einen Diabetes und asymptomatisch sind. Im dritten Stadium liegt ein klinisch manifester Typ-1-Diabetes mit den entsprechenden Symptomen vor.
Zur Behandlung eines manifesten Typ-1-Diabetes (Stadium 3) stehen verschiedene Insulin-Analoga zur Verfügung. Für Stadium 1 und 2 war bisher keine Therapieoption vorhanden. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat nun dem monoklonalen Antikörper Teplizumab (Handelsname Tzield), der die Manifestation eines Typ-1-Diabetes verzögern kann, die Zulassung erteilt. Das Präparat wird vom Zulassungsinhaber Provention Bio Inc. gemeinsam mit Sanofi in den USA vermarktet.
Anwendung von Teplizumab
Teplizumab ist indiziert bei Erwachsenen und pädiatrischen Patienten ab 8 Jahren, die an einem Typ-1-Diabetes im Stadium 2 leiden, um die Manifestation zu verzögern.
Das Arzneimittel wird als intravenöse Infusion einmal täglich an 14 aufeinanderfolgenden Tagen appliziert.
Wie wirkt Teplizumab?
Der monoklonale IGg1-Antikörper Teplizumab-mzwv ist gegen das Oberflächenantigen CD3 auf T-Lymphozyten (CD4+ und CD8+) gerichtet. Der Teplizumab/CD3-Komplex wird von der Oberfläche internalisiert. Es wird eine partielle agonistische Signalisierung und Deaktivierung von autoreaktiven T-Lymphozyten vermutet. Auf diese Weise wird die Zerstörung der Betazellen sowie die Immunreaktion verringert. Der Wirkstoff führt zudem zu einem erhöhten Anteil regulatorischer T-Zellen und erschöpfter CD8+ T-Zellen im peripheren Blut.
Nebenwirkungen
Zu den häufigsten Nebenwirkungen unter der Behandlung mit Teplizumab zählen:
- Lymphopenie
- Hautausschlag
- Leukopenie
- Kopfschmerzen
Anwendungshinweise
Die folgenden Vorsichtsmaßnahmen sind bei der Behandlung mit Teplizumab zu befolgen.
Zytokinfreisetzungsyndrom
Während des Behandlungszeitraums und bis 28 Tage danach trat bei Patienten, die mit Teplizumab behandelt wurden, das Zytokinfreisetzungssyndrom (CRS) auf. Aus diesem Grund sollen Patienten vor der Therapie mit dem Antikörper eine Prämedikation mit antipyretischen Wirkstoffen, Antihistaminika und/oder Antiemetika erhalten. Die Patienten sollten zudem hinsichtlich des Auftretens von Symptomen eines CRS sowie der Leberwerte überwacht werden. Wenn sich ein schweres CRS entwickelt, sollte eine Pause von 1 bis 2 Tagen eingelegt und die verbleibenden Dosen an aufeinanderfolgenden Tagen verabreicht werden, um die 14-tägige Behandlung abzuschließen oder die Behandlung sollte abgebrochen werden. Auch bei erhöhten Alanin-Aminotransferase- oder Aspartat-Aminotransferase- sowie Bilirubin-Werten muss die Behandlung beendet werden.
Schwere Infektionen
Die Anwendung von Teplizmab wird nicht empfohlen bei Patienten mit aktiven schweren Infektionen oder chronischen Infektionen mit Ausnahme von lokalisierten Hautinfektionen. Tritt während des Behandlungszeitraums eine schwere Infektion auf, ist diese angemessen zu behandeln und Teplizumab abzusetzen.
Lymphopenie
Aufgrund des Risikos einer Lymphopenie sollte die Anzahl der weißen Blutkörperchen während der Behandlung überwacht werden. Entwickelt sich eine anhaltende schwere Lymphopenie (<500 Zellen pro mcL, die 1 Woche oder länger anhält), muss Teplizumab abgesetzt werden.
