
Weltweit sind etwa 20 Millionen Schwangere von Gestationsdiabetes betroffen, mit steigender Prävalenz. Das hat Folgen für die Betroffenen: Nicht nur die werdenden Mütter sind dadurch kurz- und langfristig höheren Gesundheitsrisiken ausgesetzt; sondern auch ihr Nachwuchs. Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung, können bereits Schäden entstanden sein. Deshalb ist es wichtig, einen Gestationsdiabetes so früh wie möglich zu erkennen.
Risiko durch Vitamin B12- und Folsäure-Mangel
In der Vergangenheit wurde in Präventionsstudien der Fokus häufig vor allem auf einen modifizierbaren Risikofaktor gelegt: das Übergewicht. Die Erfolge waren mäßig. Es gibt jedoch auch andere mögliche Faktoren, die einen Gestationsdiabetes begünstigen könnten. Zwei davon sind ein Vitamin B12- und ein Folsäuremangel. Beide Substanzen spielen eine wichtige Rolle im Metabolismus und sind an vielen verschiedenen Stoffwechselkreisläufen beteiligt. Dazu zählen beispielsweise die DNA-Methylierung, die Synthese von Aminosäuren, Nukleinsäuren oder Lipiden, aber auch der Auf- und Abbau von ungeradkettigen Fettsäuren und verzweigtkettigen Aminosäuren. Besonders letztere können Hyperglykämien und einen Diabetes mellitus Typ 2 begünstigen oder vorantreiben. Hohe Gesamthomozysteinwerte können ein Hinweis darauf sein, dass zu wenig Vitamin B12 oder Folsäure im Körper vorliegen. Sind die Vitamin B12- und Folsäurespiegel niedrig, könnte das, so die Vermutung, das Risiko für einen Gestationsdiabetes erhöhen.
In der Vergangenheit gelang es Forschenden bisher nicht, eine klare Assoziation zwischen Vitamin B12 Folsäure und dem Risiko für einen Gestationsdiabetes herzustellen. Ein Team um Ponnusamy Saravanan und Caroline H.D. Fall aus Großbritannien hat sich dem Thema nun in einer prospektiven Studie noch einmal gewidmet. Die Daten wurden im Journal »Diabetologia« veröffentlicht.
Zielsetzung
Das Forschungsvorhaben hatte zum Ziel, zu zeigen, dass eine Verbindung zwischen den Vitamin B12- und Folsäurespiegeln in der Frühschwangerschaft und der Diagnose eines Gestationsdiabetes in der 26. bis 28. Schwangerschaftswoche besteht. Die Auswertung war Teil der PRiDE-Studie mit dem Titel „Micronutrients in Pregnancy as Risk Factor for Gestational Diabetes and Effects on Mother and Baby“.
Methodik
Für die Studie wurden Daten aus einer prospektiven, multizentrischen, multiethnischen Kohortenstudie aus Großbritannien verwendet. Diese Daten entstammten der PRiDE-Studie.
Eingeschlossen wurden Frauen, die zwischen 2012 und 2018 eines von zehn ausgewählten Pränatalzentren in Großbritannien besuchten. Sie mussten zwischen 18 und 45 Jahre alt und durften maximal in der 16. Schwangerschaftswoche sein. Als weitere Einschlusskriterien wurden die NICE-Kriterien zugrunde gelegt - bei allen Teilnehmerinnen musste mindestens einer der folgenden Risikofaktoren vorhanden sein:
- ein BMI von ≥30 kg/m2
- ein früherer Gestationsdiabetes
- frühere unerwartete Totgeburten oder ein Geburtsgewicht von ≥4,5 kg
- erstgradige Verwandte mit Diabetes
- ethnische Minderheit
Zwei Zentren screenten zusätzlich Frauen, die zum Zeitpunkt des Termins mindestens 35 Jahre alt waren oder in ihrer Anamnese ein polyzystischer Ovarialsyndrom hatten. Bei allen Teilnehmenden wurden Blutproben analysiert, sowie Daten zu den Lebensumständen, der Gesundheit, etc. erhoben. Die Blutproben wurden biochemisch analysiert.
Outcome
Alle Daten wurden statistisch ausgewertet und zwei verschiedene Modelle entwickelt, die sich vor allem darin unterschieden, dass im zweiten Modell der BMI enthalten war, im ersten Modell nicht.
Als primäres Outcome definierte das Forscherteam Unterschiede im Risiko für einen Gestationsdiabetes bei Frauen mit und ohne Vitamin B12-Mangel in der Frühschwangerschaft. Sekundäre Outcomes umfassten verschiedene Assoziationen zwischen Vitamin B12/Folsäure und dem Blutzucker oder dem Risiko für einen Gestationsdiabetes sowie verschiedene andere Marker.
Ergebnisse
In die Studie wurden 4.746 schwangere Frauen mit einem durchschnittlichen Gestationsalter von 12,5±1,4 Wochen eingeschlossen. Nach den NICE-Kriterien lag die Prävalenz für einen Gestationsdiabetes bei 12,5% (538 Frauen), nach den IADPSG (International Association of Diabetes and Pregnancy Study Groups)-Kriterien bei 14,7% (633 Frauen). Frauen mit einem Gestationsdiabetes nahmen genauso häufig Folsäure- und Multivitaminergänzungsmittel ein wie Frauen ohne Gestationsdiabetes.
