
Diabetes mellitus ist mit verschiedenen kardiovaskulären und metabolischen Folgeerkrankungen verbunden. Auch wurden Assoziationen mit einem erhöhten Risiko für Krebs, Lebererkrankungen und Infektionen festgestellt. In einer epidemiologischen Analyse in England wurde die Entwicklung der Komplikationen bei Patienten mit Diabetes über 16 Jahre untersucht. Es zeigte sich ein Trend von diabetesbedingten Erkrankungen hin zu nicht direkt mit der Erkrankung assoziierten Komplikationen.
Methodik
Es wurden Daten des Clinical Practice Research Datalink (CRPD)-Registers aus den Jahren 2003 bis 2018 untersucht. Betrachtet wurden 309.874 Personen ab 18 Jahren mit Diabetes mellitus Typ 1 oder Typ 2. Die Population war repräsentativ für die englische Bevölkerung in Bezug auf Alter, Geschlecht und Ethnizität.
Um die ursachenbezogenen Hospitalisierungsraten mit Menschen ohne Diabetes zu vergleichen, wurde eine alters- und geschlechtsgleiche Gruppe von Personen ohne die Stoffwechselerkrankung generiert. Zur Schätzung der jährlichen Hospitalisierungsraten bei Männern und Frauen, wurde ein diskretisiertes Poisson-Regressionsmodell verwendet. Variablen wie Zeitraum, Alter, Diabetesdauer, Diabetes- und Todesstatus sowie das Geschlecht wurden berücksichtigt.
Die Rate der Krankenhausaufenthalte wurde für 17 Ursachengruppen nach ICD-10-Definitionen bestimmt, darunter zählten unter anderem diabetes-spezifische Komplikationen wie ischämische Herzerkrankungen (inklusive Herzinsuffizienz), hyperglykämische Krise, Major- und Minoramputationen, Krebserkrankungen, Atemwegsinfektionen, Sepsis sowie chronische Nierenerkrankung.
Ergebnisse
Im Jahr 2003 waren 51.000 Männer und 44.000 Frauen der Diabetespopulation in die Studie eingeschlossen, im Jahr 2018 waren es 117.000 männliche und 102.000 weibliche Probanden. Das mittlere Alter lag zu Beginn der Studie bei 64 Jahren (29-87) bei Männern der Diabetes- und 57 (22-84) in der Nicht-Diabetes-Gruppe. Bei Diabetikerinnen betrug das Alter im Median 68 Jahre (26-91) und bei stoffwechselgesunden Frauen 60 (16-69) Jahre. Zum Ende der Studie glich sich das mediane Alter bei beiden Geschlechtern an.
Übergewicht stieg in der Diabetespopulation über die Zeit an, während es in der nicht-Diabetes-Gruppe sank. Auch die Diabetesdauer verlängerte sich über den Studienzeitraum.
Hospitalisierung bei Diabetes häufiger
Insgesamt waren die Hospitalisierungsraten in der Diabetesgruppe höher als bei Menschen ohne Diabetes. Es zeigte sich ein genereller Trend bei beiden Geschlechtern hin zu nicht-diabetesspezifischen Komplikationen. Während die Hospitalisierungsraten bei Diabetespatienten aufgrund vaskulärer Erkrankungen, Diabetes und Amputationen sanken, stiegen die Raten aufgrund von nicht-diabetesassoziierten Krebserkrankungen, Atemwegs- und renalen Infektionen, Sepsis, Nieren-, Leber- und Atemwegserkrankungen. Dies galt insbesondere für Personen mittleren Alters und älteren Menschen, während bei jüngeren Erwachsen Diabetes selbst die Hauptursache für Krankenhausaufenthalte blieb.
Abnahme diabetesbedingter Komplikationen
Am stärksten reduzierten sich die Hospitalisierungen aufgrund koronarer Herzkrankheit (KHK; Männer: -29,0%, Frauen: -34,2%) und dem Diabetes selbst (M: -54,3%, F: 65,1%). Im Gegensatz zu allen anderen klassischen Diabeteskomplikationen stieg die Hospitalisierungsrate aufgrund hyperglykämischer Krisen um 39,7% bei Männern und 26,4% bei Frauen. Majoramputationen gingen stärker zurück als Minoramputationen.
