
Etwa jeder vierte Erwachsene leidet in Deutschland laut Umfragen an einer Schlafstörung. Liegt die Schlafdauer unter fünf Stunden pro Nacht oder ist der Schlaf schlecht, begünstigt das die Entstehung eines Diabetes mellitus Typ 2 (T2DM) (RR 1,48; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,25-176 und RR 1,40; 95%- KI 1,21-1,63). Auch Insomnie und obstruktive Schlafapnoe erhöhen das Risiko (OR 1,07; 95%-KI 1,02-1,11 und OR 2,02; 95%-KI 1,57-2,61).
Schlafstörungen beeinflussen Lebensqualität
Unterschieden werden gemäß der Internationalen Klassifikation von Schlafstörungen (ICSD-3) sechs verschiedene Formen:
- Insomnien
- Schlafbezogene Atemstörungen
- Zentralnervöse Störungen mit Tagesschläfrigkeit
- Zirkadiane Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen
- Parasomnien
- Schlafbezogene Bewegungsstörungen
Allen ist gemein: Wer schlecht schläft, ist tagsüber müde und fühlt sich unwohl. Gleichzeitig steigt das Risiko für Erkrankungen wie Diabetes, aber auch dafür, wie schnell Erkrankungen fortschreiten.
Einfluss auf Diabetesprogression
Es ist zum Beispiel bekannt, dass Schlafstörungen die Diabetesprogression begünstigen. Bei T2DM sind sie vermutlich sogar häufiger als in der allgemeinen Bevölkerung. Deshalb kann es hilfreich sein, gerade bei diesen Patientinnen und Patienten auf Anzeichen eines gestörten Schlafs zu achten. Derzeit gehört es jedoch nicht zur Standardversorgung von Typ-2-Diabetikerinnen und -Diabetikern, den Schlaf im Blick zu behalten und mögliche Störungen frühzeitig zu behandeln.
Eine Review-Veröffentlichung von dem Team um Samantha B.J. Schipper aus den Niederlanden hat sich mit dem Thema auseinandergesetzt, um zu untersuchen, wie wichtig Schlafstörungen bei T2DM sein können. Die Daten wurden im Journal »Diabetologia« publiziert.
Zielsetzung
Ziel der Arbeit war es, die Prävalenz von Schlafstörungen bei T2DM zu untersuchen und nach Assoziationen zwischen Schlafstörungen und Gesundheitsoutcomes wie glykämischer Kontrolle, mikro- und makrovaskulären Komplikationen, Depressionen, Mortalität und Lebensqualität bei Diabetikerinnen und Diabetikern mit Typ 2 zu suchen. Als weiteres Ziel sollte geprüft werden, inwieweit diese Gesundheitsoutcomes sich verbessern lassen, wenn eine Schlafstörung bei Menschen mit T2DM behandelt wird.
Methodik
Für das Review durchsuchte das Wissenschaftlerinnenteam die Datenbank PubMed von Beginn bis Januar 2021. Genutzt wurden MeSH- und Tiab Suchterme, die Schlafstörungen und Typ-2-Diabetes reflektieren, wie „sleep disorders“ (Schlafstörungen) und „diabetes mellitus 2“ (Diabetes mellitus Typ 2). Ergänzt wurde die Suche durch Terme wie „prevalence“ (Prävalenz), „treatment“ (Behandlung) und Gesundheitsoutcomes wie Morbidität, Schlafmittel etc.
Eingeschlossen wurden alle Beobachtungsstudien (cross-sectional und longitudinal) und experimentelle Studien auf Englisch oder Niederländisch.
Ergebnisse
Die Studienlage dazu, wie häufig die verschiedenen Schlafstörungen bei Diabetes mellitus Typ 2 sind, ist dünn. Es gibt kaum oder nur limitierte Studien zu Tagesschläfrigkeit, Parasomnien und Bewegungsstörungen allgemein. Spezifisch auf T2DM bezogen konnten die Autorinnen keine Daten finden. Das zieht sich durch viele der untersuchten Themen.
Insomnie
Die Insomnie (Schlaflosigkeit) ist die Schlafstörung, die von allen mit am häufigsten auftritt. Sie hat unter T2DM eine Prävalenz von 39% (95%-KI 34-44) und ist dort viermal so häufig wie in der allgemeinen Bevölkerung. Mit dem Alter steigt das Vorkommen weiter an (44%). Auch Komorbiditäten wirken sich auf die Prävalenz aus (60%).