Überempfindlichkeitsreaktionen
Während der Behandlung traten auch akute Überempfindlichkeitsreaktionen einschließlich Serumkrankheit, Angioödem, Urtikaria, Hautausschlag, Erbrechen und Bronchospasmus auf. Kommt es zu schweren Überempfindlichkeitsreaktionen ist das Medikament abzusetzen.
Impfungen
Benötigte Impfungen mit Lebend- oder Totimpfstoffen sollten einige Wochen vor der Behandlung mit Teplizumab verabreicht werden, da der Wirkstoff die Immunantwort und Impfwirkung beeinträchtigen kann.
Studienlage
Die Sicherheit und Wirksamkeit von Teplizumab wurde in einer randomisierten, doppelblinden, ereignisgesteuerten, placebokontrollierten Studie (TN-10) untersucht.
Es nahmen 76 Patienten im Alter von 8 bis 49 Jahren (72% unter 18 Jahren) mit Typ-1-Diabetes im Stadium 2, definiert als Vorhandensein von zwei oder mehr Typ-1-Diabetes-bezogenen Autoantikörpern und Dysglykämie, an der Studie teil. Die Patienten erhielten nach dem Zufallsprinzip über 14 Tage einmal täglich eine Infusion mit Teplizumab (n=44) oder Placebo (n=32). Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war die Zeit von der Randomisierung bis zum Auftreten einer Typ-1-Diabetes-Diagnose im Stadium 3. Mithilfe eines Cox-Proportional-Hazards-Modells wurde die Zeit bis zu dieser Diagnose analysiert, stratifiziert nach Alter und Status des oralen Glukosetoleranztests bei Randomisierung.
Bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 51 Monaten wurde bei 45% (n=20) der Patienten, die Teplizumab erhielten und bei 72% (n=23) der Patienten, die Placebo erhielten, nach Studienbeginn ein Typ-1-Diabetes im Stadium 3 diagnostiziert. Die mittlere Zeitspanne von der Randomisierung bis zur Diagnose des Typ-1-Diabetes im Stadium 3 betrug 50 Monate für die Patienten der Teplizumab- und 25 Monate für die Patienten der Placebo-Gruppe. Die Verzögerung der Manifestation des Typ-1-Diabetes in Stadium 3 durch Teplizumab im Vergleich zu Placebo war statistisch signifikant (Hazard Ratio 0,41; 95%-Konfidenzintervall 0,22 bis 0,78; p=0,0066).
Zulassung als bahnbrechende Therapie
Die FDA-Zulassung von Teplizumab wurde durch den Status als vorrangig zu prüfendes Arzneimittel sowie die Ausweisung als bahnbrechende Therapie beschleunigt.
"Mit der heutigen Zulassung einer neuartigen Therapie wird eine wichtige neue Behandlungsmöglichkeit für bestimmte Risikopatienten geschaffen", sagte Dr. John Sharretts, Direktor der Abteilung für Diabetes, Fettstoffwechselstörungen und Adipositas im Center for Drug Evaluation and Research der FDA. "Das Potenzial des Medikaments, die klinische Diagnose von Typ-1-Diabetes zu verzögern, kann Patienten Monate bis Jahre ohne die Belastungen der Krankheit ermöglichen."
"Dies ist ein historisches Ereignis für die T1D-Gemeinschaft und ein Paradigmenwechsel für Menschen ab 8 Jahren mit T1D im Stadium 2 (…).“, so auch Ashleigh Palmer, Mitbegründerin und CEO von Provention Bio. „Es kann nicht genug betont werden, wie wertvoll eine Verzögerung des Ausbruchs von T1D im Stadium 3 aus Sicht der Patienten und ihrer Familien sein kann; mehr Zeit, um ohne die Belastungen, Komplikationen und Risiken, die mit der Krankheit im Stadium 3 verbunden sind, zu leben und sich gegebenenfalls darauf vorzubereiten."