Zunahme von Krebs und Atemwegsinfektionen
Den größten Anstieg der Hospitalisierungsraten zeigte sich bei nicht-diabetesbedingten Krebserkrankungen (M: 40,4%, F: 44,2%) und Atemwegsinfektionen (M: 166,9%, F: 192,9%). Die Trends bei den Hospitalisierungsraten für nicht-diabetesspezifische Komplikationen waren über den gesamten Zeitraum im Allgemeinen gleichmäßiger. Der Rückgang der klassischen Komplikationen flachte zum Ende des Studienzeitraums hin ab.
Limitationen
Personen mit nicht-diagnostiziertem Diabetes konnten nicht in die Studie nicht eingeschlossen werden, sie machen allerdings etwa 20% der Diabetesbetroffenen in Großbritannien aus. Zudem wurde keine Unterscheidung zwischen Personen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes vorgenommen.
Auch Änderungen im Verhalten der Ärzte, bei den Diagnosekriterien und bei der Kodierung können die Ergebnisse der Studie beeinflussen. Auswirkungen der diabetes-spezifischen Maßnahmen während des Studienzeitraums, einschließlich der Änderung der Diagnosekriterien von Nüchternplasmaglukose zu HbA1c, wurden nicht berücksichtigt. Hinzu kommt die fehlende Beachtung von Risikofaktoren wie dem Body-Mass-Index (BMI), Raucherstatus oder Hypertonie.
Fazit
Die Studie zeigt bei den Ursachen für Krankenhausaufenthalte von 2003 bis 2018 einen Übergang von den traditionellen diabetesbedingten Komplikationen zu einer Reihe von Erkrankungen, die nicht spezifisch für Diabetes sind, darunter häufige Infektionen wie Atemwegs- und Nierenerkrankungen.
Der starke Rückgang der Hospitalisierungsraten bei Menschen mit Diabetes aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Amputationen entspricht den Trends bei Diabeteskomplikationen in den USA und der ursachenspezifischen Mortalität in England und Australien. Die Richtung dieser Trends war in der Nicht-Diabetes-Population ähnlich, was darauf hindeutet, dass Menschen mit Diabetes ein breiteres Spektrum an ursachenbezogenen Krankenhausaufenthalten erleben als früher.
Risiko durch hohes Alter und Multimorbidität
Eine zunehmende Lebenserwartung geht mit höherem Alter und Multimorbidität einher und könnte eine mögliche Erklärung für die erhöhte Diversität der Hospitalisierungsursachen liefern. Frühere Arbeiten zeigen, dass die Anzahl der Notfallaufnahmen in Krankenhäusern in England zwischen 2006 und 2018 um 42% gestiegen sind (durchschnittlich 3-2% pro Jahr), insbesondere bei Personen ab 85 Jahren und Multimorbidität mit fünf oder mehr chronischen Erkrankungen.
Präventionsmaßnahmen erweitern
Die Abnahme der Krankenhauseinweisungen aufgrund diabetesbedingter Komplikationen führen die Studienautoren auf spezifische Präventionsmaßnahmen der Folgeerkrankungen und eine verbesserte ambulante Versorgung zurück. Eine frühere Diabetesdiagnose sowie ein besserer Zugang zu Fußpflegeteams könnten den stärkeren Rückgang größerer Operationen im Vergleich zu Minoramputationen erklären.
Die Studienautoren kommen zu dem Schluss, dass die gezielten Präventionsmaßnahmen erweitert werden sollten, um die Vielfalt des zusätzlichen Hospitalisierungsrisikos bei Menschen mit Diabetes zu erfassen und erneut eine Verbesserungen bezüglich der Gesamtmortalität sowie den Hospitalisierungs- und Morbiditätsraten zu erreichen.