Folsäuremangel war in der Frühschwangerschaft mit 1,3% selten, eine Vitamin B12-Insuffizienz von <220 pmol/l mit 42,3% deutlich häufiger, ebenso ein Folsäureüberschuss mit 36,5%. BMI und Vitamin B12 standen in umgekehrtem Verhältnis zueinander, während Folsäure- und Gesamthomozysteinwerte positiv mit dem BMI assoziiert waren.
Sowohl der Vitamin B12-Spiegel als auch der Folsäurespiegel in der Frühschwangerschaft waren signifikant mit einem späteren Gestationsdiabetes assoziiert. War der Vitamin B12-Spiegel in der Frühschwangerschaft niedriger und der Folsäurespiegel höher, entwickelten die Frauen nach den IADPSG-Kriterien häufiger einen Gestationsdiabetes.
Hatten die Frauen in der Frühschwangerschaft einen Vitamin B12-Spiegel <220 pmol/l, hatten sie ein mit 38,3% deutlich höheres adjustiertes Relatives Risiko für einen Gestationsdiabetes (aRR=1,383; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,517-1,652; p=0,0004). Wurde der BMI in das Modell eingeschlossen, sank das adjustierte Relative Risiko auf 20,3% (aRR=1,203; 95%-KI 1,003-1,443; p=0,05). Auch auf den Nüchternblutzucker und das Plasmaglukoselevel zwei Stunden nach einem oralen Glukosetoleranztest (2h-PG) wirkte sich der Vitamin B12-Spiegel in der Frühschwangerschaft signifikant aus. Ein Anstieg des Spiegels um eine Standardabweichung war vergesellschaftet mit einem um 0,06 mmol/l niedrigeren späteren Nüchternblutzucker (95%-KI -0,04 bis -0,08; p<0,0001). Beim 2h-PG lag der Effekt bei -0,07 mmol/l (95%-KI -0,02 bis -0,12, p=0,004), wenn der Vitamin B12-Wert um eine Standardabweichung höher lag. Das Relative Risiko für einen Gestationsdiabetes gemäß IADSPG lag um 14,4% niedriger (0,856, 95%-KI 0,786 - 0,933; p=0,0004). Der Effekt halbierte sich jeweils, wenn der BMI in das zur Berechnung genutzte Modell integriert wurde.
Auch die Folsäurewerte in der Frühschwangerschaft wirkten sich auf das Relative Risiko für einen Gestationsdiabetes nach IADPSG-Kriterien in der späteren Schwangerschaft aus. Hohe Folsäurespiegel standen in einem U-förmigen Verhältnis zum Nüchternblutzucker und waren positiv assoziiert mit dem 2h-PG (1 Standardabweichung in Folsäure (12,16 nmol/l) resultierte in einem um 0,08 mmol/l höherer 2h-PG; 95%-KI 0,04-0,13; p=0,0005) und mit einem um 11% höheren Relativen Risiko für einen Gestationsdiabetes (aRR=1,11; 95%-KI 1,036-1,182; p=0,002). Wurde das Modell um den BMI ergänzt, reduzierte sich auch hier der Effekt.
Als dritten Wert untersuchte das Team das Verhältnis vom Gesamthomozysteinwert zum Blutzucker und dem Risiko für einen Gestationsdiabetes. Auch hier war die Assoziation invers zum Blutzuckerwert und dem Risiko für einen Gestationsdiabetes. Wurde der BMI im zweiten Modell mitberücksichtigt, verstärkte sich die Assoziation noch weiter. Das, vermuten die Forschenden, könnte darauf hinweisen, dass das Gesamthomozystein sich unabhängig vom BMI, Vitamin B12 und Folsäure auf den Blutzucker und das Diabetesrisiko auswirken könnte.
Fazit
Viele Frauen haben gerade in der Frühschwangerschaft zu niedrige Vitamin B12-Level, während Folsäure häufig erhöht ist. Beides ist assoziiert mit einem erhöhten relativen Risiko für einen späteren Gestationsdiabetes, wie das britische Studienteam herausfand.
Etwa die Hälfte der Effektstärke wurde durch den BMI vermittelt. Ist der Vitamin B12-Spiegel in der Frühschwangerschaft erniedrigt, waren der Nüchternblutzucker und die Plasmaglukose zwei Stunden nach einem oralen Glukosetoleranztest (2h-PG) erhöht. Bei hohen Folsäurewerten fanden sich vor allem höhere 2h-PG-Werte.
Das Verhältnis der Folsäure zum Nüchternblutzucker hingegen ist U-förmig: Hohe Folsäurewerte innerhalb der Referenzwerte könnten zwar förderlich für den Nüchternblutzucker sein, sich aber negativ auf den 2h-PG auswirken. Steigen die Folsäurewerte über den Referenzbereich hinaus, könnten sie sowohl für den Nüchternblutzucker als auch den 2h-PG ungünstig sein. Deshalb, so schreibt das Wissenschaftsteam, müssten Dosierung und Dauer von Folsäuresupplementierungen dringend überprüft werden.