Diabetes mellitus Typ 2 (T2DM) ist eine Stoffwechselerkrankung, deren Verbreitung immer weiter zunimmt. In den USA ist derzeit jeder siebte Erwachsene davon betroffen. Entwickeln sich die Fallzahlen so weiter wie in den letzten Jahrzehnten, wird bis 2050 jede dritte erwachsene Person von einem T2DM betroffen sein. Diese Zahlen sind besorgniserregend, denn sie bedeuten nicht nur stark steigende Kosten für die Gesundheitssysteme, sondern auch einen Verlust in Lebensjahren und Lebensqualität für die Betroffenen.
Risikofaktor Adipositas bei Typ-2-Diabetes
Risikofaktoren für einen Typ-2-Diabetes gibt es viele. Einer der etabliertesten ist die Adipositas - und ausgerechnet die hat in den letzten drei Jahrzehnten in der Bevölkerung deutlich zugenommen. Warum gerade die Adipositas ein Risikofaktor für T2DM ist, ist unklar. Es gibt zwar verschiedene Erklärungsansätze, aber eindeutig als Grund nachgewiesen werden konnte bisher nichts. Besonders drei verschiedene Mechanismen gelten als mögliche Erklärmodelle. Demnach könnte eine Adipositas dazu führen, dass mehr Adipokine und Zytokine produziert werden, die wiederum die Insulinresistenz befördern. Ein anderer Erklärungsansatz nimmt die Mitochondrien in den Fokus. Hier wird eine mitochondriale Dysfunktion vermutet, die zu Insulinresistenz und B-Zell-Dysfunktion führt. Der dritte Ansatz vermutet eine erhöhte ektopische Fettablagerung, die zu dysmetabolischen Sekundärkrankheiten führt.
Adipositas, T2DM und NAFLD
Der dritte Erklärungsansatz hängt eng mit der Idee zusammen, dass nicht-alkoholische Fettlebern (kurz NAFLD für Non-Alcoholic Fatty Liver Disease) an der hepatischen Insulinresistenz beteiligt sein könnte. Sie könnte zu einer Exazerbation selbiger führen sowie die Sekretion von Hepatokinen und inflammatorischen Biomarkern verändern. Das wiederum könnte dazu beitragen, dass ein T2DM entsteht. Ein etablierter Risikofaktor für eine NAFLD ist die Adipositas. Deshalb wird vermutet, dass Adipositas und NAFLD direkt bzw. indirekt einen Typ-2-Diabetes befördern.
In einer longitudinalen, retrospektiven Studie hat ein amerikanisches Forschungsteam nun genauer untersucht, in welchem Verhältnis Adipositas, NAFLD und T2DM stehen. Die Ergebnisse wurden im Journal »Annals of Epidemiology« publiziert.
Zielsetzung
Den Effekt von Adipositas auf das T2DM-Risiko zu untersuchen war das Ziel der Studie. Das Forschungsteam wollte erheben, wie stark eine NAFLD die Assoziation zwischen den beiden beeinflusst und befördert. Ihre Hypothese: Zumindest ein Teil der Assoziation zwischen Adipositas und dem Risiko für einen T2DM lässt sich durch die Schwere der Fettlebererkrankung erklären.
Methodik
Die Daten für die longitudinale Studie stammen aus der Kohorte der »Multi-Ethnic Study of Atherosclerosis«, kurz MESA. Daran haben zwischen den Jahren 2000 und 2012 mehrere Tausend Erwachsene zwischen 45 und 84 Jahren teilgenommen.
Ausschlusskriterien
Von allen Teilnehmenden der MESA-Kohorte wurden die Personen aussortiert, die bereits zu Beginn des Studienzeitraums einen prävalenten Diabetes mit einem Nüchternblutzucker von mindestens 126 mg/dL und/oder einen berichteten Einsatz von Diabetesmedikamenten aufwiesen. Auch Teilnehmende, bei denen keine ausreichenden computertomographischen Aufnahmen (CT-Scans) vorhanden waren, wurden aussortiert. Ebenso galten ein hoher Alkoholkonsum in der Vergangenheit mit durchschnittlich mehr als einer Portion pro Tag für Frauen und mehr als zwei bei Männern, sowie einer Leberzirrhose in der Vorgeschichte, orale Steroide, Klasse-3-Antiarrhythmika oder fehlenden Follow-up Daten als Ausschlusskriterien.