Obstruktive Schlafapnoe
Bei der obstruktiven Schlafapnoe verhält es sich mit einer Prävalenz von 55% bis 86% ähnlich. Haben die Betroffen zusätzlich Übergewicht, steigt die Häufigkeit weiter. Im Gegenzug dazu werden gemäß der ausgewerteten Studien jedoch nur 18% der Betroffenen überhaupt erkannt. Wenn korrekt diagnostiziert, kann der Unterschied zwischen einer schweren obstruktiven Schlafapnoe und einer milden Form im HbA1c etwa 11 mmol/mol (1%) betragen. Auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen können dadurch begünstigt werden (HR 2,2; 95%-KI 1,2-3,9), ebenso Herzversagen (HR 3,5; 95%-KI 1,4-9,0).
Restless-Leg-Syndrom
Auch das Restless-Leg-Syndrom tritt bei Typ-2-Diabetes gehäuft auf und zeigt eine höhere Prävalenz (8-45%) als in der allgemeinen Bevölkerung.
Wie häufig jedoch zirkadiane Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen, zentralnervöse Störungen mit Tagesschläfrigkeit oder Parasomnien bei T2DM sind, lässt sich nicht sagen. Dazu konnte das Forscherinnenteam keine Studien finden.
Einfluss auf den Blutzucker
Gleichzeitig zeigten mehrere cross-sektionale und prospektive Studien, dass sich Schlafstörungen negativ auf die Gesundheit auswirken können. Dieser Effekt fand sich in mindestens einem Diabetesbereich. Besonders betroffen war die Kontrolle des Blutzuckers. Insomnie ist beispielsweise assoziiert mit erhöhten HbA1c-Werten (2,51 mmol/mol [0,23%]; 95%-KI 1,1-4,4 [0,1%-0,4%]) und einem höheren Nüchternblutzucker (0,4 mmol/l; 95%-KI 0,2-0,7).
Behandlung der Schlafstörungen
Jede Schlafstörung sollte behandelt werden, um Folgeschäden zu vermeiden. Das gilt für alle Patientinnen und Patienten, unabhängig davon, ob sie einen Typ-2-Diabetes haben oder nicht. Jede Therapie kann jedoch auch Nebenwirkungen verursachen und besonders bei einer bestehenden Vorerkrankung Probleme hervorrufen. Wie sich eine Behandlung von Schlafstörungen auf den T2DM auswirkt, ist jedoch wenig bekannt. Randomisiert-kontrollierte Studien, die den Effekt auf den T2DM untersuchen, sind selten und meist mit wenigen Teilnehmenden oder qualitativ nicht ausreichend.
Pharmakologische Therapien
Besonders pharmakologische Therapien können den Diabetes beeinflussen. Wie sich beispielsweise Schlaftabletten auf die Blutzuckerkontrolle auswirken, ist jedoch nicht erforscht. Einzig zu Melatonin als schlafanstoßendem Medikament finden sich Studien: Teilweise fördert es die Schlafqualität und wirkt sich positiv auf den HbA1c aus. Bei Menschen mit der häufigen 1B-Variante des Melatoninrezeptors könnte jedoch auch das genaue Gegenteil der Fall sein, denn diese Variante wird mit einer gestörten Insulinsekretion in Verbindung gebracht.
Nichtmedikamentöse Maßnahmen
Nicht jede Schlafstörung bedarf jedoch einer pharmakologischen Therapie. Viele Formen wie die obstruktive Schlafstörung beispielsweise werden durch Hilfsmittel wie die CPAP-Maske oder mandibuläre Devices behandelt. Obwohl besonders die CPAP-Maske zwar die Schlafqualität der Betroffenen deutlich verbessert, ist die Studienlage zu den Effekten auf den T2DM jedoch ebenfalls wenig aussagekräftig.
Nur konventionelle Therapien wie Gewichtsreduktion, Schlafedukation und kognitive Verhaltenstherapien scheinen effektiv darin zu sein, den Schlaf und die Gesundheit bei T2DM zu verbessern. Das trifft besonders auf die obstruktive Schlafapnoe zu. Sie profitiert stark von einer Gewichtsreduktion.
Fazit
In dem Review wird klar, dass Schlafstörungen bei Menschen mit T2DM häufiger auftreten und sich negativ auf die Gesundheit auswirken. Die Studienlage ist dünn, werden Schlafstörungen jedoch behandelt, ließe sich eventuell ein Fortschreiten der Diabeteserkrankung verhindern oder verlangsamen. Deshalb sollte gerade bei T2DM, so die Studienautoren, versucht werden, Schlafstörungen (frühzeitig) zu diagnostizieren und zu behandeln. Dies betrifft besonders die obstruktive Schlafapnoe. So könnte nicht nur die Gesundheit verbessert werden, sondern auch die Lebensqualität.