Begriffsdefinitionen und Einteilungen
Als Begriffsdefinitionen wurden allgemein gängige Werte eingesetzt. Die Adipositas wurde über den Body-Mass-Index (BMI) definiert. Als normalgewichtig galten Teilnehmende mit einem BMI <25 kg/m², als übergewichtig mit einem BMI zwischen 25 und 30 kg/m² und als adipös mit einem BMI >30 kg/m². Zusätzlich wurde der Taillenumfang als zweiter Wert für eine Adipositas herangezogen. Als Cut-off-Werte galten für Frauen ein Taillenumfang von >80 cm und >94cm für Männer.
Die NAFLD wurde mittels CT-Scans bestimmt. Den Anteil an Leberfett kategorisierte das Team anhand von Quartilen von Hounsfield Einheiten. Ein T2DM lag vor, wenn der Nüchternblutzucker bei mindestens 126mg/dL lag oder Diabetesmedikamente eingesetzt wurden.
Mögliche Störfaktoren wie Alter, Geschlecht, Bildung, Sport, Ethnizität und Ernährung rechnete das Team in der Analyse der Daten heraus.
Ergebnisse
Insgesamt wurden in die Studie 4.522 Erwachsene eingeschlossen. Das Durchschnittsalter lag bei 62 Jähren (±10 Jahre), etwa die Hälfte der Teilnehmenden war weiblich. Von allen Teilnehmenden hatten 28% (1.221) einen normalen BMI, 42% (1.913) waren übergewichtig und 31% (1.388) adipös. Der mediane Follow-Up-Zeitraum betrug 9,1 Jahre. In diesem Zeitraum traten 557 (12%) neue Fälle von T2DM auf. Die Inzidenzraten lagen bei 5,5 pro 1.000 Personenjahren (95%-Konfidenzintervall [KI] 4,2 bis 7,2) für Normalgewichtige, bei 14 pro 1.000 Personenjahren (95%-KI 12,5 bis 16,4) für Übergewichtige und bei 29,8 pro 1.000 Personenjahren (95%-KI 26,6 bis 33,3) für Adipöse.
Es bestand eine deutliche Assoziation zwischen den Leberfettquartilen und BMI-Kategorien. Der Korrelationskoeffizient lag hier bei 0,24 (p<0,001). Nachdem das Team verschiedene Störfaktoren herausgerechnet hatte, ergab sich, dass Menschen mit Adipositas ein 4,5-fach höheres Risiko für einen T2DM hatten als Menschen mit einem normalen Körpergewicht (Hazard Ratio [HR]=4,5; 95%-KI 3,0 bis 5,9). Ca. 36% des Effekts entfiel auf NAFLD (direkter Effekt HRBMI-Adipositas=3,2; 95%-KI 2,3 bis 4,6; indirekter Effekt HRNAFLD=1,4; 95%-KI 1,3 bis 1,5). Auch Übergewichtige hatten ein mehr als doppelt so hohes Risiko, einen T2DM zu entwickeln, wie Normalgewichtige (HR=2,2; 95%-KI 1,5 bis 3,0). Für 27% (95%-KI 18 bis 41) der Beziehung war auch hier die NAFLD verantwortlich (indirekter Effekt HRNAFLD=1,2; 95%-KI 1,1 bis 1,3; direkter Effekt HRBMI-Übergewichtig=1,9; 95%-KI 1,3 bis 2,7).
Auch ein höherer Taillenumfang ging mit einem gesteigerten Risiko für einen T2DM einher: Das Risiko war etwa 2,7-fach erhöht im Vergleich zu einem normalen Taillenumfang (totaler Effekt HR=2,7; 95%-KI 2,2 bis 3,2). Davon entfielen etwa 32% (95%-KI 24 bis 40) auf den Effekt der NAFLD auf die Assoziation (indirekter Effekt HRNAFLD=1,2; 95%-KI 1,1 bis 1,3; direkter Effekt HRTaillenumfang=2,2; 95%-KI 1,8 bis 2,6).
Fazit
Die Adipositas gilt als etablierter Risikofaktor für einen T2DM. Die Assoziation zwischen diesen beiden Erkrankungen lässt sich, wie die epidemiologische Analyse des amerikanischen Teams zeigt, teilweise durch eine gleichzeitig vorliegende NAFLD erklären. Die NAFLD vermittelt ca. 30% der Assoziation zwischen einer Adipositas und einem T2DM. Ließe sich eine NAFLD erfolgreich behandeln, könnte sich das auch auf das Risiko für einen T2DM bei Adipositas positiv auswirken. Inwieweit das zutrifft, müssen jedoch zukünftige Studien zeigen.